150 Jahre Kloster Ilanz

Kloster Ilanz

Die Schwestern des Klosters Ilanz feiern dieses Jahr 150 Jahre ihres Bestehens. Diese Jahre beinhalten Aufbruch, Krisen, Blüten, beständiges Suchen, Umdenken, Sichwandeln, aber immer, Gott zugewandt, im Dienst an den Menschen.

Gründung

Es fing klein an, doch gezielt. Johann Fidel Depuoz (1817–1875) war der Mann, der das alles ins Rollen brachte. Der Bündner Jesuit war hervorragend gebildet und weitgereist, in fast ganz Europa und bis in die USA, er war intelligent, tatkräftig und von grosser Güte und Lauterkeit. Seine Weitsicht, die ihm wohl angeboren war, liegt doch Siat hoch oben über dem Vorderrheintal, liess ihn gerade nicht die enge Not seines Heimattals vergessen. Er hatte nämlich auch eine starke soziale Ader, er erkannte die vielen verschiedenen Nöte im Bildungs- und Gesundheitswesen der Menschen des Bündner Oberlandes. Dies bewog ihn, den in der Schweiz verbotenen Orden zu verlassen. Er setzte nun seine ganze Tatkraft, seine Bildung und sein nicht unbeträchtliches Vermögen ein, um etwas für die die sozialen Bedürfnisse seiner Heimat zu tun.

So eröffnete Dr. Johann Fidel Depuoz in Ilanz, dem zentralen Ort der Surselva, am 15. November 1865 eine "allgemeine Real- und Industrieschule". Gleichzeitig gründete er die privatrechtliche "Gesellschaft der göttlichen Liebe" auf religiöser Grundlage für Frauen, um die Effizienz seiner Werke zu garantieren. Das waren zunächst eine Handvoll Frauen, die bereit waren, mit ihm dieses Unternehmen zu wagen. 1868 folgte die Eröffnung des ersten Spitals in Ilanz.

In Maria Theresia Gasteyer (1835–1892) aus Nasstätten bei Wiesbaden fand Depuoz die ebenbürtige Mitarbeiterin für sein Werk. Diese Frau, hochbegabt und vielseitig gebildet, mit Organisationstalent, Energie und Durchhaltekraft ausgestattet, belastbar und tief religiös, wurde die Mitbegründerin und erste Generaloberin der Ilanzer Schwestern. Nach dem frühen Tod von Depuoz rettete sie die junge Gründung durch eine Flut von Anfeindungen aller Art hindurch und festigte das Unternehmen. Ohne ihren weiten Blick, ihre Ausdauer, ihre Kompetenz in allen Bereichen hätte die Gemeinschaft nicht überdauert.

Der Leitsatz von Depuoz lautete: "Aus reinster Liebe zu Gott allen Menschen ohne Unterschied des Standes, des Geschlechtes, Alters, Landes, der Nation und Religion im ausgedehntesten Sinne Gutes zu tun." Dieser Gedanke wurde bestimmend für alle Werke und Dienste der Gemeinschaft, und dies bis heute.

Die junge Gemeinschaft suchte den Anschluss an einen bestehenden Orden. 1894 schloss sie sich dem Dominikanerorden an. Die Beheimatung in diesem Orden ist für uns Schwestern von grosser Bedeutung. Wir wissen uns getragen in einer weltweiten Gemeinschaft mit dem gemeinsamen Auftrag, allen Menschen das Evangelium zu verkünden. Das verbindet uns unmittelbar mit dem Leitsatz des Gründers "allen Menschen Gutes zu tun". Wir haben als Ilanzer Dominikanerinnen denselben Auftrag, den der heilige Dominikus (um 1170–1221) seinem Orden, 1216 von ihm gegründet, gegeben hat. So werden wir auch nächstes Jahr, 2016, mit grosser Freude die 800 Jahre des Predigerordens mitfeiern. Dominikus, Theologe und Mitglied der reformierten Chorherren in Osma, Spanien, begabter und hartnäckiger Organisator, war gleichzeitig ein liebreicher Mitbruder und Tröster in allen Unbilden des Lebens, ein Mann voll Barmherzigkeit. Er hat seit Beginn des Ordens das aufeinander Angewiesensein von Brüdern und Schwestern im Orden und ebenso ihre Zusammengehörigkeit in Freundschaft gewollt und in die Wege geleitet.

Um die Verwandtschaft von Dominikus und Depuoz aufzuzeigen, nochmals aus dem Leitsatz: "Allen Menschen ohne Unterschied des Geschlechtes und der Religion Gutes tun." Dominikus gründete als Erstes ein Frauenkloster, und zwar mit Frauen, die kurz vorher noch "Ketzerinnen" (Katharer) waren, und er setzte ihnen keineswegs gut katholische Oberinnen vor, sondern traute ihnen, unterstützt von sporadischer Unterweisung seinerseits, die eigene Entwicklung zu! Daneben nun Depuoz, der mit seinem "kein Unterschied bezüglich der Religion" Tür und Tor öffnete für die protestantische Bevölkerung in und um Ilanz, was damals alles andere als selbstverständlich war. Er schrieb: "Wir müssen sorgen, dass auch die Protestanten so gut wie die Katholiken mit unserer Schule zufrieden sein können, und nichts tun, was die protestantischen Kinder und Eltern beleidigen könnte." Was nun das Geschlecht betrifft, war es im 19. Jahrhundert und im Kanton Graubünden vor allem wichtig, endlich einmal Mädchen auszubilden, auf gleichem Niveau wie Knaben. Dennoch öffnete Depuoz seine erste Schule Mädchen, Knaben und Erwachsenen.

