Strukturveränderungen in der Kirche

Am 13. März vor fünf Jahren wurde Kardinal Jorge Maria Bergoglio als Nachfolger auf den Stuhl Petri gewählt. Wie weit hat er seine radikalen Reformpläne umgesetzt? Was steht noch aus? Eine Zwischenbilanz.

Bereits in seiner Aufsehen erregenden Rede im Vorkonklave Anfang März 2013 rief Kardinal Jorge Maria Bergoglio zu radikalen Reformen innerhalb der Kirche auf.1 Diese Äusserungen haben Bergoglio nicht nur Sympathien entgegengebracht, sondern ihn auch als Papst Franziskus aus der Wahl hervorgehen lassen. Die Ernsthaftigkeit seiner Reformpläne zeigte sich dadurch, dass Papst Franziskus am 13. April 2013, d. h. vier Wochen nach seiner Wahl, acht Kardinäle aus allen Kontinenten ernannt hat, die mit ihm vor allem die Überarbeitung der Verfassung der römischen Kurie aus dem Jahr 1988 vorbereiten sollten.

Gegen kuriale Krankheiten

Die Beratungen führten zu konkreten Veränderungen wie der Errichtung eines Wirtschaftssekretariats und eines Wirtschaftsrates, einer Kommission zur Vorbeugung und Aufarbeitung von Straftaten an Minderjährigen, die Zusammenführung der bisher neun eigenständigen Medieneinrichtungen zu einem neuen Kommunikationssekretariat, die Einrichtung eines Dikasteriums für Laien, die Familie und das Leben, eines Dikasteriums für den Dienst zugunsten der ganzheitlichen Entwicklung sowie einer dritten Sektion des Staatssekretariats für die päpstlichen Gesandten in aller Welt.

In seinen Weihnachtsansprachen an die Mitglieder der römische Kurie in den Jahren 2015 bis 2017 hat Papst Franziskus kuriale Krankheiten angemahnt und Überlegungen für eine «kuriale Diakonie» angestellt. Wie der Sekretär des Kardinalsrates zur Kurienreform, Bischof Marcello Semeraro von Albano, im September 2017 verlautet hat, könne dem Papst schon bald ein fertiges Konzept übergeben werden.

Strukturveränderungen auf allen Ebenen

In seinem Apostolischen Schreiben «Evangelii gaudium» (EG) vom 24. November 2013 fordert Papst Franziskus strukturelle Veränderungen auf allen Ebenen der römisch-katholischen Kirche, vor allem auch mehr Kollegialität und Synodalität bei den obersten Trägern der Leitung und eine «Neuausrichtung des Papsttums» selbst (EG 32). Bereits die ersten Grussworte nach seiner Wahl am 13. März 2013 sowie seine Sprechweise von einem «diakonalen Primat» beim Weihnachtsempfang für die römische Kurie 2017 zeugen davon. Zudem bezeichnet der Papst in seiner Ansprache bei der 50-Jahr-Feier der Errichtung der Bischofssynode vom 17. Oktober 2015 die Synodalität2 als den Weg, den «Gott sich von der Kirche des dritten Jahrtausends erwartet».

Mit Blick auf das Verhältnis von Universal- und Partikularkirche und damit die Überwindung des Gegensatzes zwischen Zentralismus und Partikularismus wünscht Papst Franziskus eine Stärkung der Bischofskonferenzen (vgl. EG 32), aber auch der Teilkirchen, hier vor allem der Diözesanbischöfe sowie der Gemeinschaftsorgane wie Priesterrat, Konsultorenkollegium, Domkapitel und Pastoralrat sowie der Diözesansynoden (vgl. EG 30 und 31), wie sie in letzter Zeit vom Militärordinariat der Republik Österreich, der Diözese Bozen-Brixen und dem Bistum Trier gefeiert worden sind. «Es ist nicht angebracht, dass der Papst die örtlichen Bischöfe in der Bewertung aller Problemkreise ersetzt, die in ihren Gebieten auftauchen» (EG 16).

Papst Franziskus fordert auch Veränderungen bezüglich der Seelsorgestrukturen in den Pfarreien (EG 28). Mit c. 517 § 2 CIC/1983 bietet der kirchliche Gesetzgeber die Möglichkeit, Laien an der Ausübung der Hirtensorge einer Pfarrei zu beteiligen und damit eine neue Form von Gemeinde zu ermöglichen, wie dies nach Modellversuchen seit den 1990er Jahren derzeit verstärkt in der Erzdiözese Wien gemäss den Leitlinien für den diözesanen Entwicklungsprozess Apg 2.1 umgesetzt wird.

