Zur (Kirchenmusik-)Geschichte der Schweiz

Cantars 2015 und der soeben zu Ende gegangene 5. Internationale Kirchenmusikkongress in Bern belegen, dass kirchenmusikalisches Schaffen in der Schweiz zu begeistern vermag und auch eine gute Brücke in die säkular geprägte Gesellschaft ist. Wie bedeutsam die Kirchenmusik in der Geschichte der Schweiz bis in die Gegenwart hinein ist, verdeutlicht auch die eingängig geschriebene kleine "Musikgeschichte der Schweiz" von Angelo Garovi (im Stämpfli Verlag in Bern 2015 mit einem Umfang von 160 Seiten im Taschenbuchformat erschienen, mit Bibliografie und einem recht umfangreichen Namensregister).

Die Kirchenmusik als Grundlage für die weltliche Musik

Die vergnügliche Lektüre belegt die grosse Bedeutung der Kirchenmusik. Nach den eher allgemeinen Ausführungen zur Gregorianik schreibt der Musikwissenschaftler und Historiker, der u. a. Staatsarchivar des Kantons Obwalden und somit Hüter der ältesten Quellen zur Schweizer Geschichte war, über Sequenzen und Tropen als neue liturgische Gesangsform, die dem Kloster St. Gallen zu verdanken sind, während im Kloster Engelberg im Spätmittelalter die umfangreichste Mehrstimmigkeit und auch das deutsche Kirchenlied gepflegt wurden. Die Osterfeier von Sitten geht wohl ins 12. Jahrhundert zurück. Das in die Liturgie eingebettete Osterspiel wurde auch an andern Orten aufgeführt, besonders auch in Luzern, wo auch nach der Reformation Gesandte aus allen eidgenössischen Ständen und ausländische Botschafter die Aufführungen besuchten. Auch das Konzil von Basel (1431–1449), auch musikalisch eine Blütezeit, förderte die Mehrstimmigkeit. Der zuerst in Solothurn wirkende Felix Hemmerlin förderte die Kirchenmusik im vorreformatorischen Zürich. Jahrzehnte vor dem reformatorischen Kahlschlag galt für ihn: "Es ist eine anerkannte Tatsache, dass es in Alemannien keine Kirche gibt, in welcher sowohl bei Tag und zur Nachtzeit der Gottesdienst mit einer solchen Pracht und einem solchen Glanze gefeiert wird wie am Grossmünster in Zürich." Zu dieser Zeit waren auch die Stiftskirchen in Bern, Freiburg, Luzern und Solothurn musikalisch bedeutsam.

Die Reformation

Ulrich Zwingli, ein aktiver (Haus-)Musiker, verbot Orgelspiel und Gesang im Gottesdienst, während Jean Calvin in Genf den einstimmigen Psalmengesang zuliess und so die Grundlage für den Erfolg des Genfer Psalters legte. Dieser hatte eine internationale Ausstrahlung. Das reformierte Basel führte bereits 1561 das Orgelspiel wieder ein und stellte den vorher in Solothurn wirkenden katholischen Organisten Gregor Meyer an. In der Neuzeit bis in die Gegenwart spielt dann die weltliche Musik eine immer grössere Rolle. Das nationale Festspiel, das es andernorts in dieser Form nicht gibt, hat bedeutende Komponisten angezogen und spielt bis heute eine gewisse Rolle, wie die Expo.02 verdeutlicht hat. 

Urban Fink-Wagner

Urban Fink-Wagner

Der Historiker und promovierte Theologe Urban Fink-Wagner, 2004 bis 2016 Redaktionsleiter der SKZ, ist Geschäftsführer der Inländischen Mission.