Den Boden fruchtbar machen – eine Familiengeschichte

Blickt zuversichtlich in die Zukunft: Barakissa mit ihrem Grossvater Umaru Badiar (Foto: François Cayatte, Fastenopfer)

Im Westen von Burkina Faso begleitet die Union der Getreideproduzenten Gossina Bäuerinnen und Bauern bei ihrer Lebensmittelproduktion. Es geht vor allem darum, den Boden in diesem trockenen Teil des Landes wieder fruchtbar zu machen. Damit die Menschen auch morgen noch in dieser Region leben und ihre Produkte anbauen können.

Es dauert etwa sieben Stunden, um mit dem Auto von der Hauptstadt Ouagadougou nach Gossina zu gelangen. Im September ist die Regenzeit zu Ende. Man fährt durch wunderschöne Landschaften, in der sich Rot und Grün abwechseln. Grün sind die Hirse- und Sorghumfelder, welche schon bald geerntet werden können, rot leuchten die typischen Böden der Region, die reich an Eisen, aber arm an Nährstoffen sind und nur schwer bebaut werden können.

Bald wird sich das Gesicht der Landschaft vollkommen ändern: Hier regnet es nie von Ende September bis Ende Juni, alles wird trocken. «Wir haben nur etwa 600 mm Regen im Jahr», sagt Gabriel Lompo, der lokale Koordinator von Fastenopfer in Burkina Faso. Wenn es dann regnet, kann es sein, dass in einer Stunde mehr Regen fällt als in 24 Stunden in der Schweiz. «Die unregelmässigen und zum Teil sehr heftigen Niederschläge sind auf den Klimawandel zurückzuführen. Die Bauern wissen oft nicht, wie sie darauf reagieren sollen», sagt Lompo.

Eine Familiengeschichte

Treffen in Bosson, einem der 16 Dörfer der Region Gossina, wo die «Union des producteurs céréaliers de Gossina» aktiv ist. Hier lebt Umaru Badiar mit seiner Familie: 36 Kinder und 11 Enkelkinder. Umaru ist 84 Jahre alt. Er hat erlebt, wie sich der Klimawandel auswirkt: «Früher regnete es zuverlässiger und regelmässig, die Ernten waren gut. Wir hatten genug Hirse für unseren Eigenbedarf. Dann haben sich die Bedingungen geändert. Das liegt an der Klimaerwärmung, unser Leben wurde schwierig.»

Im Dorf ist die gegenseitige Hilfe kein leeres Wort. Seit Umaru vor fünf Jahren sein Augenlicht verloren hat, kann er nicht mehr arbeiten. Zum Glück hat seine Familie die Aufgaben übernommen. «Jetzt ist mein ältester Sohn für die Familie zuständig.» Er hat mit vier seiner Brüder zusammen die Feldarbeit übernommen. «Sie bauen Sorghum, Hirse, Bohnen und Sesam an», sagte Umaru. Und er macht sich auch schon Gedanken über die nächste Generation: «Vier ihrer jüngeren Brüder haben begonnen, mit ihnen zusammen auf den Feldern zu arbeiten. Sie lernen von den älteren, welche ihr Wissen mit ihnen teilen. Und es gibt meine Enkelin Barakissa, die sich um mich kümmert.» Barakissa ist 17 Jahre alt. Ihre Mutter ist vor ein paar Jahren gestorben und hat drei Kinder hinterlassen. Ihr Vater kehrte zurück an die Elfenbeinküste. «Mein Grossvater wurde für mich sowohl Vater wie Mutter», sagt Barakissa. Er lehrte mich alles. Es ist ihm zu verdanken, dass ich eine gute Schülerin war.

Den Hunger überwinden

Umaru ist Gründungsmitglied der Gruppe Bosson, einer von 32 Gruppen, welche zusammen die Union der Getreideproduzenten bilden. Als Gruppe allein konnten sie wenig erreichen. Doch nachdem sie sich zur Union zusammengeschlossen hatten, fanden sie die nötige Unterstützung. Das oberste Ziel der Union ist es, den Dörfern und Gemeinden der Region zu helfen, die Hungerzeit, die «soudure», zu überwinden. Das ist die jährliche Knappheitsperiode, in der die Speicher des letzten Jahres schon leer sind und es noch lange geht, bis die nächste Ernte reif ist. Gemeinsam suchen sie langfristige Lösungen für dieses Problem. Die Union bietet Kurse an, wo man neue Anbaumethoden kennen lernt. Diese tragen den klimatischen Bedingungen Rechnung. Manchmal handelt es sich auch um traditionelle Methoden, die aber den neuen Bedingungen angepasst werden. Und sie sind so einfach, dass alle sie anwenden können.

