Brunder Klaus lebt - Gedenkjahr als Impulsjahr

In einer Zeit der Selbstverwirklichung steht ein Mensch quer in der Landschaft, dessen Lebensziel darin bestand, ganz in Gott die absolute Freiheit zu finden. Es ist deshalb kein einfaches Unternehmen, Niklaus von Flüe 2017 heute zu gedenken.

Im Bewusstsein dieser Herausforderung begannen in Obwalden, der engeren Heimat des Ranft-Eremiten, die Vorbereitungen für das Gedenkjahr bereits vor vier Jahren, und im April 2013 trafen sich über 30 Männer und Frauen, weltliche wie geistliche Personen, Katholische und Reformierte, Kirchennähere und Kirchenfernere, Jüngere und Ältere, und besprachen sich intensiv über die inhaltliche Stossrichtung des Gedenkjahres.

Dieser Workshop war Grundlage und Inspiration für die weiterführende inhaltliche Auseinandersetzung. In Zusammenarbeit mit der Konzeptentwicklerin und Grafikerin Margret Omlin- Küchler wurde das Leitmotiv gewählt: «Mehr Ranft – Mystiker, Mittler, Mensch». Es geht im Gedenkjahr um das Wirken und die Werte, für die Niklaus von Flüe steht.1

Friede, Ökumene und Dorothee Wyss

Vor hundert Jahren, 1917, im Ersten Weltkrieg, stand der 500. Geburtstag im Zeichen der nationalen Versöhnung und Geschlossenheit. 100 Jahre später lassen sich zwanglos drei Kernthemen definieren, denen im Zusammenhang mit Niklaus von Flüe eine herausragende und besondere Bedeutung zukommen.

Friede und Friedensbotschaft: Weltweit wird Niklaus von Flüe als Friedensheiliger verehrt, in Ländern wie dem Libanon, in El Salvador oder selbst in Indonesien fast mehr denn bei uns in der Schweiz. Viele Pfarrkirchen, die Bruder Klaus geweiht sind, lassen sich auf die Initiative von Schweizer Missionaren zurückführen, doch immer häufiger stammt die Nachfrage nach Niklaus von Flüe von einheimischen, friedenssuchenden Menschen.

Ökumene: Viele Menschen verehren Niklaus von Flüe, weil sie ihn und seine Kernbotschaften schätzen und sich von ihm als gläubige und suchende Menschen verstanden und getragen wissen. Der Begriff Ökumene steht im Zusammenhang mit Niklaus von Flüe für den Dialog unter Gläubigen und Suchenden generell.

Dorothee Wyss: Es ist heute breit anerkannt, dass seine Frau Dorothee Wyss ihm eine wichtige Stütze war. Sein Lebensweg wäre ohne ihr Einverständnis nicht möglich gewesen. Zahlreiche Beiträge im offiziellen Gedenkband2 zeigen, wie das gemeinsame Ja neue spirituelle Perspektiven eröffnet. Wer das Verlassen von Frau und Kind verurteilt, wird weder ihm noch ihr gerecht.

Gebet, Radbild, Ranft

Ebenso lassen sich drei «Träger» der Erinnerungskultur definieren, welche in der symbolischen und zeichenhaften Vermittlung von Niklaus von Flüe und seiner Botschaften eine besondere Rolle spielen.

Bruder-Klaus-Gebet: An erster Stelle steht dafür das Bruder-Klaus-Gebet. Es erlaubt tiefste Einblicke in sein Verständnis als Mystiker und Gottsucher. Die hohe Wertschätzung für dieses einprägsame «Gebet um Gelassenheit» (Pirmin Meier) wird auch daraus ersichtlich, dass es Eingang in den katholischen Weltkatechismus gefunden hat.3

Radbild: Das Radbild steht fast synonym für Niklaus von Flüe selbst. Seine schlichte Einfachheit entspricht seinen scheinbar so einfachen Kernaussagen. Wie sperrig, wie anspruchsvoll, wie unergründlich tief «dieses Buch, in dem ich lerne», tatsächlich ist, wird nur dem bewusst, der sich darauf einlässt. Genauso ergeht es einem mit Niklaus von Flüe.

Ranft: Der dritte «Träger» ist der Ranft. Dieser identitätsstiftende Kraft- und Sehnsuchtsort steht – zusammen mit Niklaus von Flüe und Dorothee Wyss als spirituelle Leitfiguren – für ein Ankommen wie für ein Mehr an Rückzug und Reflexion, ein Mehr an Ruhe und Meditation, ein Mehr an Gelassenheit und Genügsamkeit. Es ist ein Ort der Stille, des Gebets, eine Oase des Friedens und Innehaltens. Diesem Bedürfnis nach Stille tragen viele Kirchen und spirituelle Orte Rechnung und bieten Räume der Stille an, die nicht selten den Namen «Ranft» tragen oder auf andere Weise mit Niklaus von Flüe verknüpft werden.

