Der Bibelfilm «Rabbuni oder die Erben des Königs» von Luke Gasser

Ein Dokudrama zwischen kreativer Intuition und Antijudaismus

Mit "Rabbuni oder die Erben des Königs" hat der Obwaldner Rockmusiker, Künstler und Filmemacher Luke Gasser bereits seinen zweiten Bibelfilm gedreht. Nachdem er in "The Making of Jesus Christ" (2013) der Person Jesu nachgegangen war, hat er nun die ersten Jahrzehnte der frühchristlichen Bewegung nach Ostern und ihre dynamische Ausbreitung im gesamten Mittelmeerraum ins Zentrum gerückt. Entstanden ist so ein persönlicher, nachdenklicher und anregender, aber auch suggestiver und in mancher Hinsicht problematischer Film.

Formal ist Gassers Film zwischen Dokudrama1 und "Histotainment"2 angesiedelt: Grundgerüst des Films sind fiktive, zumeist als Selbstgespräche und Erinnerungen vorgetragene Reflexionen biblisch-historischer Personen. So kommen Maria von Magdala, die Apostel Simon Petrus, Johannes, Andreas, der die Kreuzigung Jesu leitende römische Hauptmann, Paulus und manche andere ausführlich "zu Wort" und erzählen von ihrem Unterwegssein mit Jesus, von der Kreuzigung Jesu und von ihrem weiteren Weg nach Ostern. Begleitet werden diese fiktiven Selbstgespräche von nachgestellten Spielszenen neutestamentlicher Erzählungen in historischen Kostümen sowie Aufnahmen an Originalschauplätzen oder vergleichbaren Orten (bis hin zum rekonstruierten Römerhaus und dem "Römerfest" in Augusta Raurica). Interviews mit Fachpersonen und gelegentliche Autorenkommentare von Luke Gasser, gesprochen z. B. vor der Kulisse des Petersdoms in Rom, ziehen die biblisch-historischen Themen bis in die Gegenwart aus. Die thematisch passende Filmmusik hat der Musiker Gasser selbst beigesteuert.

Authentizität im Dokudrama/«Histotainment?»

Diese Mischung aus fiktiven Selbstgesprächen, Spielszenen, Interviews sowie teils dokumentarischen, teils stark symbolhaft gestalteten Filmbildern vermitteln – typisch für Dokudrama bzw. Histotainment – den Eindruck unmittelbarer Authentizität: Wer wollte schon in Frage stellen, was z. B. Maria von Magdala in der Nachfolge Jesu oder der römische Hauptmann bei der Kreuzigung "persönlich erlebt" haben und nun, noch dazu so einfühlsam, nachdenklich und z. T. auch selbstkritisch, vor dem Auge der Zuschauerin, des Zuschauers ausbreiten? Im Begleitbuch zum Film zeigt sich Luke Gasser der Fiktionalität seiner Darstellung ausgesprochen bewusst: "Natürlich sind solche Gedankenspiele genauso Spekulationen wie meine Essays in diesem Buch, die Paulus aus der völlig fiktiv skizzierten Perspektive der Maria Magdalena (…) beschreiben; und eigentlich tue ich in diesen belletristischen Passagen zugegebenermassen genau das, was man antiken Chronisten vorwerfen mag, nämlich in Chroniken die Reden der Protagonisten als Wiedergabe der eigenen Meinung zu nutzen oder – noch schlimmer – zu missbrauchen."3 Doch wo im Buch Fakten, Fiktion und persönliche Meinungen bzw. Entscheidungen des Autors teilweise noch voneinander unterschieden werden können, gibt der Film diese wichtige Differenzierung fast vollständig auf. Und so ist Maria von Magdala eben schön, langhaarig, blond und perfekt im effektvollen An- oder Abziehen ihres Kopftuches geübt, Paulus hingegen über weite Strecken ausgesprochen verbissen und abstossend dargestellt. Dementsprechend eindeutig dürften sich dann auch die Sympathien der Zuschauer verteilen.

