Karl der Grosse und die Schweiz

Cover (Bild: benteli.ch)

Vor 1200 Jahren, am 28. Januar 814, starb Kaiser Karl in Aachen. Schon zu Lebzeiten wurde ihm das Attribut «der Grosse» verliehen, da es ihm gelang, ein grosses, zusammenhängendes Reich zu schaffen, weswegen er auch als Vater Europas gilt. Karl der Grosse war in der Schweiz kaum präsent, aber er und seine Zeit hinterliessen bei uns viele religiös geprägte Objekte, die in Auswahl in einer sehr sehenswerten Ausstellung im Landesmuseum Zürich vom 20. September 2013 bis zum 2. Februar 2014 gezeigt wurden und mit einem grossformatigen, hervorragend illustrierten Buch, das bereits in zweiter Auflage vorliegt, auch für die Lektüre zu Hause gut erschlossen sind: Die Zeit Karls des Grossen in der Schweiz. Herausgegeben von Markus Riek, Jürg Goll und Georges Descoeudres. (Benteli Verlag) Sulgen 22014, 327 S. Das in sechs Kapitel eingeteilte Buch gibt zuerst einen Einblick in «Die Karolinger und ihre Zeit», gefolgt von einem Überblick zur Architektur von Kirchen und Klöstern aus der Zeit Karls des Grossen, unter denen das Kloster Müstair und die St. G aller Stiftsbibliothek als Unesco-Weltkulturerbe hervorstechen.

Das dritte Kapitel ist der Skulptur und das vierte den Wandmalereien gewidmet. Die beiden letzten Kapitel beschäftigen sich mit dem Kunsthandwerk sowie der Schrift- und Buchkultur der Karolinger. Die Texte von insgesamt 34 Autorinnen und Autoren werden durch einen umfassenden Anhang mit Zeittafel, Literatur- sowie Autorenverzeichnis und den Abbildungsnachweisen vervollständigt, ergänzt mit einem 24-seitigen Verzeichnis der sichtbaren Bauten und Meisterwerke in der Schweiz aus der Zeit der Karolinger und einer Übersichtskarte, wo in der Schweiz karolingische Kunst bis heute sichtbar ist oder zumindest früher sichtbar war (als Beispiel etwa die berühmte Bibel von Moutiers-Grandval, die heute in der British Library aufbewahrt wird).

Auch wenn die Persönlichkeit Karls des Grossen Züge aufweist, die uns eher eigenartig berühren – so etwa Karls Beziehungen zu mindestens vier Frauen und fünf Konkubinen mit entsprechend zahlreichem Nachwuchs –, war er für den politischen Ausbau seines Reiches, für die Bildung (Kloster St. Gallen) und für die Kirche sehr bedeutsam. In allen drei Bereichen war der Kaiser auf die Mitarbeit von Geistlichen, die lesen und schreiben konnten, dringend angewiesen.

Neben St. Gallen, das ihn als besten aller Kaiser verehrte, wurde die Karlstradition besonders in Zürich gepflegt. Im Klosterschatz von Saint- Maurice wird bis heute eine Goldkanne mit orientalischen Stilmerkmalen aufbewahrt, die als Geschenk Karls des Grossen gilt: Karl dürfte 801 nach seiner Kaiserkrönung in Rom bei seiner Rückreise Saint-Maurice besucht haben, auch wenn dafür Belege fehlen.

 

 

 

Urban Fink-Wagner

Urban Fink-Wagner

Der Historiker und promovierte Theologe Urban Fink-Wagner, 2004 bis 2016 Redaktionsleiter der SKZ, ist Geschäftsführer der Inländischen Mission.