Breite Abstützung in der ganzen Schweiz

Zur Umsetzung des Gedenkjahres, auf der Basis dieses inhaltlichen Fundaments, erfolgte 2013 als organisatorische Plattform die Gründung des «Trägervereins 600 Jahre Niklaus von Flüe 2017». Dem Verein gehören staatliche und kirchliche Körperschaften Obwaldens an, darunter erstmals der Verband evangelisch-reformierter Kirchgemeinden Obwaldens. Unterstützt wird der Trägerverein vom wissenschaftlichen Beirat und dem Patronatskomitee. Beide Gremien sind breit abgestützt und tragen viel zur ideellen Verankerung und der Vernetzung und Verbreitung des Gedenkens ausserhalb Obwaldens bei.

Bezeichnend für die schweizweite Verankerung des Gedenkjahres ist die grosse finanzielle Unterstützung aus der ganzen Schweiz. Auch die Römisch-Katholische Zentralkonferenz (RKZ) und die Inländische Mission (IM) sprachen bedeutende Beiträge, ebenso unterstützen viele Kantone und Kantonalkirchen mit grösseren und kleineren Beiträgen die zentralen Aktivitäten. Sowohl in der Romandie wie im Tessin bildeten sich lokale Komitees, welche weitere Projekte initiieren und umsetzen.

Der Trägerverein selbst realisiert elf sogenannte Kernprojekte mit regionaler und nationaler Reichweite. Darüber hinaus sind bereits rund 100 eigenständige Mitmachprojekte vom Trägerverein anerkannt. Mehr als zehn Publikationen4, mehrere Theaterstücke, kürzere und längere Filme, neue musikalische Kompositionen und vieles andere mehr legen Zeugnis für eine breite und lebendige Auseinandersetzung und für die Verehrung des Ranft-Eremiten und seiner Frau ab. Bruder Klaus lebt!5 Ebenso planen und organisieren viele Pfarreien – oft überkonfessionell – Aktivitäten, Vorträge und Veranstaltungen. Für diesen Zweck stehen viele Angebote zur Verfügung (siehe Kasten).

Denkanstösse für die Welt von heute und morgen

Wir können mit Freude feststellen: Das Gedenkjahr wird ein Impulsjahr. Interesse und Engagement sind sehr gross, die Frage nach dem Wesentlichen des Menschseins steht im Zentrum.

Ist seine versöhnende Vermittlertätigkeit nicht gerade jetzt besonders notwendig, in unserer individualisierten und oft auf Eigennutz fokussierten Gesellschaft? Als Mittler zwischen Sprach- und Kulturregionen, zwischen Konfessionen und Menschen aus aller Welt? Niklaus von Flüe hat uns zu aktuellen Herausforderungen viel zu sagen. Nutzen wir deshalb die Chance zu einem spannenden und fruchtbaren Dialog mit einem der bedeutendsten Mystiker, Mittler und Menschen.

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Reichhaltige Impulsmappe

Die Bruder-Klausen-Stiftung Sachseln hat bislang mehr als 200 Pfarreien und Kapellen erfasst, die Bruder Klaus geweiht sind. Darüber hinaus hat sie, mit der finanziellen Unterstützung der RKZ und der IM, eine reichhaltige Impulsmappe zusammengestellt, welche viele wertvolle Anregungen und Arbeitsmaterialien enthält.

Zum Angebot gehören mehrere Theaterstücke, die für Aufführungen eingeladen werden können, musikalische Darbietungen und eine umfangreiche Liste mit kompetenten Referentinnen und Referenten in allen Landessprachen sowie in Englisch und selbst Spanisch. Weitere Angaben unter www.bruderklaus.com und www.mehr-ranft.ch/projekte/netzwerk

1 Zum Gedenkjahr siehe www.mehr-ranft.ch. Zur inhaltlichen Vorbereitung siehe besonders www.mehr-ranft.ch / Niklaus von Flüe.

2 Roland Gröbli, Heidi Kronenberg, Markus Ries, Thomas Wallimann-Sasaki (Hg), Mystiker, Mittler, Mensch, TVZ Verlag, Gemeinsames Vorwort von Gottfried Wilhelm Locher und Bischof Charles Morerod, Zürich 2016.

3 Katechismus der Katholischen Kirche, München 1993, Nr. 226.

4 Übersicht über bestehende und neue Publikationen zu Niklaus von Flüe und Dorothee Wyss siehe www.bruderklaus.com.

5 Übersicht und Informationen zu den Mitmachprojekten siehe www.mehr-ranft.ch/projekte.

Roland Gröbli (Bild: zvg)

Roland Gröbli

Dr. phil. I Roland Gröbli ist Autor des Standardwerks «Die Sehnsucht nach dem Einig Wesen» (Zürich 2006), Präsident des Wissenschaftlichen Beirats für «600 Jahre Niklaus von Flüe», Vorstandsmitglied im gleichnamigen Trägerverein und Projektleiter und Co- Herausgeber der offiziellen Gedenkpublikation.