50 Jahre KGB

Der 3. Oktober 1966 ist wohl der eigentliche Geburtstag des vor 50 Jahren erschienenen Kirchengesangbuchs (KGB). An jenem Montag fand im Bahnhofbuffet Zürich der zentrale Einführungstag für das erste deutschschweizerische Kirchengesangbuch statt.

Wenige Tage später, am 6. Oktober, schrieb Markus Jenny in der NZZ-Morgenausgabe über den Einführungstag: «In der augenblicklich wenig feierlichen Umgebung eines Konferenzsaales des Zürcher Bahnhofbuffets wurde am Montag ein Geburtstag von grosser Bedeutung gebührend gefeiert. Nach nur achtjähriger Arbeit liegt das erste gemeinsame Kirchengesangbuch für die römisch-katholischen Diözesen der deutschsprachigen Schweiz vor.» Jenny bewertete dies als die wichtigste Frucht des Konzils und bewunderte Planmässigkeit und Schnelligkeit der Herausgabe, mit der die Einführung auf den Beginn des Kirchenjahres 1966/67 nur zwei Jahre nach dem Konzilsende möglich wurde.

Die Vorgeschichte

Die Geschichte des KGB, die Paul Schwaller vor 20 Jahren umfassend zusammengefasst hat,1 ist lang und kurz zugleich. Die Idee eines gemeinsamen Liederbuches für die Deutschschweizer Bistümer kam schon in den frühen 1920er-Jahren auf, nachdem die Fuldaer Bischofskonferenz 1916, ausgelöst durch Kriegsdienst im Deutschen Reich, 23 Lieder für alle deutschen Diözesen vorgeschrieben hatte. Die Zeit für eine bistumsübergreifende Lösung in der Schweiz war noch nicht gekommen. Erfolgversprechende Anstrengungen seitens Vertretern des Bistums St. Gallen wurden jäh 1940 von ihren Basler Kollegen abgeblockt. 1942 erschien das Basler «Laudate», 1947 die drei anderen Gesangbücher der Bistümer Chur, St. Gallen und Sitten. Erst die grossen Bevölkerungsbewegungen in der Schweiz nach dem Zweiten Weltkrieg bewog die «Arbeitsgemeinschaft sozialer Standesvereine der Schweiz» (KAB), 1957 die Schweizer Bischofskonferenz zu bitten, ein Kirchengesangbuch und einen Katechismus für die ganze Deutschschweiz einzuführen. Die Schweizer Bischofskonferenz setzte eine Zentralkommission mit Vertretern aus den fünf ganz oder teilweise deutschsprachigen Schweizer Bistümern ein. Diese legte trotz der ungewissen Zeit vor dem Konzil die Grundlagen für das neue KGB. Da Musik und Sprache eminent wichtig waren, wurden 1962 Expertenkommissionen für Musik, Literarisches und Liturgisches eingesetzt. Diese bearbeiteten zuerst die Psalmen, dann die Kirchenlieder, Gebete und Andachten und den Beichtspiegel. Bereits am 5. Juli 1965 genehmigte die Bischofskonferenz das vorgelegte Manuskript.

Die Verwirklichung und Einführung

Damit begann die Zeit der Verwirklichung. Die drucktechnische Realisierung war mit den damaligen Gegebenheiten noch weit komplizierter als heute. Mit der Gründung des bis heute bestehenden und auch für das heute gebräuchliche KG verantwortliche «Vereins für die Herausgabe des Katholischen Kirchengesangbuches der Schweiz» wurde die juristische Grundlage gelegt. Alle Rechte betreffend KGB und KG liegen bei diesem Verein. Das KGB wurde in den zwei heute nicht mehr bestehenden Druckereien Union Druck und Verlag AG Solothurn und Benziger Einsiedeln im Handsatz gesetzt und gedruckt.

Am 3. Oktober 1966 fand in Zürich der zentrale Einführungstag statt, an dem die ersten Druckexemplare den Teilnehmern übergeben werden konnten. Neben dem eigentlichen KGB als Volksausgabe wurden ein Vorsängerbuch, ein Orgelbuch, ein Werkbuch für den Klerus und die Chorleiter sowie 25 Schallplatten herausgegeben, welche die Einführung des KGB wesentlich erleichterten. Das Werkbuch sollte eine Hilfe für den richtigen Einsatz des KGB sein. Das Jahr 1967 wurde mit deren Einführung und Anwendung das «Jahr der Hilfsmittel zum KGB» und das Jahr 1968 zum «Jahr des Orgelbuches und der Schallplatten».

Revisionen von 1972 und 1978

1972 beauftragte die Schweizer Bischofskonferenz die Kirchenmusikkommission und das Liturgische Institut, das Gesangbuch in Verbindung mit dem Verein für die Herausgabe des KGB einer Revision zu unterziehen. Dadurch wurden die seit 1966 erfolgten liturgischen Reformen aufgearbeitet und Wünsche und Erfordernisse der Gottesdienstbesucher und Pfarreien eingearbeitet. Eine Übernahme des Einheitsgesang- und Gebetbuches (EGB), das spätere «Gotteslob», wurde noch nicht erwogen, weil man das erst sechs Jahre alte KGB noch nicht aufgeben und ersetzen wollte. 1977 entschied sich auch die Deutschschweizerische Ordinarienkonferenz gegen eine sofortige Übernahme des «Gotteslob», ebenfalls gegen eine Totalrevision des KGB, das 1978 eine Teilrevision erfuhr sowie 1988 nochmals als Nachdruck erschien.

