Historischer Besuch in Saudi-Arabien

Béchara Pierre Kardinal Raï, der Maronitische Patriarch von Antiochien, hat als erster Kardinal offiziell als Gast der Regierung Saudi-Arabien besucht. Sogar der für das Land einst zuständige katholische Schweizer Bischof Paul Hinder durfte nur als Privatmann einreisen.

Das Oberhaupt der mit Rom verbundenen maronitischen Kirche war von König Salman und Kronprinz Mohammed bin Salman in das streng islamische Königreich eingeladen worden, das als Ursprungsort des Islams gilt. Saudi-Arabien hütet die heiligen Stätten des Islams – Mekka und Medina – und verbietet die Ausübung anderer Religionen auf seinem Territorium; selbst das Zeigen von Kreuzen oder der Besitz einer Bibel steht unter Strafe. Raï und seine geistlichen Begleiter durften ihre Burstkreuze öffentlich tragen, einen Gottesdienst feiern durften auch sie nicht. Allerdings waren die libanesische Presse und die einheimische nicht erwünscht. Raï hatte bereits 2013 eine Einladung nach Riad von dem damaligen König Abdullah (1924–2015) erhalten. Die Reise hätte jedoch «aus verschiedenen Gründen» immer verschoben werden müssen. Nur der damalige griechisch-orthodoxe Patriarch von Antiochien, Elias IV., durfte im Jahre 1975 offiziell Saudi-Arabien besuchen. Damals war gerade der libanesische Bürgerkrieg zwischen Christen und der palästinensischen PLO ausgebrochen, in dem Saudi-Arabien vermitteln wollte.

Beginn einer Öffnung Saudi-Arabiens?

Der Besuch könnte der Beginn einer gewissen Öffnung Saudi-Arabiens gegenüber anderen Religionen sein. Saudi-Arabien verbietet im Sinn der wahhabitischen Ideologie auf seinem Territorium den christlichen Gottesdienst und schon gar den Bau von Kirchen, obwohl zahlreiche christliche Arbeitsmigranten in dem Land leben, unter ihnen mindestens 1,5 Millionen Katholiken, die vor allem aus Indien und von den Philippinen stammen. Auch 300 000 Libanesen, ein Drittel davon Christen, leben in Saudi- Arabien. Riad unterhält auch keine diplomatischen Beziehungen zum Heiligen Stuhl, allerdings war am 6. November 2007 der damalige König Abdullah von Papst Benedikt XVI. in Audienz empfangen worden, auch dies war bereits eine Sensation, weil er der erste saudische König war, der einen Papst besucht hatte. Unter König Abdullah war die Macht der einst allmächtigen Religionspolizei beschnitten worden, und er hatte Christen im kleinem inoffiziellem Rahmen gewisse Möglichkeiten eröffnet, keine Rechte allerdings.

Libanesische Christen vom Iran und Saudi-Arabien umworben

Mit König Salman und dem Kronprinzen Mohammed hat der Patriarch nach Angaben der saudischen Nachrichtenagentur über religiöse Toleranz und den Kampf gegen Extremismus gesprochen. Religionsfreiheit oder der Dialog der Religionen dürften nicht Themen der Gespräche gewesen sein. Die Saudis sind besorgt über den Aufstieg Irans in der Region und wollen verhindern, dass die mit Iran verbündete Hisbollah-Miliz im Libanon immer mächtiger wird. Dazu suchen sie in der zahlenmässig starken christlichen Gemeinschaft des Libanons Verbündete. Die Christen des Libanons allerdings sind gespalten, ein Teil hält zu der schiitischen Hisbollah. Auch ein Teil der Sunniten möchte gute Beziehungen mit dem Iran.

Vieles ist in Bewegung

Die Einladung Raïs passt in den Kontext einer neuen Strategie der saudischen Regierung gegenüber dem Libanon. Riad will ein Gegengewicht zu den sich verbessernden Beziehungen zwischen dem Iran und dem Libanon schaffen. Der Libanon als Land versteht sich als Vermittler zwischen der arabischen Welt und dem Westen, aber auch zwischen den verfeindeten schiitischen und sunnitischen Muslimen. Deshalb wurde die einstige «Schweiz des Orients» schon immer von vielen saudische Geschäftsleuten und Touristen geschätzt. Auch die maronitischen Politiker Samir Geagea und Sami Gemayel waren vom saudi-arabischen Kronprinzen bereits im September empfangen worden. Auch der sunnitische Ministerpräsident Saad Hariri, der einen saudischen Pass besitzt, hatte in letzter Zeit oft Saudi-Arabien besucht. Er hatte am 3. November einen Berater des iranischen Präsidenten Ruhani im Libanon empfangen und war deshalb einen Tag später nach Riad zitiert worden, wo er seinen Rücktritt als libanesischer Premier verkündigte, viele glauben auf saudischen Druck hin. Patriarch Raï hat auch Saad Hariri in Riad getroffen. Am 4. November waren in Saudi- Arabien, angeblich wegen Korruptionsbekämpfung, bis zu 500 hohe Beamte, Wirtschaftsbosse und sogar Mitglieder des Königshauses verhaftet worden, ebenfalls ein Unikum in der saudischen Geschichte. Für sie musste eigens das Luxushotel Ritz zu einem Fünf-Sterne-Gefängnis umfunktioniert werden.

 


Bodo Bost

Bodo Bost studierte Theologie in Strassburg und Islamkunde in Saarbrücken. Seit 1999 ist er Pastoralreferent im Erzbistum Luxemburg und seit 2013 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Public Responsibility an der kircheneigenen Hochschule «Luxembourg School of Religion & Society».