Es spricht für Gasser, dass er nicht bei solchen Schwarz-Weiss-Malereien stehen bleibt und "Maria von Magdala" gegen Ende des Films versöhnliche Worte für "Paulus" finden lässt. Und selbst die institutionenkritische Perspektive des Films (Warum sind Maria von Magdala und andere historische Jüngerinnen Jesu in der Apostelgeschichte nicht mehr erwähnt? Hatte Jesus wirklich die Gründung einer neuen Glaubensgemeinschaft im Sinn? Entspricht das real existierende Christentum dem Anliegen Jesu?) kommt relativ freundlich daher. Gasser will bei aller kritischen Perspektive offensichtlich keine Gräben aufreissen. Der Film ist von grosser Sympathie für die Person und Verkündigung Jesu und, allen Infragestellungen gegenüber frühkirchlich-patriarchalen Entwicklungen zum Trotz, letztlich auch für seine "Erben" – besonders natürlich für die institutionell marginalisierte Maria von Magdala – getragen. Man könnte den Film deshalb sogar missionarisch nennen, und so dürfte er denn wohl nicht zuletzt in freikirchlichen Kreisen durchaus gut ankommen.

Aus biblisch-exegetischer Perspektive wäre ein ganzes Bündel an Anmerkungen zu Methode und Inhalt des Films zu machen. Es gelingt dem kreativen, belesenen Vielfach-Künstler und biblisch-theologischen Autodidakten Gasser zweifellos, wichtige Zusammenhänge und auch Grundfragen christlicher Theologie verständlich, anschaulich und teilweise auch kompetent darzustellen. Der fast vollständige Verzicht auf eine Trennung von "facts", "fiction" und expliziten historischen Reflexionen führt jedoch zu einer hoch suggestiven, innerhalb des Films kaum noch hinterfragbaren Perspektive. Diese Problematik und damit die Chancen und Grenzen von "Histotainment" bzw. Dokudrama werden in Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik kontrovers diskutiert, weil so Geschichtsbilder vermittelt werden, die u. U. nur noch wenig mit den tatsächlichen Ereignissen zu tun haben – selbst dort, wo sich diese einigermassen konsensfähig rekonstruieren lassen.

Apokryphe Evangelien als historische Quellen

"Rabbuni" dürfte bei vielen Zuschauerinnen und Zuschauern den Eindruck erwecken, als seien die dargestellten Sachverhalte und Perspektiven alle gleichermassen historisch belegt bzw. plausibel. Das ist angesichts der Mischung aus seriöser Recherche und Gassers oft eigenwilligen Entscheidungen bzw. Interpretationen von Einzelfragen jedoch mitnichten der Fall. Gasser schreibt z. B. der Jesus-Erzählung des Johannesevangeliums offenbar weit mehr historische Zuverlässigkeit zu als die grosse Mehrheit der Exegetinnen und Exegeten und bevorzugt die johanneische Darstellung damit oft genug gegenüber den synoptischen Evangelien nach Markus, Matthäus und Lukas. (Darin trifft sich der institutionenkritische Gasser übrigens mit den aus exegetischer Sicht ähnlich problematischen Jesus-Büchern von Joseph Ratzinger.) Für die Rekonstruktion der nachösterlichen Ereignisse zieht Gasser nicht nur die neutestamentliche Apostelgeschichte heran (deren interessengeleitete Erzählperspektive er, abgesehen von der Unsichtbarmachung wichtiger "Frauen des Anfangs" wie Maria von Magdala, im Film kaum diskutiert), sondern auch apokryphe Schriften vom Thomasevangelium bis hin zum Mariaevangelium, die er als historisch gleichwertige Quellen für das Leben Jesu und die unmittelbare Zeit nach Ostern behandelt.

