«Wir sind mitten im Leben»

Laien gestalten Kirche als Einzelne oder gemeinsam in verschiedenen Organisationen und Bewegungen. Das Schweizer Komitee Katholischer Laien bringt sie miteinander ins Gespräch.

SKZ: Sie sind Vorsitzende des Schweizer Komitees Katholischer Laien (SKKL). Was genau ist die Aufgabe dieses Komitees?
Corinne Maffezzoli-Zaugg: Das Komitee ist eine Frucht des Zweiten Vatikanischen Konzils, zu dessen wichtigen Neuerungen es gehört, dem Volk Gottes – also den Laien – mehr Sichtbarkeit und Raum innerhalb der Kirche zu geben. So wurde Anfang der 1970er-Jahre dieses Komitee gegründet, das auch heute noch – unter sicherlich anderen Bedingungen – seine Arbeit fortführt. Heute besteht die Aufgabe des Komitees vor allem darin, die Beziehungen zwischen den drei Sprachregionen zu pflegen sowie Nachrichten, Erfahrungen und Reflexionen auszutauschen, da die Kirche in unserer kleinen Schweiz enorme regio- nale Unterschiede aufweist. Bei unseren beiden jährlichen Treffen liegt der Schwerpunkt darin, immer neue kirchliche Realitäten kennenzulernen und neue Kontakte herzustellen.

Aus welchen Gründen engagieren Sie sich in diesem Komitee?
Als Präsidentin der «Unione Femminile Cattolica Ticinese», d. h. des Tessiner Frauenbundes, engagiere ich mich sehr für die Frauen, die sozusagen «doppelt Laien sind». Als Frauen und Laien wissen wir, welches die konkreten Herausforderungen einer Familie sind. Wir leben Beziehungen, wir haben Kinder, Enkel, alte Eltern. Wir sind mitten im Leben und unsere Aufgabe ist es, das Evangelium zu konkretisieren und laufend ins Leben zu integrieren. Also nicht wie Laien, die versuchen, das Priestertum nachzuahmen, sondern als Männer und Frauen, die das Evangelium im täglichen Leben umsetzen.

Was sind aus Ihrer Sicht aktuell die wichtigsten Aufgaben der Laien resp. Laienorganisationen?
Die Rolle der Laien unterscheidet sich erheblich, je nachdem, ob wir in Lugano, Freiburg oder in Chur sind. Als Tessinerin kann ich nicht anders als überrascht sein, wenn in Bern die Predigt in der Sonntagsmesse von einer Frau gehalten wird. Umgekehrt wird es jemanden von der anderen Seite des Gotthards vielleicht erstaunen, dass unsere Pfarreien, was die Organisation anbelangt, von Pfarrern geleitet werden, während alles andere von Freiwilligen gestaltet wird, fast alles Frauen. Die SKKL stellt keine Forderungen, sondern denkt darüber nach, welche Wege heute eingeschlagen werden müssten, damit Laien präsent sein können. Nicht nur in den verschiedenen Ortskirchen, sondern auch mitten in der Gesellschaft: dort, wo sie leben, arbeiten, ins Fitnessstudio gehen, einkaufen oder ihre Kinder zur Schule schicken.

Sie haben an der Versammlung des Europäischen Laienforums (ELF) teilgenommen. Gibt es national grosse Unterschiede betreffend die Situation und Anliegen der Laien?
Sicher, die Unterschiede sind enorm! Ich kenne und fühle mich mehr zu Hause in den Kirchen des südlichen Europas: Spanien, Portugal, Italien, während mir der Glaube der östlichen Länder eher fremd ist. Vor allem was die Migrantenpolitik anbelangt. Die polnische Kirche beispielsweise rechtfertigt die Schliessung der Grenzen mit Gründen des Glaubens. Das lässt sich nur mit den unterschiedlichen Geschichten, welche die verschiedenen Länder Europas mitbringen, erklären. Jedes Land muss mit seinen Verletzungen fertig werden. Die Kirche kann einen wichtigen Beitrag leisten, solange sie sich nicht in die Politik verstricken lässt, sondern in den zeitlosen und anspruchsvollen Worten des Evangeliums verankert bleibt.

Interview: Rosmarie Schärer


Corinne Maffezzoli-Zaugg

Corinne Maffezzoli-Zaugg (Jg. 1960) war langjährige Mitarbeiterin des «Giornale del Popolo». Seit 2015 ist sie Redaktorin von «Chiese in diretta», einer religiösen Radiosendung der Radiotelevisione Svizzera di lingua italiana (RSI). Sie arbeitet seit 2000 als Journalistin bei «Kirche in Not» und ist Präsidentin der «Unione Femminile Cattolica Ticinese». Sie wohnt in Mendrisio (TI) und ist Mutter von vier erwachsen Kindern.