Sakramente – ein Schatz in irdenen Gefässen

Nach japanischer Kintsugi-Methode mit Gold reparierte Keramik. (Bild: iStock)

 

Die junge Frau, ehemalige Blauringleiterin und Ministrantin, gut katholisch sozialisiert, strahlt: Scherben werden mit Goldlack zusammengefügt, das Gefäss ist wieder ganz. Diese Idee macht für sie Sinn, gefällt ihr. Tatsächlich hört und liest man im Moment öfter von einer alten japanischen Technik, deren Namen sich kaum jemand merken kann. Aber sie ist zum therapeutischen, ja spirituellen Sinnbild dafür geworden, dass Erfahrungen des Scheiterns und Brüche zum Leben gehören, und trotzdem eine Ganzheit möglich ist. Die mit Gold veredelte Wunde als Zeichen für Wandlung und Heilung.

Ähnlich sind für viele Menschen die nunmehr seit Jahren populären Tattoos bedeutsam. Nicht selten bezeugen sie tiefe Beziehungen, Verlusterfahrungen, Hoffnung und Neubeginn. Sie werden damit zu eigentlichen Überlebenszeichen, eingebrannt in die Haut.

Zur Kirche hat die junge Frau keinen Zugang mehr. Sie beschreibt sich als spirituell, aber nicht religiös. Das Image der Kirche findet sie «verheerend schlecht», weshalb ihr auch Sakramente nichts mehr bedeuten.

Im Leben der Kirche sind Sakramente wesentlich und kostbar. Die nach katholischem Glauben wirkmächtigen Heilszeichen erfordern in der heutigen Sakramentenkatechese einiges an religionspädagogischer Kompetenz, um sie den Menschen neu nahebringen zu können, und auch die Sakramentenfeier muss liturgisch und ästhetisch qualitativ hochstehend sein. Dann aber könne und solle man der «Gnade im Ritual» vertrauen, so Ottmar Fuchs, und die Sakramente grosszügig feiern. Ernsthaft und gut gefeierte Rituale entfalten nach Fuchs ihre Wirkung auch ausserhalb des kirchlichen Binnenraums.

Was aber, wenn das Kostbare, das die Kirche anbietet, selbst Brüche hat? Die junge Frau sagt: «Ihr wertet Menschen ab und schliesst Menschen aus. Ihr macht nicht, was Jesus vorgelebt hat. Ihr folgt nicht euren eigenen Werten. Eure Gemeinschaft ist nicht echt.» In der Kirche selbst leiden viele, Gläubige wie Hauptamtliche, an Brüchen im sakramentalen Leben: Berufungen zum priesterlichen Dienst werden aufgrund von Lebensstand oder Geschlecht nicht anerkannt. Sakramentale Versöhnung wird an Kinder delegiert, statt eine echte Versöhnungskultur auf allen Ebenen der Kirchen aufzubauen. Sakramentaler Beistand bei Krankheit und Tod kann nicht von der Seelsorgerin geleistet werden, die eine Vertrauensbeziehung aufgebaut hat. Sakramental gefeierte und verstandene Ehen werden Jahre später als nichtig erklärt und damit das Sakrament ausgehöhlt, statt Scheitern zu achten und Neubeginn zu ermöglichen. Es drängt sich das Bild vom «Schatz in irdenen Gefässen» (2 Kor 4,7) auf.

Welches Sakrament ist nicht gebrochen? «Man müsste vieles in der Kirche flicken, dann hätte sie vielleicht Zukunft», sagt die junge Frau. Man braucht dazu nicht Kintsugi sagen.

Nicola Ottiger*

 

* Prof. Dr. Nicola Ottiger (Jg. 1970) ist Dozentin für Dogmatik, Liturgiewissenschaft und Fundamentaltheologie am Religionspädagogischen Institut RPI und Leiterin des Ökumenischen Instituts an der Theologischen Fakultät der Universität Luzern.