Gerade das Evangelium der Maria, das wohl in der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. entstanden ist, hat in den letzten Jahrzehnten grosses Interesse geweckt, weil Maria von Magdala darin die zentrale Rolle als von Jesus besonders geliebte und vor allen anderen ausgezeichnete Jüngerin spielt, die von Jesus persönliche Offenbarungen empfangen hat und den anderen Jüngern weitergibt. Die feministische Forschung hat sich intensiv mit diesem Evangelium beschäftigt und ist zu dem Ergebnis gekommen: "Aus dem EvMar lassen sich keine Rückschlüsse auf die historische Gestalt der Maria Magdalena ziehen. Es bietet keinen eigenen Zugang zu Traditionen aus der Zeit Jesu."4 Stattdessen ist das Mariaevangelium ein wichtiges Zeugnis für eine frühchristliche Glaubensgemeinschaft in der vielfältig pluralen Kirche des Anfangs, die sich zur Entstehungszeit des Textes, also gegen Ende des 2. Jahrhunderts, auf Maria von Magdala als vorrangige Überlieferungszeugin beruft und so u. a. die Übernahme kirchlicher Leitungsfunktionen durch Frauen gegenüber patriarchalen Diskreditierungsstrategien verteidigt. Luke Gasser hingegen verlegt die berühmteste Szene aus dem Mariaevangelium, in der Maria dem Zwölferkreis von ihren Offenbarungen erzählt und dafür Kritik von Simon Petrus und Andreas erntet, um ca. 150 Jahre nach vorne in den Juli des Jahres 30 n. Chr. in Galiläa, wenige Wochen nach der Kreuzigung Jesu, und interpretiert sie damit – gegen die feministisch-exegetische Forschung – als Szene aus dem Leben Maria von Magdalas und des nachösterlichen, im Film nur noch männlich besetzten (warum eigentlich?) Jüngerkreises.

Ein ähnlich problematischer Umgang mit den Ergebnissen historischer Forschung ist auch sonst häufig bei Gasser zu konstatieren: Kompetente Darstellungen komplexer Sachverhalte stehen unvermittelt neben eigentlichen Fehlern in einfachen Einleitungsfragen, wenn er z. B. im Begleitbuch zum Film behauptet, es sei Konsens der Exegese, dass die Apostelgeschichte vor allen Evangelien – auch vor dem Lk – geschrieben worden sei, und Q habe als Quelle für Matthäus, Lukas und Markus (!) gedient.5 Hinzu kommen ausgesprochen "eigenständige" und von Gasser aus reiner Intuition heraus getroffene Aussagen wie z. B. die "noch kühnere Annahme, nämlich dass die ersten Ur-Evangelien bereits früher niedergeschrieben wurden und sogar in den Gemeinden kursierten, sagen wir 38 oder 37".6

Paulus, die Apostelgeschichte und die Frauen

Dass Gassers Intuitionen angesichts des sehr hohen quantitativen und argumentativen Stellenwerts, den die fiktiven Selbstgespräche/Erinnerungen der biblischen Personen im Film haben, Tür und Tor geöffnet sind und dass neben allem positiven Einfühlungsvermögen dabei auch manches schiefgehen kann, mag das folgende Zitat verdeutlichen: "Ich mag Männer nicht, die einer Frau nicht gerade in die Augen blicken" – so äussert sich "Maria von Magdala" in Gassers Film pointiert über "Paulus". Was angesichts der Gasser’schen Gesamtdarstellung von Maria von Magdala und Paulus im Film unmittelbar plausibel scheint, zerbröckelt beim Lesen paulinischer Originaltexte zwischen den Fingern: Derselbe Paulus, der Maria von Magdala angeblich nicht gerade in die Augen schaut, schreibt über das Ehepaar Priska und Aquila, mit dem er jahrelang zusammengelebt, zusammengearbeitet und die jesus-messianischen Gemeinden in Korinth und Ephesus aufgebaut hat, nach Rom: "Grüsst Priska und Aquila, meine Mitarbeiter in Christus Jesus, die für mich ihr eigenes Leben aufs Spiel gesetzt haben; nicht allein ich, sondern alle Gemeinden der Heiden sind ihnen dankbar. Grüsst auch die Gemeinde, die sich in ihrem Haus versammelt" (Röm 16,3-5). Neben Priska und Aquila würdigt Paulus im Schlusskapitel des Römerbriefes nicht weniger als zehn weitere Frauen namentlich und ausserordentlich positiv in ihrer Bedeutung für die römische Gemeinde. Ja, "Paulus und die Frauen" ist ein wichtiges und z. T. spannungsvolles Thema – aber ein Paulus, der Frauen nicht in die Augen schaut? Den hat erst Luke Gasser erfunden. Zu fragen wäre schliesslich auch noch, warum Gasser zwar ausführlich (und zu Recht) dem "Verschwinden" Maria von Magdalas in der Apostelgeschichte nachgeht, zugleich aber die vielen wichtigen Frauen und z. T. Hausgemeindeleiterinnen der Apg wie Tabita in Joppe (9,32–43), Maria in Jerusalem (12,12–17), Lydia in Philippi (16,11–40), Priska und Aquila in Ephesus (18,24–26), die Prophetinnen in Caesarea Maritima (21,8 f.) und manche mehr seinerseits verschweigt.

