Das Bischofsamt

Zwischen Vollmacht und Ohnmacht

Franziskus machte schon mehrmals klar, dass das Subsidiaritätsprinzip auch für die Kirche als Organisation zu gelten hat und dementsprechend die Bischöfe mehr Verantwortung zu übernehmen haben. Damit setzt er einen Kontrapunkt zu den Pontifikaten von Johannes Paul II. und Benedikt XVI., in denen eine deutliche Zentralisierung und Stärkung der römischen Kurie zu beobachten war. Franziskus setzte dies bereits im kirchlichen Prozessrecht konkret um, indem nur noch ein Urteil nötig ist und der Bischof abschliessend entscheiden kann.

Im Hinblick auf diese allgemeine Entwicklung verdient eine kürzlich erschienene Aufsatzsammlung besondere Beachtung: Sabine Demel / Klaus Lüdicke (Hrsg.): Zwischen Vollmacht und Ohnmacht. Die Hirtengewalt des Diözesanbischofs und ihre Grenzen. (Verlag Herder) Freiburg-Basel-Wien 2015, 421 S. 17 Autorinnen und Autoren zeigen biblische, theologie- und kirchengeschichtliche Hintergründe auf, skizzieren die erst im Zweiten Vatikanischen Konzil erfolgte exakte sakramententheologische und ekklesiologische Verortung des Bischofsamtes und zeigen Möglichkeiten und Grenzen bezüglich Vollmachten und Aufgaben dieses Amtes auf. Das Fazit: «Das Diözesanbischofsamt ist wahrlich kein einfaches Amt – weder in seiner Entstehungsgeschichte noch in seiner Funktion und erst recht nicht in seiner Ausübung» (S. 406). Der Blick in die Geschichte zeigt auf, dass das Bischofsamt – der Bischof hat von der Wortbedeutung «episkopos» her Aufsicht zu führen und nachdenkend zu prüfen sowie sorgend präsent zu sein – sich stark gewandelt hat und die Einflussmöglichkeiten sehr unterschiedlich waren, von unten und oben stark eingeschränkt. Die Aufwertung des Bischofsamtes durch das Zweite Vatikanische Konzil blieb, wie eingangs angetönt, stecken, und die Bestimmungen dieses Konzils sind bis heute, nicht zuletzt wegen der Passivität von nicht wenigen Bischöfen, noch umzusetzen, so dass im Buch zu Recht von der «heutigen Krise des Bischofsamtes» geredet wird. Veränderungen aber sind möglich und entsprechen der katholischen Tradition (vgl. S. 89). Franziskus nannte 2013 vor den Päpstlichen Nuntien als wichtigstes Kriterium für Bischöfe: «Hirten nah beim Volk». Umso wichtiger ist es, dass der Bischof, der innerdiözesan starke Vollmachten hat, auch wenn er überdiözesan und gesellschaftlich meistens unbedeutend ist, gut daran tut, die andern Gläubigen – Geistliche und Laien – einzubeziehen, Vertrauen zu schenken, gemeinsam auf dem Weg zu sein und (Anstands-)Grenzen nicht zu überschreiten. «Eine strikte Einflussnahme der Bischöfe indiziert ein mangelndes Vertrauen in (die Sendung der) Gläubigen» (S. 318), was ein Alarmzeichen ist. 

Urban Fink-Wagner

Urban Fink-Wagner

Der Historiker und promovierte Theologe Urban Fink-Wagner, 2004 bis 2016 Redaktionsleiter der SKZ, ist Geschäftsführer der Inländischen Mission.