Wirksamere Gegenwart in der Kirche

Franziskus prangert auch an, dass sich «die Bewusstwerdung der Verantwortung der Laien, die aus der Taufe und der Firmung hervorgeht, … nicht überall in gleicher Weise» zeigt (EG 102; vgl. EG 31) und betont, dass «die Räume für eine wirksamere weibliche Gegenwart in der Kirche noch erweitert werden» müssen (EG 103). Dies gilt auch für die römische Kurie, wie er in seiner Weihnachtsansprache vor Kurienmitgliedern 2016 bemerkt. In diesem Sinn ist wohl die Einsetzung der Kommission zur Prüfung der Frage des Diakonats der Frau zu sehen. Die Bibel liefert Argumente zum Dienst von Frauen in der Kirche (vgl. Helen Schüngel-Straumann, SKZ 26/2016).

Klare und konkrete Gesetzgebung

Ausdrücklich hat sich Papst Franziskus in der erwähnten Weihnachtsansprache 2016 zu den Widerständen in der Kurie gegen sein Reformprogramm geäussert und dieses ausdrücklich verteidigt. In der entsprechenden Ansprache von 2017 gibt er Anregungen, um die «verwerfliche Mentalität von Verschwörungen oder kleinen Zirkeln zu überwinden». Nach Aussage des Vatikanexperten Iacopo Scaramuzzi geht die Kurienreform langsam, ohne klares Konzept voran. Es gibt Rückschläge, Rücktritte von neu eingesetzten Kurienmitgliedern, Beurlaubungen und Nichtverlängerungen, Widerstände seitens derer, die Bergoglio zum Papst gewählt haben.
Auch viele andere angedachte Strukturveränderungen gestalten sich schwierig oder stehen noch aus, wie Reformen auf der Ebene der Teilkirchen bzw. der Bischofskonferenzen. Hier müssten die Verantwortlichen die ihnen von Papst Franziskus zugesprochene Eigenverantwortlichkeit ernst nehmen und entsprechend handeln. Vieles wird, wie unter dem Pseudonym Don Pio Pace herausgestellt wird, vom nächsten Pontifikat abhängen, sodass Papst Franziskus eher als Wegbereiter gesehen werden muss. Ein Vergleich mit den Päpsten Johannes XXIII. und Paul VI. legt sich nahe.

Andererseits scheint es, dass sich Papst Franziskus für eine konsequentere Durchsetzung seiner Reformideen und -pläne entschlossen hat und eigenständig entscheidet. Dies zeigen auch die Präzisierungen von Papst Franziskus mit Blick auf die Richteraufgabe des Bischofs in einer Ansprache vom 25. November 2017 an die Teilnehmer eines Kurses, den die Rota Romana veranstaltet hat, sowie die Erklärung der Orientierungshilfe der argentinischen Bischöfe zur Zulassung von Geschiedenen und Wiederverheiraten zur Eucharistie und der zustimmenden Antwort des Papstes darauf zu Texten des authentischen Lehramts im Oktober 2016. Deutlich wird, dass sich die Ratgeber von Papst Franziskus eher ausserhalb der Kurie befinden und sich zunehmend aussereuropäischer Einfluss auf die Kirche ausbreitet.
Es bedarf einer klaren und konkreten Gesetzgebung, bisher weithin ein Manko des gegenwärtigen Pontifikats. Letztendlich muss die Reform der Strukturen, die dringend geboten ist, dem eigentlichen Auftrag und der wesentlichen Sendung der Kirche dienen, nämlich der Verkündigung des Evangeliums und dem Heil der Menschen.


Wilhelm Rees

1 Siehe auch Wilhelm Rees, Strukturveränderungen in der Kirche, in: Monika Datterl, Wilhelm Guggenberger, Claudia Paganini, Roman A. Siebenrock (Hrsg.), Papst Franziskus. Ein erstes Resümee (= Theologische trends, Bd. 26), Innsbruck 2016, S. 197–216; ders., „Es gibt viele alte und überholte Strukturen, wir müssen sie erneuern“ (Franziskus, Predigt im Juli 2013). Visionen und Wünsche von Papst Franziskus mit einem Blick auf das Schrifttum von Johann Hirnsperger, in: Franz Hasenhütl und Matthias Rauch (Hrsg.), Johann Hirnsperger zum 65. Geburtstag. Eine Nachlese zum Festakt am 7. Dezember 2017, Graz 2017, S. 19–49.
2 Siehe dazu Wilhelm Rees, Ludger Müller (Hrsg.), Synodale Prozesse in der katholischen Kirche, Innsbruck 2016.


Wilhelm Rees

Prof. Dr. Wilhelm Rees (Jg. 1955) ist Ordinarius für Kirchenrecht 
am Institut für Praktische Theologie der Katholisch-Theologischen Fakultät der Leopold-
Franzens-Universität Innsbruck.