Kommunionempfang soll Hygienestandards und Erkrankungsrisiko berücksichtigen

In der SKZ vom 21. Januar 2016, Seite 37, wurde eine Stimme laut, die für die Ostertage Kelchkommunion für alle wünscht, was mich, als Ärztin und Pastoraltheologin, zu einer ernsthaften Entgegnung veranlasst. Grundsätzlich ist zum Thema Kelchoder Hostienüberreichung zu sagen, dass sie die Empfangenden nicht in gesundheitliche Gefahr bringen darf.

1. Das Neue Testament zur Art und Weise des Überreichungsvollzugs beim letzten Mahl durch Jesus

Es geht mir in diesem Kurztext nicht darum, auf die bei Matthäus, Markus, Lukas und Paulus etwas unterschiedlichen Textworte und die Bedeutung des Abendmahls im frühesten Christentum einzugehen. Dazu nur so viel: Die älteste Fassung nach Mk 14,22 ff. (IL, Interlinear-Übersetzung) lautet: "Während des Mahls nahm ER das Brot und sprach den Lobpreis [den Mahlsegen, IL]; dann brach ER das Brot, reichte es ihnen und sprach: Nehmt, …" (Mk 14,22). Jesus gibt, und die Anwesenden nehmen. Das gebrochene und zerkleinerte Brot wird gereicht und wird von Hand entgegengenommen, nicht mit dem Mund. Was den Kelch betrifft, heisst es, dass Jesus den Zwölfen (dodeka) (Mk 14,17) den Kelch reichte und sie alle (d. h. inkl. Judas, der ihn Verratende) daraus tranken (vgl. Mk 14,23). Es war eine überschaubar kleine Gruppe von Befreundeten, keine Versammlung von vielen Unbekannten.

2. Heutige Kenntnisse über Ansteckungswege durch Speichel-, Schmier- und Kontaktinfektion

In unserem 21. Jahrhundert, das trotz Antibiotika und Intensivmedizin jährlich viele Todesfälle, namentlich bei Älteren, an viralen oder bakteriellen oder bakteriell superinfizierten Erkrankungen (Grippe, Lungenentzündung) fordert, ist es ein Gebot der Stunde, auch beim Kommunionempfang Hygienestandards zu beachten. Speichel befindet sich in Mundhöhle, auf Zunge und Lippen. Beim Verteilen der Hostie auf die Zunge ist es infolge kleiner Bewegungen, Zittern usw. unvermeidlich, dass es zum Berührungskontakt mit Daumen und Zeigefinger des Verteilenden kommt, so dass Speichel an nachfolgende Empfangende weitergegeben wird, was entsprechend infizierende Konsequenzen haben kann. Die oralen Oberflächen- und Kontaktinfektionen sind auch relevant zur Übertragung von Herpes und von resistenten Staphyloccus-Bakterien (MRSA).

Das Ansteckungsrisiko ist zudem heute bei den nicht wenigen Menschen erhöht, die wegen Rheuma, Arthritis, Autoimmunstörungen u. a. m. Cortison-Präparate (Prednison usw.) einnehmen müssen. Auch das gefürchtete Pfeiffersche Drüsenfieber (Mononukleose) kann übertragen werden; es wird ebenfalls über direkten Speicheloder Schmierkontakt übertragen, wobei dies bereits geschehen kann, während der/die Infizierte noch gar keine Krankheitssymptome zeigt, aber auch noch Wochen bis Monate nach der akuten Erkrankung.

Die Gewohnheit, den Kelchrand mit einem Tuch abzuwischen, verhindert eine allfällige virale oder bakterielle Übertragung nicht. Daher ist festzuhalten, dass im kleinsten, fast familiären Kreis, wo sich alle gut kennen, über ihre Gesundheit informiert sind, sich auch herzhaft küssen, das Benutzen desselben Kelchs oder Bechers aus hygienischer Sicht – wenn überhaupt – eher eine Möglichkeit sein kann, nicht aber im anonymen Kreis von Gottesdienstbesuchern.

3. Was tun?

Es geht darum, niemanden vom Empfang der Eucharistie (Hostie- oder Kelch-Überreichung) auszuschliessen oder durch den Empfang gesundheitlich zu schädigen. Man sagte mir übrigens, man müsse eben Vertrauen in Gott haben, dass nichts passiere. Biblisch und theologisch ist dies nicht haltbar: Wir haben die Verantwortung, die modernen, unbestrittenen Erkenntnisse der Übertragung der Krankheitserreger, die die Humanwissenschaften erforscht haben, in unsere Liturgierituale unbedingt einzubeziehen (vgl. GS 62 § 2). Um einen hygienischen und angstfreien Empfang zu gewährleisten, bietet sich nach wie vor bzw. wie damals bei der letzten Abendmahlfeier mit Jesus der Empfang des Herrn über die linke oder rechte Hand an. Was die Kelchkommunion betrifft, ist die eleganteste Lösung, die vor der Zelebration mit dem "Gewächs des Weinstocks" gefüllten kleinen Becherchen oder Kelchlein (z. B. aus Kunststoff) anzubieten, wie dies vielerorts in christlichen Gottesdiensten bereits üblich ist

4. Äussere Formsachen und innere Motivation

Bei jeder Eucharistie- bzw. Herrenmahlsfeier ist das Wichtigste das in Gemeinschaft vollzogene freudig gestimmte Gedächtnis an Jesus. Wichtig ist die Begegnung mit seiner ganzen Person, seinem Leben, seiner Auferstehung, seiner Liebe und seiner Zusicherung, seinen Geist mit den vielfältigen Gnadengaben zu senden, allen, die IHN zu empfangen und sich von IHM im Alltag begleiten zu lassen bereit sind.

 

 

 

Yvonne Maurer (Bild: maurermedien.ch)

Yvonne Maurer

Dr. theol. et Dr. med. FMH Yvonne Maurer ist Begründerin des ganzheitlichen, die spirituelle Dimension einbeziehenden IKP-Therapie- Ansatzes sowie Begründerin von christianCoaching.ch. Sie ist auch als TV -Moderatorin und Buchautorin, die Religion mit Psychologie, Umgang mit sich und andern und als Lebenshilfe verbindet, tätig.