«Der beste Weg, Zukunft vorauszusagen, ist sie zu gestalten» (Willi Brandt)

Anlässlich ihrer ersten Plenarversammlung im Jahr 2013 vom 15./16. März in Delémont (JU) hat sich die Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) mit Zukunftsfragen befasst: Welche Entwicklungen werden die Kirche und die staatskirchenrechtlichen Organisationen in Zukunft besonders beschäftigen? Wie geht es mit der Mitfinanzierung gesamtschweizerischer und sprachregionaler Aufgaben weiter? Wie kann die Kommunikation der RKZ in Zukunft verbessert werden?

Von einer «denkwürdigen Woche» sprach der Präsident der RKZ , Hans Wüst, in seiner Begrüssung in Delémont (JU) – natürlich mit Blick auf die überraschende Wahl eines argentinischen Jesuiten und Kardinals zum Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche. Zugleich hielt er fest, kirchliches Leben geschehe vor Ort. «Eigenes Christsein lässt sich nicht delegieren.» Aber es sei «motivierender, für den Glauben und unsere Kirche einzustehen, wenn wir uns durch den Papst und die Bischöfe getragen fühlen, wenn wir spüren, dass auch sie die Zeichen der Zeit erkennen und unsere Mitarbeit fördern und anerkennen». In diesem Geist eröffnete er auch den thematischen Teil der Sitzung zur «Zukunft der katholischen Kirche in der Schweiz als Herausforderung für die RKZ und ihre Mitglieder». Er stellte ihn unter ein Wort aus einem Firmgottesdienst von Jugendlichen: «Wer sich der Zukunft nicht öffnet, missbraucht die Gegenwart und verachtet die Vergangenheit».

Engagierte Diskussion von zehn Zukunftsthesen

Anhand von zehn Thesen diskutierten die Delegierten in Arbeitsgruppen anschliessend intensiv die Frage, welchen Entwicklungen die RKZ besondere Beachtung schenken muss, wenn sie den künftigen Herausforderungen gewachsen sein will. Die meiste Zustimmung erhielten folgende Thesen:

– Für die personellen und finanziellen Ressourcen ist nicht mehr von Wachstum auszugehen; schon die Erhaltung des Status quo ist ein Erfolg, Rückgang wird auf absehbare Zeit zur Regel.

– Der gesellschaftliche Rückhalt der Kirchen sinkt, die staatliche Stützung der Kirche verliert an Bedeutung.

– Glaube und Kirchenzugehörigkeit werden schon heute und erst recht in Zukunft nicht mehr automatisch bewahrt und weitergegeben.

Grosse Sympathie brachten die Delegierten auch einer elften These entgegen, die von einer der Arbeitsgruppen formuliert wurde – insbesondere als Antwort auf den sinkenden gesellschaftlichen Rückhalt:

– Die Zukunft der Kirche muss auf zwei gleichwertigen Säulen basieren: der pastoralen Säule und der staatskirchenrechtlichen Säule.

Präzisierend fügte die Gruppe hinzu: «Gleichwertig» sei nicht «gleichartig» und habe mit Wert- Schätzung und gegenseitiger Anerkennung zu tun. Und mit Ausrufezeichen versah sie die Bemerkung «auf allen Stufen!»: nicht nur lokal und kantonal, sondern auch diözesan und schweizerisch.

Die Vorschläge zur Konkretisierung dieser Thesen waren sehr vielfältig. Erwähnt seien beispielsweise: Klare Prioritätensetzung soll der Verknappung der Mittel Rechnung tragen; Glaubensvermittlung für Kinder und Jugendliche und der Aufbau geistlicher Zentren sollen die Glaubensweitergabe fördern; besseres Aufzeigen der eigenen Leistungen und gesellschaftliche Präsenz mit relevanten Themen soll den Rückhalt der Kirche(n) in der Gesellschaft stärken.

