125 Jahre Universität Freiburg

Das Jubiläumsjahr «125 Jahre Universität Freiburg» hat die Universität in ihrer Vielfarbigkeit gezeigt – als einen lebendigen Organismus, der wächst und sich entfaltet, mit unerwarteten Facetten, innovativ und doch traditionsbewusst. Stand das ganze Jahr unter dem Leitmotiv «Gemeinsam Wissen schaffen – Partager les savoirs», so hatten wir für die einzelnen Abschnitte des Programms vier Themen ausgewählt, die uns heute und in Zukunft beschäftigen: «Leben zwischen Himmel und Erde» – «Die Wurzeln der Zukunft verstehen» – «Reise ins Herz der Materie» – «Die Welt von morgen gestalten». In diesen vier Themenbereichen durchkreuzen sich quasi alle Gebiete unserer Lehre und Forschung.

«Ordo rerum»

Da ist zunächst die Verbundenheit mit der Erde – mit dem Ort, an dem Menschen und Dinge ihren Platz haben oder suchen –, das, was die mittelalterlichen Theologen als «ordo rerum» bezeichneten, das gerechte Gefüge der Lebenswelt im Zusammenspiel der Verantwortlichkeiten. All das hat nur Bestand, wenn eine Offenheit für den Himmel bestehen bleibt – d. h. für mehr, als was wir im Augenblick durch unsere Forschung ergründen: Vielleicht nennen wir es Freundschaft oder Liebe, vielleicht einfach das beharrliche Fragen oder Transzendenz. Ohne diesen Himmel geht die Neugier für die Ergründung der Erde verloren, wird alles nur «terre à terre».

Unser Lehren und Forschen haben nur eine Zukunft, wenn sie eine feste Haftung, starke Wurzeln haben. Was eine sichere Zukunft haben soll und Wachstum, muss fest verwurzelt sein. Die Zukunft – gerade auch die politischen und finanziellen Entwicklungen, von denen das universitäre Leben abhängt – lässt sich manchmal schwer voraussagen. Gewiss ist jedoch: Es braucht eine Verwurzelung und ein Verständnis für das Herkommen. Das gilt auch für die Universität. Ihre reiche Vergangenheit und ihre Kompetenzen werden ständig mit neuen Herausforderungen konfrontiert, auf die Probe und manchmal auch in Frage gestellt. Die Alma Mater Friburgensis antwortet darauf mit vielen neuen Entwicklungen in der Forschung und im Studienangebot (siehe Jahresbericht 2013 unter www.unifr.ch/rectorat/de/documents/activites/).

Ins Herz der Materie

Die Reise unserer Universität geht weiter. Sie geht bis in das Herz der Dinge und der Wirklichkeit – ins Herz der Materie. Ende November wird das neue Gebäude des Adolph-Merkle-Instituts eingeweiht. Es wird die Forschungsgruppen beherbergen, die seit Juni 2014 das nationale Kompetenz-und Forschungszentrum «Bio-inspired Nano Soft Materials» gestalten. Die Materie ist nicht nur ein Ausdruck für die Härte der Dinge, die sich jedem Zugriff widersetzt. Sie ist auch die «mater» – die Mutter, die jedes neue Leben gebiert. Daher gibt es eine enge Verbindung zwischen der Forschung auf dem Gebiet der Materie bis in ihre kleinsten Teilen und der Entwicklung der «Life Sciences» an unserer Universität, die wir in den nächsten Jahren vorantreiben werden. Die Natur ist nicht einfach ein stummes Objekt der Forschung; sie ist lebendig, der Nährboden all unserer geistigen Intuitionen und die materielle Grundlage jeden Fortschritts, auch im Bereich der Human- und Sozialwissenschaften.

Gestaltung der Zukunft

Die letzte Phase unseres Jubiläums, die am Samstag, 15. November 2014, in den Dies Academicus mündete, stand unter dem Motto «Die Welt von morgen gestalten». Unser Jubiläum wollte bewusst nicht rückwärtsgewandt unsere Geschichte in Erinnerung rufen – wir wollen lernen und zeigen, wie eine Universität dazu beitragen kann, die Welt von morgen zu gestalten. Gestaltung heisst – wie im Garten – Pflege, Sorgfalt und Planung. Wer die Hecke zu kurz schneidet, hindert die Triebe daran, sich zu entfalten. Es genügt nicht, die Dinge einfach leben zu lassen. Zukunft will gestaltet sein und entwickelt werden. Die Universität soll nicht nur leben gelassen werden, sie muss Neues entwickeln können – in allen Fakultäten. Über einiges davon spricht der Jahresbericht, während er daran erinnert, dass wir für dieses Morgen dringend neue Infrastrukturen brauchen und neue, internationale Partnerschaften ins Leben rufen müssen. Weil auch die universitäre Arbeit in das Spannungsfeld nationalen und internationalen Wettbewerbs einbezogen wurde, ist es wichtig, dass wir Beziehungen pflegen und die Offenheit für Personen anderer Sprachen, Kulturen und Religionen, die unsere Universität seit ihren Anfängen geprägt hat, lebendig erhalten. Dieses Klima der Offenheit gehört zur katholischen Tradition der Universität Freiburg. Zu ihrem Leitbild gehört der Auftrag, für die Welt von morgen Frauen und Männer auszubilden, die sich engagieren für eine Gesellschaft, die den ethischen Prinzipien und Anforderungen der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet sind und die «in einem Klima intellektueller Offenheit, die Möglichkeit wahrnehmen, die Werte des christlichen Humanismus zu vertiefen».

Guido Vergauwen

Guido Vergauwen

Der Dominikanerpater Dr. Guido Vergauwen, ordentlicher Professor für Fundamentaltheologie und Direktor des Instituts für Ökumenische Studien, ist seit März 2007 der erste vollamtliche Rektor der Universität Freiburg/Schweiz