Weder Dan Brown noch Mel Gibson

Die Zurückdrängung Maria von Magdalas in "Rabbuni" könnte auf den ersten Blick an Dan Browns "Da Vinci Code" erinnern. Davon will Gasser jedoch nichts wissen – zu Recht:7 Gasser zeichnet Maria von Magdala zwar in einer besonders innigen Beziehung zu Jesus, wie es auch die kanonischen Evangelien schildern. Eine Liebesbeziehung zwischen den beiden wird bei Gasser jedoch nie auch nur entfernt angedeutet. Dass vermutlich dennoch nicht wenige Zuschauer "Rabbuni" durch die Brille von Dan Brown sehen werden, macht hingegen deutlich, wie leicht die persönlichen Bilder im Kopf das überlagern, was man konkret sieht (oder liest) – und wie wichtig gerade deshalb sorgfältige Differenzierung besonders in solchen klischeehaft überformten Fragen ist.

Etwas komplexer stellt sich die Situation bei weiteren Assoziationen dar: Bereits Luke Gassers erster Bibelfilm "The Making of Jesus Christ" hat manche Zuschauer an Mel Gibsons Film "The Passion of Christ" erinnert. In "Rabbuni" zeigt Gasser erneut immer wieder blutige, farblich allerdings leicht verfremdete Bilder von der Kreuzigung Jesu. Auch gegenüber Gibson grenzt sich Gasser denn auch explizit ab. Gefragt werden kann dennoch, welchen inhaltlichen Zweck die allzu refrainartig wiederholten, realistisch dargestellten Kreuzigungsszenen in "Rabbuni" erfüllen sollen. Mir hat er sich jedenfalls nicht erschlossen – oder klingt hier eine traditionelle Theologie vom Sühnetod Jesu an, besungen z. B. auch in Kirchenliedern vom "blutgen Kreuzaltar"?