1996 stellte Paul Schwaller als langjähriger Bischöflich Beauftragter der SBK und Geschäftsführer des Vereins fest, dass die Volksausgabe des KGB vergriffen, alle Hilfsmittel ausverkauft waren und er die Hälfte seines Lebens, nämlich 34 Jahre, neben den seelsorgerlichen Aufgaben dem KGB gewidmet hatte. So schloss sich für ihn der KGB-Kreis, und er demissionierte als Geschäftsführer des Vereins.

Das KGB dürfte mit einer Gesamtauflage von zwei Millionen Exemplaren einer der wenigen Renner der Schweizer Buchdruckgeschichte sein. Das hing nicht zuletzt damit zusammen, dass sich früher die Gläubigen ein persönliches KGB-Exemplar anschafften, während nun seit gut zwei Jahrzehnten die Gesangbücher in der Kirche zum Gebrauch bereitliegen. Damit kann heute das Ziel, dass das Kirchengesangbuch auch für das Beten und Feiern in der Familie eine Hilfe sein will, nicht mehr erfüllt werden.

Das neue KG von 1998

Zwischen 1988 und 1998 wurde in enger Zusammenarbeit mit der Schweizer evangelisch-reformierten Gesangbuchkommission, die zeitgleich das Evangelisch-reformierte Gesangbuch RG vorbereitete, das neue Kirchengesangbuch KG erstellt.2 Beide Gesangbücher wurden mit einem ökumenischen Fernsehgottesdienst am 1. November 1998 in Luzern offiziell eingeführt. Somit war das KGB über 32 Jahre im Gebrauch, was für eine solche Interimslösung, als welche das KGB gedacht war, eine enorm lange Lebensdauer darstellt. In einem Rückblick von 2008 spricht Walter Wiesli, der die Hauptverantwortung für die Herausgabe des KG von 1998 trug, von einem Liederfrühling im 21. Jahrhundert, wurden doch nicht nur in den öffentlich-rechtlich anerkannten Kirchen, sondern auch in den Freikirchen und freikirchlichen Verbänden nach 1960 zahlreiche neue Liederbücher herausgegeben.2 Das KGB hat innerhalb der römisch-katholischen Kirche für diese Entwicklung eine gute Grundlage geschaffen, die nun durch das bald zwanzigjährige KG weitergetragen wird.

Positives Fazit

Martin Hobi zog 2003, fünf Jahre nach der Herausgabe des Katholischen Gesangbuches KG, welches das KGB ablöste, ein positives Fazit über das KGB: «Die Erarbeitung und mutige Herausgabe des ersten überdiözesanen Kirchengesangbuchs (KGB 1966) in dieser frühen Phase der Liturgiereform erweist sich auch aus geschichtlicher Distanz als geglückt.»3 Vor kurzem, 2013/2014, erschien ein neues «Gotteslob». Angesichts des geradezu unermesslichen Aufwandes von Paul Schwaller für das KGB und von Walter Wiesli für das KG und angesichts der heute fehlenden personellen Ressourcen dürfte wohl zukünftig, wenn ein neues Kirchengesangbuch in der Schweiz gewünscht wird, ein solcher Entscheid in Richtung «Gotteslob» ausfallen, ergänzt mit einem grossen Eigenteil für die Deutschschweiz.
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KG mit Gemeinsamkeiten

Die bisher nie erreichte Gemeinsamkeit mit dem gleichzeitig erschienenen Evangelisch-reformierten Gesangbuch (RG) und dem Christkatholischen Gebet- und Gesangbuch (CN) macht eine Stärke des neuen KG aus. 238 Gesänge darin sind gemeinsam. Diese Entwicklung wurde bereits durch das KGB mit 48 ökumenischen Liedern vorbereitet, eingebracht von Paul Schwaller, der sich dafür auf ein reformiertes Liederbuch abstützte.

 

 

1 Paul Schwaller: 40 Jahre Gesangbuchgeschichte, 30 Jahre KGB. Chronologischer Gesamtbericht des bischöflich Beauftragten und Geschäftsleiters des Vereins. Solothurn 1996, 213 S. (als Manuskript in verschiedenen Schweizer Bibliotheken einsehbar). Vom gleichen Autor stammen zwei Aufsätze über die Geschichte des KGB: Von der Entstehungsgeschichte des katholischen Kirchengesangbuches, in: Katholische Kirchenmusik. Zeitschrift für sakrale Musik und Liturgie, Heft 6 / November 1966, 287–295, und Die Schweizer Einheitslieder. Wie es zum katholischen Kirchengesangbuch der Schweiz kam, in: Bruno Bürki-Martin Klöckener: Liturgie in Bewegung. Freiburg/CH-Genf 2000, 256–263. Diese Aufsätze bilden die Grundlage für den vorliegenden Artikel.

2 Walter Wiesli: Zehn Jahre Kirchengesangbuch KG. Liederfrühling an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, in: SKZ 176 (2008), Nr. 44, 724–728.

3 Martin Hobi: Kirchenmusik – «notwendig und integrierend», in: SKZ 171 (2003), Nr. 43, 760–762, hier 761.

Urban Fink-Wagner

Urban Fink-Wagner

Der Historiker und promovierte Theologe Urban Fink-Wagner, 2004 bis 2016 Redaktionsleiter der SKZ, ist Geschäftsführer der Inländischen Mission.