Dieser Geist der Offenheit ist uns geblieben in all den Jahren. Die protestantische Bevölkerung unserer Region und natürlich Angehörige anderer Religionen oder Religionslose waren und sind bei uns immer willkommen.

Entwicklung

Wo lebten und wirkten nun die Ilanzer Schwestern in den 150 Jahren ihres Bestehens und wie konnten sie nützlich sein für die Menschen?

Ilanz und die Surselva bis nach Sedrun und bis ins Safiental, Chur und Davos u. a. waren Wirkungsorte im Kanton; Zürich und Orte, wo nur wenige Schwestern kürzere Zeit arbeiteten; mehrere Orte in Deutschland und Österreich, in China, Taiwan und Brasilien. In der ganzen Zeit waren wir wirksam im Auftrag der Evangelisation, im Geiste der Gründer sowohl wie im Geiste des Ordens. Das beinhaltete: Erziehungs- und Bildungsarbeit, Kranken- und Altenpflege, Wirken für Arme und sozial Benachteiligte, Verkündigung durch sorgfältig gestaltete Liturgie, durch Tagungen, Vorträge, geistliche Begleitung und Gespräche; Medienpräsenz; Pfarrei- und Krankenseelsorge; unsere Missionsprokur stützt nicht nur die Evangelisation in Brasilien und Taiwan, sondern auch die Bewusstseinsbildung in Europa. Diese Aufgaben haben sich in den letzten Jahrzehnten oft verändert. Neue Bedürfnisse und vor allem der Rückgang neuer Berufe sowie das Alter der Schwestern haben uns immer wieder dazu bewogen, liebgewonnene Tätigkeiten aufzugeben und uns neuen Aufgaben zuzuwenden.

Heute

Heute verstehen wir uns als eine dominikanische Ordensgemeinschaft von Frauen unterwegs mit anderen und für andere. Der Leitsatz von Depuoz und die Sendung im Dominikanerorden sind für uns nach wie vor präsent. Weil wir dies nur im Kontakt mit den Menschen tun können, liegen uns wertschätzende Begegnungen sehr am Herzen. Heute geht unsere Aufmerksamkeit besonders auf die persönliche und geistliche Begleitung von suchenden Menschen, es liegt uns aber auch einfach am offenen Begegnen mit allen, die zu uns kommen. Grossen Wert legen wir auf die menschennah gestaltete Liturgie der Gottesdienste in unserer Klosterkirche, woran immer wieder Menschen von nah und fern teilnehmen. Im Haus der Begegnung für Bildung und Erholung, das mit dem Kloster baulich und inhaltlich eng verbunden ist, schaffen wir Voraussetzungen für Kontakte ganz verschiedener Menschen. Die Missionsprokur ermöglicht durch Projekte, Menschen in weit entfernten Ländern näherzukommen. Auf einer geistlichen Ebene will die Gebetsgemeinschaft "Ehrenwache Mariens" Menschen zusammenbringen. Die meisten Schwestern leben heute in Ilanz. Dabei pflegen wir sehr das Zusammengehen mit unseren Mitarbeitenden. In Brasilien und auf Taiwan leben und wirken die Schwestern nach wie vor im Geiste und in enger Verbundenheit mit unserer Kongregation. Überall sind wir besorgt um mehr Gerechtigkeit und Frieden und um die Bewahrung der Schöpfung. Wir schärfen unseren Blick für die Probleme der Zeit und orientieren uns neu.

Unser gemeinsames und persönliches Beten und alles, was wir tun, suchen wir im Licht der Wahrheit und der Barmherzigkeit zu sehen. Die Verkündigung des Evangeliums und alles praktische Engagement sind eins. Dieses Bewusstsein fordert uns als Einzelne und als Gemeinschaft heraus. Es erfüllt uns mit Dankbarkeit und Freude, dass viele andere mit uns diesen Weg der Frohbotschaft Jesu Christi gehen, um die Welt etwas menschlicher zu machen. 

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Begegnungsfest 150 Jahre Kloster Ilanz, Samstag, 13. Juni 2015

10 Uhr: Beginn des Begegnungsfestes mit Angeboten im Kloster, im Haus der Begegnung, in der Missionsprokur, in unserem Alterspflegeheim und in den Technikräumen. Es gibt Klosterführungen, einen Kloster- und Flohmarkt, eine Wanderausstellung, ein Preisrätsel, verschiedene Verpflegungsmöglichkeiten... und, und, und.

16 Uhr: Vorabendgottesdienst zum Sonntag mit Dekan Alfred Cavelti, Predigt, Cäcilienchor Ilanz und Kirchenchor Trun, Annemarie Schlosser, Orgel, vier Blasinstrumentalisten und Schwesternschola.

Wir Schwestern freuen uns auf Ihr Kommen!

Für die Ilanzer Dominikanerinnen:
Sr. Eugenia Jörger, Generaloberin

 

 

 

Raphaela Gasser

Die Dominikanerschwester Raphaela Gasser ist Ressortzuständige für Bildung im Generalrat der Ilanzer Dominikanerinnen, die zum Dominikaner- oder Predigerorden gehören. Vgl. www.kloster-ilanz.ch