«Liebe einen jeden mit echter, starker Nächstenliebe, aber schenke Freundschaft nur solchen, bei denen gegenseitige Mitteilung von Tugenden möglich ist, und je wertvoller die Tugenden sind, die ihr einander mitteilt, desto vollkommener wird eure Freundschaft sein. Wenn ihr eure wissenschaftlichen Kenntnisse austauscht, so ist eure Freundschaft gewiss lobenswert; noch lobenswerter, wenn ihr euch gegenseitig die Tugenden der Klugheit, der taktvollen Mässigkeit, der Stärke und Gerechtigkeit mitteilt. Wenn aber eure gegenseitige Liebe die Frömmigkeit, die christliche Vollkommenheit zum Gegenstand hat, wie wertvoll wird dann eure Freundschaft sein! Sie wird ausgezeichnet sein, weil sie von Gott kommt, – ausgezeichnet, weil sie zu Gott führt, – ausgezeichnet, weil ihr Band Gott ist, – ausgezeichnet, weil sie ewig in Gott weiterleben wird. Wie schön ist es doch, auf Erden so zu lieben, wie man im Himmel lieben wird, und zu lernen, einander auf dieser Welt so herzlich verbunden zu sein, wie wir es in der anderen ewig sein werden. Ich rede hier nicht von der einfachen Nächstenliebe, die wir allen Menschen schulden, sondern von der geistlichen Freundschaft, in der zwei oder drei oder mehr Seelen sich ihre Frömmigkeit gegenseitig mitteilen, ihre geistigen Empfindungen austauschen und eins im Geiste werden. Mit Recht können solch glückliche Menschen singen: «Wie schön und lieblich ist es, wenn Brüder einig zusammenleben.» (Ps 132,1) Ja, denn unaufhörlich wird der königliche Balsam der Frömmigkeit von einem Herzen auf das andere überfliessen, sodass man sagen kann, dass Gott auf diese Freundschaft seinen Segen ausgegossen und das Leben für alle Ewigkeit. (Ps 132,4).»
Franz von Sales