Antijüdische Tendenzen in der Darstellung der Passion Jesu

Angesichts der häufigen Rückblenden auf die Passion Jesu liegen die mit Abstand problematischsten Folgen der methodischen und inhaltlichen Schwächen des Films jedoch in der Darstellung jüdischer Führungspersönlichkeiten bei der Kreuzigung Jesu und ihrem späteren Vorgehen gegen die Jünger Jesu nach Ostern. Hier bedient Gassers Film – sicher unbeabsichtigt, aber vollständig unreflektiert – tief sitzende antijüdische Vorurteile und Klischees. Hier hat auch die Abkehr von einem wesentlichen formalen Prinzip, das Gassers ersten Bibelfilm "The Making of Jesus Christ" so interessant gemacht hat, die gravierendsten Folgen: In seinem ersten Film hatte Gasser die historischen Inszenierungen und Spielszenen nur im Bild gezeigt und mit eigenen Kommentaren begleitet. Das eröffnete – ob man Gasser in seiner Interpretation nun folgen wollte oder nicht – Raum für die eigene Verknüpfung von Zusammenhängen und machte zugleich deutlich, dass es trotz intensiver Forschung eben kaum jemals unzweifelhaft gesichert ist, was diese oder jene biblische Person genau gesagt, geschweige denn gedacht hat. In "Rabbuni" unterlegt Gasser solche Szenen jedoch mit fiktiven Selbstgesprächen der beteiligten Personen oder lässt die Schauspieler gelegentlich auch selber sprechen. So werden Filmsequenzen mit schimpfenden jüdischen Priestern, die ähnlich bereits in "The Making of Jesus Christ" zu sehen waren, in "Rabbuni" nun mit folgenden, durch den Schauspieler auch sprachlich nachdrücklich betonten "Erinnerungen" des die Kreuzigung leitenden Hauptmanns unterlegt: "Sie kamen also zum Richtplatz und bellten mich an, als seien sie die Herren im Land. ‹Verflucht ist, was am Holze hängt!›, zischte einer der Priester. ‹Nimm die Gekreuzigten herunter, damit der Tag des Herrn nicht entehrt wird.› Die seien aber noch nicht tot, erwiderte einer meiner Männer. ‹Dann schlagt sie eben tot!›, kläffte einer der Priester."

Diese Szene ist nicht nur gegenüber sämtlichen, hier explizit zurückhaltenden Evangelien massiv überzeichnet (vgl. Joh 19,31–33 parr.), sondern eine derartig mit Tiervergleichen durchsetzte Sprache ("bellen", "zischen", "kläffen") gehört sonst zum Standardrepertoire antisemitischer Diffamierungen. Dass Gasser die entsprechenden Sätze einem römischen Hauptmann in den Mund legt – für die in Judäa stationierten Truppen wurden von den Römern oft gezielt als antijüdisch bekannte Soldaten eingesetzt –, macht die Sache nicht besser, zumal gerade dieser Hauptmann im Film durchaus als Sympathieträger gestaltet wird, was wohl auf seine von den Evangelien unterschiedlich wiedergegebene, aber wohlwollende Bemerkung beim Tod Jesu zurückgeht (vgl. Mk 15,39; Mt 27,54; Lk 23,47).

Wer heute, nach einer jahrhundertelangen Geschichte christlichen Antijudaismus mit ungezählten Opfern, von der Kreuzigung Jesu erzählt oder gar einen bildermächtigen Film über diese Fragen dreht, muss hier weitaus grössere Verantwortung übernehmen als Gasser es tut. Das würde bedeuten, die z. T. tendentiöse neutestamentliche Darstellung, die die jüdische Tempelaristokratie tendentiell belastet, Pontius Pilatus als Vertreter der römischen Obrigkeit hingegen eher entlastet, nicht noch zu verschärfen, sondern u. a. die historischen Gründe für die z.T. scharfen Konflikte zwischen jesus-messianischen Gruppen und Mehrheitsjudentum im ersten Jahrhundert n. Chr. auszuleuchten: Die Konflikte (und die z. T. polemischen Überzeichnungen in manchen Schriften des Neuen Testaments) wurzeln in einer schmerzhaften Trennungsgeschichte, in der beide Seiten mal Opfer, mal Täter waren. Im Hintergrund stehen dabei nicht zuletzt die Auseinandersetzungen um jüdische, judenchristliche und heidenchristliche Identitäten vor und nach dem Aufstand gegen Rom 66–70 n. Chr. und die Absicherung der jeweiligen Glaubensgemeinschaft gegenüber dem römischen Herrschaftsanspruch.

