Ein Schweizer Kämpfer gegen Geldwäsche im Vatikan

Sein Markenzeichen: Diskretion und «understatement». Dazu passt, dass seine Vatikanbehörde sehr bescheiden nur «Autoritá di Informazione Finanziaria» (AIF) heisst. Aber aus den «historischen Anmerkungen» zu dieser AIF im Päpstlichen Jahrbuch resultiert ganz klar, dass dieses Amt – mit dem Schweizer Juristen René Brülhart an der Spitze – brisante Aufgaben hat: Es soll Geldwäsche und andere illegale Aktivitäten verhindern, die auch «zur Finanzierung des Terrorismus und der Ausbreitung von Massenvernichtungswaffen» dienen können.

Im Blickfeld der kleinen Behörde steht vor allem das «Institut für religiöse Werke» (ital. Abkürzung IOR), also die lange Zeit skandalumwitterte Vatikanbank. Das 1942 gegründete Geldhaus mit dem frommen Namen machte in den 1970er- und 1980er-Jahren viele negative Schlagzeilen. Denn es betrieb, damals geleitet von Erzbischof Paul Marcinkus, zunächst Geschäfte mit einem Mafia-Finanzier und dann mit dem Millionen-Jongleur Roberto Calvi, dem Chef der Mailänder Ambrosiano-Bank. 1982 brach die «Banco Ambrosiano» unter Mitschuld des IOR zusammen; Calvi wurde erhängt unter einer Brücke in London gefunden, wo mit Erzbischof Bruno Heim gerade ein Schweizer Pronuntius war.

Um den Gläubigern der Pleite-Bank (darunter schweizerische und deutsche Kreditinstitute) entgegenzukommen, zahlte das IOR «aus freien Stücken» 250 Mio. Dollar. Die ganze Affäre trug dem Vatikan herbe Kritik ein, auch von Seiten katholischer Laien. Und das IOR blieb, obschon unter neuer Führung, weiterhin im Verdacht illegaler Transaktionen. Weshalb immer mal wieder die italienische Justiz ermittelte. Als Papst Benedikt XVI. (2005–2013) vorsichtig eine Reform der römischen Kurie anstrebte, gehörte dazu auch eine Art «Grossreinemachen» bei der Vatikanbank. Doch die zu diesem Zweck Ende 2010 gegründete AIF kam anfangs nicht recht voran. Bis ein Monsignore des vatikanischen Staatssekretariats von René Brülhart als einem Top-Experten im Kampf gegen Geldwäsche hörte und vorschlug, ihn als Mitarbeiter zu gewinnen. Im Herbst 2012 wurde der polyglotte Schweizer als Berater vom Heiligen Stuhl engagiert.

Wer ist der «neue Mann»? Nun, Brülhart kam 1972 in Baar im Kanton Zug zur Welt; er studierte Jura in Freiburg und Europäisches Wirtschaftsrecht an der Universität im holländischen Nimwegen. Anschliessend sammelte er Erfahrung in internationalen Rechtsanwaltspraxen – bis er 2001 in die «Financial Intelligence Unit» (Fiu) von Liechtenstein einstieg. Also in jene Behörde, die den angekratzten Ruf des Fürstentums («Ein Paradies für Steuerflüchtlinge und illegale Millionengeschäfte») wesentlich aufpolierte. Brülhart, bald Direktor dieses Amtes, spürte – so wird berichtet – wie ein Geheimdienstler z. B. internationale Korruptionsaffären auf.

Als der «James Bond svizzero» wurde er bei seinem Start im Vatikan denn auch von der italienischen Presse begrüsst. In der Tat bewies René Brülhart ausser Dynamik und Zähigkeit eine exzellente «Spürnase» bei dubiosen Vorgängen in den Finanzen und der Vermögensverwaltung des Heiligen Stuhls – besonders im IOR mit seinen 33 000 Konten. In dem seit März 2013 amtierenden Reformpapst Franziskus fand der Schweizer volle Unterstützung. 2014 avancierte er als Nachfolger von Kardinal Attilio Nicora zum Präsidenten der Behörde AIF, die ihren Sitz im ockerfarbenen Palazzo San Carlo hat. «In drei Jahren intensiver Arbeit», betonte René Brülhart Ende 2015, «haben wir ein System geschaffen, das die bestmögliche Transparenz in den Finanzen des Heiligen Stuhls einschliesslich des IOR garantiert.» Gewiss, wie bei allen Reformen gebe es auch Widerstände. «Doch die Verbesserungen werden anerkannt. Und nur das zählt.» Anerkannt wird der Erfolg seiner Kontroll- und Aufsichtsbehörde hauptsächlich von «Moneyval», also jenem vom Europarat gebildeten Gremium, das die Anti-Geldwäsche-Massnahmen in den Mitgliedstaaten kontrolliert. Auf die Frage, ob es im Vatikan «noch immer jemanden gibt, der das Institut für religiöse Werke zur Geldwäsche benützt», antwortete Brülhart: Etwa 4800 dubiose Konten beim IOR wurden schon geschlossen.

Ausserdem, so bestätigte der eidgenössische «Saubermann» gegenüber der SKZ, habe seine Behörde der vatikanischen Justiz über 300 «verdächtige Fälle» gemeldet – immerhin 29 Fällen geht die Justiz des Heiligen Stuhls nun nach. Bei den Ermittlungen arbeite das Vatikan-Tribunal gut mit den Gerichten anderer Länder zusammen. Kurzum, «da gibt es deutliche Fortschritte». Dank Brülhart wurde das von ihm geführte Amt auch Mitglied der «Gruppe Egmont», dem globalen Netz der finzanziellen Kontrollbehörden vom Typ der Liechtensteiner «Fiu».

Trotz seiner Tätigkeit bei der AIF ist der nun 43-jährige Schweizer mit vatikanischem Dienstpass nicht nach Rom umgezogen. Er wohnt weiterhin in Zürich, ist viel im Flugzeug unterwegs und jettet fast allwöchentlich in die Ewige Stadt. Ist er in Rom, logiert er (genau wie der Papst) im Gästehaus Santa Marta gegenüber seinem Büro. Warum diese Entscheidung? Dazu Brülhart: «Mir ist es wichtig, immer die nötige Distanz zu wahren.»

 

Bernhard Müller-Hülsebusch

Bernhard Müller-Hülsebusch

Dr. Bernhard Müller-Hülsebusch, seit vielen Jahren Korrespondent von deutschen und schweizerischen Medien in Rom und Buchautor, beschäftigt sich vor allem mit Themen rund um den Vatikan