Engel

Bild rs: Engel mit Dudelsack. Glasfenster in der Regiments­kapelle des Fort George bei Inverness (SCO).

 

Um Weihnachten haben sie Hochsaison: Engel. Sie singen ehrfurchtsvoll, musizieren mit viel Gefühl, sitzen lächelnd verträumt herum oder schweben grazil in den Lüften – vorwiegend in Weiss und Gold. Doch nicht nur zur Weihnachtszeit sind sie zu finden: In der Klosterkirche Irsee (D) z. B. betätigen sich einige ganzjährig auf der Schiffskanzel hoch in den Segeln als Matrosen, andere liegen, knien oder spielen tagein, tagaus auf den Wangen des Kirchengestühls. In der Wallfahrtskirche Steinhausen (D) schlägt einer mit In­brunst unermüdlich auf die Pauke, ein anderer spielt im Fort George bei Inverness (Schottland) auf dem Dudelsack, anscheinend ohne je Luft holen zu müssen.

Engel als Boten Gottes sind in allen abrahamitischen Religionen bekannt; ihre Existenz ist eine Glaubenswahrheit der Katholischen Kirche.

Die Bibel erzählt immer wieder von Engeln: Bereits im Paradies bewachen die Kerubim den Baum des Lebens, der Engel des Herrn rettet Hagar und ihr Kind, steht Elija bei oder verkündet Zacharias die Geburt des Johannes. Engel sind auch eng verbunden mit dem irdischen Leben Jesu: Der Engel Gabriel verkündet Maria die Geburt, Engel beraten Josef und jubeln über die Geburt des Gottessohnes. Sie dienen ihm in der Wüste, stehen ihm in seiner Todesangst bei und verkünden seine Auferstehung. Ein Engel Gottes befreit die Apostel aus dem Gefängnis, führt den Hauptmann Kornelius zu Petrus oder Philippus zum Kämmerer aus Äthiopien.

Die Bibel erwähnt dabei verschiedene Arten von Engeln: Serafim, Kerubim, Throne, Herrschaften, Mächte, Gewalten, Fürsten und Erzengel. Letztere werden sogar mit Namen benannt: Gabriel, Rafael und Michael. Trotz dieser Männernamen und obwohl einige Engel in der Bibel als junge Männer beschrieben werden (z. B. im leeren Grab Jesu), finden sich in der Kunst meist Abbildungen, die sie als geschlechtslose Wesen zeigen: Geflügelte Menschengestalten, teils schlank und grazil, teils pummelige, nackte Kinderfiguren.

Es erstaunt, wie oft Engel süsslich bis kitschig und immer fromm und heiter gezeichnet werden. Manche Engel der Bibel sind alles andere als friedlich: «Da sandte der HERR einen Engel, der alle Kriegshelden, Fürsten und Hauptleute im Lager des Königs von Assur vernichtete» (2 Chr 32,21). Oder in Offb 9,15 wird von den vier Engeln berichtet, die Stunde und Tag, Monat und Jahr bereitstehen, um ein Drittel der Menschheit zu töten.
Engel sind keine harmlosen, niedlichen Figuren. Sie sind Boten Gottes, «starke[n] Helden, die sein Wort vollstrecken, die auf die Stimme seines Wortes hören» (Ps 103,20).

Rosmarie Schärer