Fazit

 "Rabbuni oder die Erben des Königs" ist ein kreativer, vielschichtiger Film, der wichtige Fragen über die Nachfolge Jesu damals und heute, die Entstehung des Christentums, Männer- und Frauenrollen in der frühen Kirche und manches mehr aufwerfen kann. Wer das Dokudrama jedoch als Dokumentarfilm missversteht, was angesichts der formalen Gestaltung des Films ausgesprochen naheliegt, geht einer allzu persönlichen und oftmals problematischen Interpretation der frühchristlichen Entwicklungen auf den Leim und sieht eine "Apostelgeschichte nach Luke". Tragisch ist das nicht. Es gibt schlechtere Einblicke in die Frühzeit des Christentums, und vor allem dürften die meisten Zuschauerinnen und Zuschauern weitaus konservativere (und damit ebenfalls einseitigtendentiöse) Kirchengeschichtsbilder im Kopf haben als Luke Gasser sie in "Rabbuni" präsentiert. Doch die Schattenseiten des Films fordern zu einer aktiven Auseinandersetzung heraus, zumal der Film von nicht weniger als neun römisch-katholischen Landeskirchen mitfinanziert wurde.

Der Essayfilm von Luke Gasser "Rabbuni oder die Erben des Königs" wird in den "Sternstunden" auf SRF in einer einstündigen Kurzfassung am Sonntag, 17. Mai 2015, um 10 Uhr ausgestrahlt.

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Der Film

Rabbuni oder die Erben des Königs. Mit Julia Meade, Dardan Sadikaj, Bruno Gasser, Marcel Zehnder u. a. Produktion, Buch und Regie: Luke Gasser. Silvertrain Productions 2015. Homepage: www.rabbuni-film.ch

Das Buch

Luke Gasser: Ich habe ein Feuer auf die Welt geworfen. Die Apostel-Doku. Hatte Jesus wirklich eine Kirche im Sinn? Das Buch zum Film "Rabbuni oder die Erben des Königs". (Weltbild-Verlag) Olten 2015.

Zum Weiterlesen

Zu den im Film dargestellten Themen sind bei der Bibelpastoralen Arbeitsstelle des Schweizerischen Katholischen Bibelwerks zahlreiche Veröffentlichungen und bibelpastorale Materialien erhältlich (www.bibelwerk.ch/shop), z. B.:

  •  Maria Magdalena (Welt und Umwelt der Bibel 2/2008);
  •  Susanne Ruschmann: Maria von Magdala. Jüngerin – Apostolin – Glaubensvorbild;
  •  Anneliese Hecht: Paulus und die Frauen;
  •  Die Apostel Jesu. Bis an die Grenzen der Erde (Welt und Umwelt der Bibel 1/2011);
  •  Paulus. Wegbereiter des Christentums (Welt und Umwelt der Bibel 1/2009);
  •  Verborgene Evangelien. Jesus in den Apokryphen (Welt und Umwelt der Bibel 3/2007);
  •  Frauen in der frühen Kirche (Bibel und Kirche 4/2010).

 

 

 

 

 

1 Zum Filmgenre Dokudrama vgl. http://filmlexikon.uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=2805, abgerufen am 20. April 2015.

2 Zur Bedeutung von "Histotainment" vgl. http://filmlexikon.uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=7662, abgerufen am 20. April 2015.

3 Luke Gasser: Ich habe ein Feuer auf die Welt geworfen. Die Apostel-Doku. Hatte Jesus wirklich eine Kirche im Sinn? Das Buch zum Film "Rabbuni oder die Erben des Königs". Olten 2015, 184.

4 Judith Hartenstein / Silke Petersen: Das Evangelium nach Maria. Maria Magdalena als Lieblingsjüngerin und Stellvertreterin Jesu, in: Luise Schottroff / Marie-Theres Wacker (Hrsg.): Kompendium Feministische Bibelauslegung. Gütersloh 1998, 757–767, 764.

5 Vgl. ebd., 224–226.

6 Ebd., 227.

7 Vgl. ebd., 158.


Detlef Hecking

Detlef Hecking (Jg. 1967) ist Theologe, Bibliodrama- und Bibliologleiter. Nach Tätigkeiten als Pfarreiseelsorger, Leiter der Bibelpastoralen Arbeitsstelle des Schweizerischen Katholischen Bibelwerks und Dozent an der Universität Luzern (RPI) ist er seit 2021 Pastoralverantwortlicher im Bistum Basel.