Landwirtschaft – heute und morgen

Die schwere Regenfälle reissen jeweils alles mit, was ihnen im Weg steht, auch den Humus, die dünne oberste Schicht des Bodens, der die Erde fruchtbar macht. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Union zeigen den Familien, wie sie kleine Mäuerchen bauen können, die das Wasser auf den Feldern zurückhalten und den Boden tief hinunter mit Feuchtigkeit versorgen. Die Bäuerinnen und Bauern im Norden von Burkina Faso haben auch Zai wiederentdeckt. Es ist eine einfache Methode: Um das Feld vorzubereiten, gräbt man alle 70 Zentimeter ein Loch von 30 mal 15 Zentimetern. Da hinein werden die Samen zusammen mit Kuhmist und Kompost gelegt. Der Kompost versorgt den Boden mit Nährstoffen, und die Vertiefung hält das Regenwasser zurück. So wachsen die Pflanzen sichtbar besser

Die Union arbeitet auch daran, neues Saatgut zu verbreiten. «Das traditionelle Saatgut braucht 90 Regentage, um gut zu gedeihen», erklärt Gabriel Lompo. «So viele Tage regnet es heute nicht mehr. Nun sind wir zusammen mit den Bauern daran, Samen zu züchten, die bloss noch 45 Tage Regen brauchen.» Alle diese Methoden zusammen ermöglichen den Bauernfamilien, ihre Ernten deutlich zu steigern, und sie können auch bisher unfruchtbares Land nutzen. So wird es langfristig auch gelingen, genügend Nahrung für alle zu produzieren.

Sichtbare Auswirkungen

Die Anbaumethoden erfordern eine gute Organisation, die gegenseitige Unterstützung der Familien ist wichtig. Umaru erklärt dies mit einem Bild: «Um Mehl zu transportieren, muss man beide Hände einsetzen. Versucht man es bloss mit einer Hand, kommt man nicht weit: Ein grosser Teil des Mehls rinnt seitlich weg. Innerhalb unserer Gruppe bringen wir viele Hände zusammen, Einigkeit macht uns stark!» Die Resultate geben den Familien Recht: Auf den Feldern, wo die beschriebenen Methoden angewandt werden, gibt es mehr und grössere Ähren an den Hirsepflanzen. Die Ernte wird deutlich besser. «Dort, wo unsere Familie vorher drei Karren Getreide ernten konnten, können wir jetzt auf sechs Karren hoffen!», erzählt Umaru. Dadurch hat sich die Hungerzeit verkürzt: Wenn das Getreide früher während dreier Monate fehlte, sind es heute nur noch wenige Wochen.

«Wir werden mit dieser Arbeit fortfahren», sagt Eric Ouedraogo, der Verantwortliche der Union in Gossina. «Diese Methoden erfordern viel Zeit, wir möchten gerne etwas weniger arbeitsintensive Alternativen finden.» Die Organisation hat auch die Idee gehabt, ein System von gemeinsamen Getreidespeichern aufzubauen. Die dienen als Sicherheitsnetz: In Hungerzeiten können Mitglieder der Gruppen sich Getreide ausleihen und müssen keine Zinsen dafür bezahlen. Das sind Initiativen, mit dem Ziel, die Ernährung langfristig sicherzustellen. Für Barakissa würde das auch bedeuten, dass sich ihr Traum erfüllt: Sie möchte Krankenschwester werden.

Johanna Monney (Text) / Blanca Steinmann (Übersetzung), Fastenopfer

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Ökumenische Kampagne 2014: Die Saat von heute ist das Brot von morgen

Fastenopfer setzt sich dafür ein, dass künftige Generationen die gleichen Möglichkeiten haben wie wir. Die Lupe auf dem Kampagnenplakat konzentriert sich auf eine Jeans: Dieses Kleidungsstück wird weltweit und von allen Generationen getragen. Es verbindet uns. Aber es symbolisiert auch Umweltschäden: Der industrialisierte Anbau von Baumwolle lässt vergiftete Böden zurück. Und bei der Herstellung der Jeans werden Näherinnen und Näher ausgebeutet. Unser Handeln heute hat Folgen für die Zukunft.

Weitere Informationen: www.sehen-und-handeln.ch

Johanna Monney (Bild: fastenopfer.ch)

Johanna Monney

Johanna Monney ist bei Fastenopfer in Lausanne verantwortlich für die Medienarbeit und besuchte im September 2013 die Projekte von Fastenopfer in Burkina Faso.