Immer besser, kompetenter, schöner … – das ist das Leitmotiv vieler Menschen. Dafür setzen sie einiges an Zeit, Kraft und Geld ein. Die Adjektive liessen sich beliebig fortsetzen. Sich selbst optimieren ist die treibende Kraft. Dabei genügt es nicht, sich zu verbessern, es geht darum, über sich selbst hinauszuwachsen. Wo liegt die Grenze zwischen erstrebenswerter Arbeit an sich selbst und wo wird sie inhuman? Wie viel Eigeninteresse, sich zu entwickeln, und wie viel gesellschaftlicher Zwang zur Selbstoptimierung sind im Spiel? Ist es deshalb gegenwärtig angebracht, Persönlichkeitsentwicklung zu thematisieren? Verstärkt sie nicht eine teils auch inhumane Entwicklung?
Der deutsche Religionsphilosoph und Theologe Romano Guardini (1885–1968) schrieb vor mehr als 100 Jahren den Klassiker «Briefe über Selbstbildung» und spricht das Thema auch in anderen seiner Bücher an. Persönlichkeitsentwicklung setzt für ihn wesentlich die Annahme seiner selbst voraus. Er schreibt in «Tugenden» (1963/2016): «Es ist die Annahme dessen, was ist; die Annahme der Wirklichkeit; deiner eigenen, der der Menschen um dich her, der Zeit, in der du lebst. Das klingt vielleicht etwas theoretisch, ist aber nicht nur richtig, sondern der besonderen Aufmerksamkeit jedes ehrlich Strebenden wert; denn es ist durchaus nicht selbstverständlich, dass wir das, was ist, auch innerlich, mit der Bereitschaft unseres Herzens annehmen» (ebd. 30). Dazu gehören für Guardini sowohl die Talente und Fähigkeiten als auch die Schwächen und Fehler, die angenehmen Charakterzüge ebenso wie die schwierigen, die eigene Lebenssituation wie die Zeit, in der ich geboren bin, das Schicksal und dass ich überhaupt bin. Ohne Annahme dessen, was ist, werde alle Entwicklung unecht (ebd. 32–33).
Guardini lenkt den Blick auf beides: die Talente, das Gute und Schöne sowie die Schwächen und Fehler. Meine Erfahrung ist, dass der Blick auf das Schöne und Gute bei sich und anderen und die Annahme dessen geübt sein will. Denn unser Blick richtet sich (fast) chronisch zuerst auf das Fehlende und Mangelnde.
Sehen und annehmen, was ist. Persönlichkeitsentwicklung in diesem Sinne scheint mir eine notwendige Korrektur der Selbstoptimierung, die über sich hinauswachsen will und dabei das, was ist, negiert – auch das Schöne und Gute. Denn dadurch, dass es optimiert werden soll, wird es als ungenügend taxiert.
Sehen und annehmen, was ist, und es teilen. Dahin zielt für mich die eigene Entwicklung. Die zu werden, die ich bin, und aus dem christlichen Glauben heraus mit meinen Talenten und Fähigkeiten zu einer humanen und friedvollen Gesellschaft beizutragen.
Maria Hässig*