«Der innerchristliche Dialog ist essenziell»

Die Vielfalt christlicher Gemeinschaften mit Migrationshintergrund stellt der jüngst erschienene Leporello «Christentum im Kanton Zürich − bunt und vielfältig» des ZIID dar. Mitschöpfer Samuel M. Behloul gibt Auskunft.

SKZ: Was war der Anstoss, diesen ansprechend gestalteten Leporello zu lancieren?
Samuel M. Behloul: Dass das Christentum in der Schweiz migrationsbedingt vielfältig ist, war mir seit Längerem bewusst. Richtig konfrontiert wurde ich mit der Thematik aber erst während meiner vierjährigen Tätigkeit als Nationaldirektor von migratio, einer Kommission der Schweizer Bischofskonferenz für pastorale Belange katholischer Migranten in der Schweiz. Ich besuchte in dieser Zeit viele katholische Gemeinschaften in der Schweiz – aus Sri Lanka, Südindien, den Philippinen, Vietnam, Eritrea, Kroatien, Polen usw. – bei ihren Festanlässen, dokumentierte sie fotografisch und filmisch und kam mit Menschen aus diesen Kulturkontexten ins Gespräch.  

Wer hat am Leporello mitgearbeitet?
Die Recherchen über die Standorte einzelner Gemeinschaften und fotografische Erhebungen führte die Ethnologin Sara Dürr durch. Sie besuchte christliche Gemeinschaften aus verschiedenen Konfessionen in der Stadt und im Kanton Zürich bei ihren Anlässen. Für die Erhebung von Standorten und Adressen von Gemeinschaften stand sie in Kontakt mit Institutionen und Personen der römisch-katholischen und der evangelisch-reformierten Kirche des Kantons Zürich. Ich betreute das Projekt, arbeitete das Daten- und Fotomaterial auf und verfasste die Texte dazu.

Was hat Sie bei der Recherche überrascht?
Die engagierte Jugend und der grosse soziale Zusammenhalt bei christlichen Migrationsgemeinschaften.

Was will die Broschüre bezwecken?
Sie soll einerseits in handlicher Form in Text und Bild auf den sprachlich-kulturellen und den liturgischen Reichtum des Christentums im Kanton Zürich aufmerksam machen. Eine Vielfalt, die in Anbetracht der Debatten um Kirchenaustritte, zunehmende Konfessionslosigkeit oder um die angebliche Islamisierung der Schweiz in der Öffentlichkeit gar nicht wahrgenommen wird. Sie soll andererseits aber auch für den inner- christlichen Dialog sensibilisieren. Die vielen christlichen Gemeinschaften mit Migrationshintergrund bereichern unsere Kirchen und unser Christentum in der Schweiz. Sie werden aber auch als fremd und irritierend wahrgenommen, vor allem wenn es um moralische, kirchenpolitische und pastoralpraktische Fragen geht. Diese und viele anderen Fragen, die die christliche Vielfalt in der Schweiz mit sich bringt, können aber nur dialogisch angegangen werden. Die Zukunft des Christentums in der Schweiz wird sich nur in der Vielfalt seiner Ausdrucksformen abspielen. Den innerchristlichen Dialog halte ich deswegen für essenziell.

Für wen ist die Broschüre gedacht?
Für alle, die sich innerkirchlich engagieren − sei es in der Ökumene, sei es im Bereich der interkulturellen Pastoral oder bei sozialen Projekten. Darüber hinaus ist die Broschüre auch für diejenigen relevant, die in den Bereichen Asyl und Integration tätig sind. Gerade die christlichen Migrantengemeinschaften sind ein gutes Beispiel für den grossen Beitrag der Kirchen zur Integration. Mit ihren zahlreichen Angeboten, die neben pastoraler Betreuung vor allem auch soziale Dienste umfassen, sind diese Gemeinschaften eine wichtige Anlaufstelle für Migranten, die aus verschiedenen Gründen keinen Anschluss an die Gesellschaft finden und an ihr nicht partizipieren.

Wissen Sie von «Nachahmern»?
Meines Wissens gibt es momentan (noch) keine weitere ähnliche Publikation, die sich so umfänglich auf die christliche Vielfalt in der Schweiz fokussiert. Das ZIID hat diesbezüglich auch eine Art Pionierarbeit geleistet.

Interview: Brigitte Burri

 

«Christentum im Kanton Zürich – bunt und vielfältig»: Gratis zu beziehen beim: ZIID, Kulturpark, Pfingstweidstrasse 16, 8005 Zürich; auch als PDF-Download unter www.ziid.ch


Interviewpartner Samuel M. Behloul

Tit.-Prof. Dr. Samuel M. Behloul (Jg. 1968) studierte katholische Theologie, Arabistik und Islamwissenschaft in Luzern und in Berlin. 2001 bis 2012 war er Forschungsbeauftragter und Dozent am Religionswissenschaftlichen Seminar der Uni Luzern mit dem thematischen Fokus auf dem Verhältnis von Religion, Kultur und Ethnizität im Kontext der Migration. 2012 bis 2016 war er Nationaldirektor von migratio. Seit 2016 ist er Fachleiter für Christentum am Zürcher Institut für interreligiösen Dialog (ZIID) und Titularprofessor am Religionswissenschaftlichen Seminar der Universität Luzern.

 

BONUS

Folgende Bonusbeiträge stehen zur Verfügung:

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