«Bruder Klaus gehört der ganzen Welt»

Weltweit tragen rund 200 Kirchen und Kapellen den Namen Niklaus von Flüe / Bruder Klaus. Der Schweizer Schriftsteller Heinrich Federer (1866–1928) schreibt mit Recht: «Bruder Klaus ist viel zu gross, um nur Obwaldner zu sein. Er ist zu gross sogar für einen Eidgenossen. Er gehört der ganzen Welt.»1

In meiner Arbeit als Bruder-Klausen-Kaplan (1981– 1986) hat mich dieser Satz begleitet. Ebenso hat mich der «pazifistische Bruder Klaus» (Robert Durrer) begleitet. Friedenstifter, Mittler in Konflikten sind zu allen Zeiten gesucht. Gerade auch heute. Mein liebstes Wort von Bruder Klaus ist sein Rat: «Ihr sollt einander gehorsam sein» (1482 an den Rat von Bern). Nur im gegenseitigen Respekt kommen wir weiter. Hier ein paar Beispiele der weltweiten Friedensarbeit mit Bruder Klaus.

Indonesien: «Ya Tuhanku dan Allahku»

Schweizer Missionare haben in aller Welt Kirchen zu Ehren von Niklaus von Flüe gebaut. Beispielhaft ist die Initiative des gebürtigen Nidwaldners Pater Ernst Waser SVD (geboren 1930). Als er 1977 auf der Insel Flores seine Arbeit aufnahm, stellte er fest, wie Sippenfehden das Leben der Pfarrei bedrohten. Da begann er den Leuten zu erzählen, wie auch in seiner Heimat Volksstämme zerstritten waren und wie ein Bauer Frieden stiften konnte. Die Leute von Flores waren selber Bauern, zum Teil noch Analphabeten, wie zur Zeit von Bruder Klaus. Sie hörten den Geschichten gebannt zu. Spontan verstanden sie die Traumbilder (Visionen), denn das war ihre Welt, voll von Träumen, von guten und bösen Geistern.

Ich fuhr 1984 zur Einweihung der neuen Kirche nach Wangkung. Den viereckigen Raum mit über 2000 Plätzen weihten sie «Santu Klaus». Vorn in der Mitte hängt gross das Meditationsrad. Im kleinen Büro von Ernst Waser steht auf dem Tisch eine Holzfigur von Bruder Klaus. In seinem Haushalt sind in all den Jahren auch über 40 Waisenkinder aufgewachsen, von denen einige seine besten Mitarbeiter geworden sind.

In den ersten Jahren realisierte er mit seinem Pfarreibetrieb Wasserprojekte und Strassen, später vor allem Schulen. Mit der Zeit entstand der Schulverband «Santu Klaus», der aus der Schweiz vom Freundeskreis «Santu Klaus» unterstützt wird. Dem Friedensheiligen sind heute in Westflores mehrere Kirchen geweiht, auch zwei originalgetreue Ranft- Kapellen. Bruder Klaus habe ihm in all den Jahren den Weg gezeigt und ihn, die Gemeinde und die Unternehmungen beschützt, sagt Ernst Waser, der bis heute überaus segensreich wirkt.

Indonesien ist mit 200 Millionen Einwohnern das grösste muslimische Land der Welt. Ernst Waser ist Ehrenbürger eines mehrheitlich von Muslimen bewohnten Dorfes. Er baute dort eine Moschee und erhielt dafür ein Landstück für den Bau einer Kirche. Im grössten Kirchengesangbuch Indonesiens steht auch das Gebet von Bruder Klaus: «Ya Tuhanku dan Allahku» («Mein Herr und mein Gott»). Dass Christen und Muslime in Indonesien den gleichen Gottesnamen verwenden, ist ein überaus sinnvolles Zeichen, denn es handelt sich um den gleichen einen und einzigen Gott der Muslime, Christen und Juden.

Israel/Palästina: der Friedensheilige in der Dormitio-Abtei …

Frieden und Versöhnung sind im Nahen Osten ein Dauerthema. Gleich zweimal ist Bruder Klaus präsent. Die Dormitio-Abtei ist eine 1906 gegründete Benediktinerabtei auf dem Berg Zion in Jerusalem. Es ist der Ort, wo nach christlicher Überlieferung Jesus mit seinen Jüngern das Abendmahl feierte, wo Maria nach der Auferstehung Jesu gelebt hat und gestorben ist (Dormitio = Heimgang), wo die Gemeinde an Pfingsten vom Heiligen Geist ergriffen wurde. 1898 konnten die deutschen Katholiken das Grundstück erwerben und die heutige Abtei Dormitio bauen.

Einer ihrer ersten Mönche war der Urner Mauritius Gisler (1855–1940). Er baute die Tellskapelle am Urnersee und leitete dann in Jerusalem den Ausbau der Dormitio-Abtei. Bei der Gestaltung des grossen runden Mosaik-Fussbodens liess er sich vom Meditationsbild von Bruder Klaus anregen. Sein Mosaik stellt die Ausbreitung und Wirksamkeit des Wortes Gottes dar. Es beginnt im Zentrum mit dem Symbol des dreifaltigen Gottes, dem dreifachen Hagios (Heilig). In weiteren Kreisen nach aussen folgen die Propheten, Evangelisten und Apostel, dann die Tierkreiszeichen und die Monatsnamen.