Vernehmlassung zur Entlastung des Fastenopfers von Inlandverpflichtungen

Das zentrale Thema der Geschäftssitzung war die Neuausrichtung des Inlandengagements des Fastenopfers. Die RKZ arbeitet seit ihrer Gründung im Bereich der Finanzierung gesamtschweizerischer und sprachregionaler Aufgaben mit dem Fastenopfer zusammen und hat im Laufe der Jahrzehnte immer mehr Verantwortung übernommen. Wenn das Hilfswerk sein finanzielles Inland- Engagement in den nächsten Jahren nochmals deutlich verringern soll, ohne dass die gesamtschweizerische und sprachregionale Ebene übermässig geschwächt wird, müssen die Mitglieder der RKZ in den nächsten Jahren zusätzliche Mittel aufbringen. Zur Diskussion stellte das Präsidium den Vorschlag, dass die RKZ ihren Mitfinanzierungskredit bis 2018 jährlich um 3 Prozent erhöht. Auch dann resultiert zwar noch ein Sparbedarf, aber immerhin kann ein signifikanter Teil des Rückgangs ausgeglichen werden.

Eine Konsultativabstimmung ergab, dass dieser Vorschlag weiterverfolgt werden soll. Der nächste Schritt ist eine Vernehmlassung bei den kantonalkirchlichen Exekutiven, um über möglichst verbindliche Grundlagen für entsprechende Beschlüsse zu verfügen. Allerdings wurde darauf hingewiesen, dass die finanzielle Gesamtentwicklung unberechenbar sei – man denke nur an die hängigen Kirchensteuerinitiativen. Und einmal mehr wurde betont, dass die erforderliche Überzeugungsarbeit nur geleistet werden kann, wenn die Schweizer Bischofskonferenz sowie die einzelnen Bistümer das Anliegen mittragen. Die Kirchgemeinden und die kantonalkirchlichen Parlamente davon zu überzeugen, mehr Steuergelder für die obere Ebene bereitzustellen, ist schwierig, wenn gewisse Repräsentanten der Kirchenleitung regelmässig die Kirchensteuern und die staatskirchenrechtlichen Strukturen in Frage stellen.

«Wir schaffen Mehrwert für die Kirche in der Welt von heute»

Mit ihren eigenen Aktivitäten sowie mit den Geldern, die die RKZ für verschiedene Aufgaben der katholischen Kirche auf überkantonaler und überdiözesaner Ebene bereitstellt, leisten die kantonalkirchlichen Organisationen einen erheblichen Beitrag zur Lösung gemeinsamer Aufgaben. Dieser Mehrwert ist in den Kirchgemeinden und bei den kantonalkirchlichen Parlamenten jedoch zu wenig bekannt: Die unterstützten Institutionen sind weit weg; vieles, was sie tun, bleibt abstrakt. Wer aber dazu motivieren will, dass die Beiträge steigen, muss Nähe herstellen, Emotionen ansprechen, Nutzen nachweisen, Geschichten erzählen und Dinge anschaulich machen. Um dieses Ziel zu erreichen, benötigt die RKZ ein zeitgemässes Kommunikationskonzept, das von ihren Mitgliedern mitgetragen wird. Ein solches soll nun in Auftrag gegeben werden. Für die Umsetzbarkeit sorgt eine Arbeitsgruppe, der neben RKZ - Delegierten auch Experten sowie kantonale und diözesane Informationsbeauftragte angehören.

Abschied vom letzten Vertreter der «Pionierphase»

Zu Plenarversammlungen der RKZ gehört regelmässig auch der Kontakt mit der einladenden kantonalkirchlichen Organisation – diesmal jener des jüngsten Schweizer Kantons. Die katholische Kirche im Jura war durch die Vizepräsidentin des kantonalen Kirchenrats, Floriane Chavanne, durch den zuständigen Bischofsvikar, Jean-Jacques Theurillat, und durch Domherr Jean-Marie Nusbaume vertreten, mit denen im Rahmen des Nachtessens ein interessanter Gedankenaustausch möglich war.

Ebenfalls regelmässig gilt es, Abschied zu nehmen von Delegierten. Diesmal war es der Verwalter der Neuenburger Kantonalkirche, Bernard Jordan. Nach über 30 Jahren in seiner Funktion und ebenso langer Zeit in der RKZ tritt er in den Ruhestand. Bernard Jordan war der letzte Delegierte, der noch aus eigener Erfahrung über die Phase des Aufbaus der RKZ berichten konnte: Viele Themen hätten sich seit den Anfängen zig-mal wiederholt, aber die RKZ habe sich stark entwickelt. Geblieben sei die freundschaftliche Zusammenarbeit und der gleiche Respekt vor allen Mitgliedern, seien diese nun gross und finanzstark oder klein und finanzschwach wie der seine.

Zürich, 18. März 2013
Daniel Kosch