Plädoyer für einen alten Brauch

Das Osterlachen kann dazu anregen, über den Gehalt von Ostern nachzudenken und der Freude an diesem auch im Gottesdienst Gestalt zu geben.

Detail aus der Darstellung des Jüngsten Gerichts am Fürstenportal des Bamberger Doms, um 1230. (Bild: Dommuseum Mainz)

 

Dass das Ernste in der Liturgie einen wichtigen Stellenwert hat, liegt sicher an ihren Inhalten. Auch in der Osterliturgie sind diese zunächst ernster Natur. Zum Osterfest gehören ja der Abend des Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag, die von Ernsthaftigkeit und Trauer geprägt sind. In der Osternacht und am Ostersonntag bricht dann die Freude über die Auferstehung Jesu durch. Die Texte in den Gottesdiensten, die Gebete und Gesänge an Ostern feiern diese Freude überschwänglich. Schon im Exsultet, dem grossen Lobgesang in der Lichtfeier der Osternacht, überschlagen sich die Aufforderungen zu Freude und Lobgesang: «Frohlocket, preiset, lobsinge, freue dich […].» Die Kirche soll tönen vom mächtigen Jubel.

Gelächter an Ostern

Ist etwas von diesem Jubel, dieser Freude, diesem Frohlocken auch in den Feiern zu sehen und zu hören? Nicht immer. Vielleicht ist damit das Phänomen des Osterlachens oder Ostergelächters zu erklären. Im Mittelalter war es in manchen Gegenden üblich, dass der Priester im Ostergottesdienst versuchte, die Gemeinde zum Lachen zu bringen. In der Predigt wurden Witze oder zum Gelächter reizende Geschichten («Ostermärchen») zum Besten gegeben. Nicht zuletzt mit Basel ist dieser Brauch besonders verbunden, wetterten doch sowohl der Reformator Johannes Ökolampad als auch Erasmus von Rotterdam mit harschen Worten gegen das Osterlachen. Letzterer schrieb 1536: «Das ist das Schamloseste, das es gibt, wenn einige am Osterfest auf Wunsch der Masse die Menschen zum Lachen bringen mit offenbar erfundenen und meist obszönen Geschichten, und zwar solchen, die ein ehrbarer Mann in Gesellschaft ohne sich zu schämen nicht wiederholen könnte.»1 Die meisten Belege für diesen Brauch im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit liegen übrigens in Stimmen gegen ihn vor. Nicht zuletzt wegen solcher Kritik geriet das Osterlachen, das offenbar nie sehr verbreitet war, immer mehr in Verruf, verschwand aber nie vollständig.

Auslachen des Todes

Wenn die Posse der eigentliche und einzige Grund zum Lachen war, war diese Kritik sicher berechtigt. Denn die Pointe von Ostern ist ja gerade kein Witz. Der Grund zum Jubeln, zum Lobsingen, zum Lachen ist die Botschaft, dass der Tod im Allerletzten überwunden ist. Gerade deshalb dürfen Christinnen und Christen sogar den Tod auslachen: «Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?» (1 Kor 15,55). Und Sünde und Schuld werden ebenfalls geradezu verlacht, wenn in der Osternacht gesungen wird: «O wahrhaft heilbringende Sünde des Adam, du wurdest uns zum Segen, da Christi Tod dich vernichtet hat. O glückliche Schuld, welch grossen Erlöser hast du gefunden.»

Lachen als heiliges Zeichen

Diese Freude wird an Ostern in der Regel aber nur innerlich ausgelebt. Gleichzeitig fallen einem die bekannten Worte des Philosophen und Religionskritikers Friedrich Nietzsche ein: «Die Christen müssten mir erlöster aussehen. Bessere Lieder müssten sie mir singen, wenn ich an ihren Erlöser glauben sollte.» Merkt man Gläubigen an, was sie an Ostern feiern? Sieht man ihnen die Freude an? Hört man sie ihren Liedern an? Mit diesen Fragen sind wir bei einem Kernthema der Liturgie: Diese will ja das verborgene Innere in heiligen Zeichen erfahrbar machen. An vielen Orten wird heute wieder auf den Brauch des Osterlachens verwiesen und die Gemeinde an Ostern zum Lachen gebracht. Man könnte dieses Lachen als äusseres Zeichen der innerlichen Osterfreude ansehen, in dem die Feiernden das eigene Innere ausdrücken und in dem die innere Freude für andere einen kurzen Augenblick sichtbar und erfahrbar wird. So könnte man mit Recht sagen, dass das Lachen im österlichen Gottesdienst, klug und echt inszeniert – eben nicht als billiges Possen Reissen –, geradezu ein heiliges Zeichen ist und sakramentalen Charakter hat, in dem die Wirklichkeit von Gottes Handeln in der Welt erahnt und erfahren werden kann.

Martin Conrad

 

1 Erasmus von Rotterdam, Ecclesiastaes oder von der Rechten Weise zu predigen, Basel 1536, 126.

Literatur:

  • Leonhard, Clemens, In der Kirche lachen? Vielleicht zu Ostern, verfügbar unter: https://www.feinschwarz.net/ostern-heisst-lachen (23.04.2019).
  • Balzaretti, Claudio, Risus paschalis. Appunti per una ricerca in fieri, in: Studi e materiali di storia delle religioni 82 (2016) 385–400.
  • Jacobelli, Maria Caterina, Ostergelächter. Sexualität und Lust im Raum des Heiligen, Regensburg 2000.
  • Wendland, Volker, Ostermärchen und Ostergelächter. Brauchtümliche Kanzelrhetorik und ihre kulturkritische Würdigung seit dem ausgehenden Mittelalter, Frankfurt a. M. 1980 (Europäische Hochschulschriften, Reihe 1, Bd. 306).

Martin Conrad

Lic. theol. Martin Conrad (Jg. 1968) ist Mitarbeiter am Liturgischen Institut der deutschsprachigen Schweiz und arbeitet in einem Teilpensum in der Pfarrei Peter und Paul in Zürich.

 

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