1925 wurde im Kloster eine Bruder-Klaus- Statue aufgestellt, die 1947/48 im jüdisch-arabischen Krieg verloren ging. Die Dormitio lag im umkämpften Niemandsland zwischen jüdischen und arabischen Truppen. Nach dem Krieg gab es immer wieder Bemühungen, dem Friedenstifter Niklaus von Flüe mit einer Statue erneut einen Platz zu verschaffen.

1982 konnte ich im Auftrag einer Gruppe von Solothurner Persönlichkeiten eine neue Statue nach Jerusalem bringen, wo sie im Rekreationsraum der Gemeinschaft aufgestellt wurde. Heute steht sie im Innenhof der Abtei. Diese ca. 70 cm grosse Bronzefigur ist eine Kopie der 1981 östlich der Solothurner Kathedrale im Park aufgestellten Steinskulptur. Die Dormitio-Abtei steht heute unter der Leitung des irischen Abtes Gregory Collins (geboren 1960) und pflegt den Dialog zwischen Juden, Christen und Muslimen. Jedes zweite Jahr verleiht sie den «Mount Zion Award», einen Friedenspreis an Personen oder Institutionen in Israel/Palästina, die sich in der Verständigung zwischen den Religionen sowie um den Friedensprozess Verdienste erworben haben.

… und im Caritas-Kinderspital Bethlehem

Bruder Klaus ist seit vielen Jahren im Caritas-Kinderspital Bethlehem präsent, das viele Leute wegen der Weihnachtskollekte der Katholischen Kirche Schweiz kennen. Es wurde 1952 vom Schweizer P. Ernst Schnydrig gegründet. Die Präsenz von Bruder Klaus geht auf die Initiative von Irmgard Schmid zurück. Fast 30 Jahre lang hat sie als Cheflaborantin im Kinderspital gewirkt. 2001 wurde sie Ehrenmitglied der Kinderhilfe Bethlehem, und die Stadt Bethlehem ernannte sie zur Ehrenbürgerin.

Auf ihre Initiative hin findet seit 1986 jährlich um den 25. September herum ein Friedensgottesdienst zu Ehren von Bruder Klaus statt, der zur festen Tradition geworden ist. An ihm nehmen das Lateinische Patriarchat Jerusalem und weitere Gemeinschaften teil. Mit Bruder Klaus steht die Mystikerin Mirjam Baouardy (1846–1878) im Zentrum der Feier. Als erste Palästinenserin war sie 1983 selig-und 2015 heiliggesprochen worden. Sie war als junge Frau in Frankreich in den Orden der Unbeschuhten Karmelitinnen eingetreten und 1875 massgebend an der Gründung der ersten Karmelitinnen-Klöster in Bethlehem und Nazareth beteiligt. Seit ihrem frühen Tod wird sie im Mittleren Osten hoch verehrt.

Mit San Nicholas de Flue in Costa Rica

Seit 16 Jahren gibt es in der Universitätsstadt Heredia die Schule «San Nicholas de Flue». Sie hat in Costa Rica innert kurzer Zeit einen ausgezeichneten Ruf und wird dreisprachig geführt. Den Bezug zu Niklaus von Flüe verdankt sie Padre Fabio Blanco Cubillo. Er war Pfarrer in Heredia, heute im Ruhestand. Bruder Klaus bedeutet ihm viel, und er hat auch schon den Ranft besucht. Bei Niklaus von Flüe liebt er die Verbindung von Mystik und Friedensarbeit. Eine Folge davon: In vielen Kirchen wird am Ende der Messe das Gebet von Bruder Klaus («My Senor y mi Dios / Mein Herr und mein Gott») gebetet, ebenso in evangelischen Gemeinden.

Österreich: Dorothee-und Bruder-Klaus-Friedenskapelle

Anfangs der 80er-Jahre entstand in Maria Alm (Salzburger-Land) auf Initiative des Religionslehrers Walter Rinnerthaler die Dorothee- und Bruder Klaus-Friedenskapelle. Zusammen mit Architekturstudenten der HTL Saalfelden wurde sie geplant und gebaut. Ein fächerübergreifendes Projekt der Schule. Diese Friedenskapelle ist beispielhaft für viele private Initiativen und zeigt, wie breit und vielseitig die moderne Bruder-Klaus-Verehrung sein kann. Dorothee von Flüe ist dabei unverzichtbarer Bestandteil des gemeinsamen Weges mit Niklaus. Typisch für viele jüngere Stiftungen und Initiativen ist die ökumenische Ausrichtung im Geist von Taizé. Die Friedenskapelle wird regelmässig für Trauungen und Gottesdienste genutzt, und Leute aus nah und fern besuchen den stillen Ort auf dem romantischen Hügel im Wald. Ebenso wird Niklaus von Flüe ausdrücklich als Friedensheiliger wahrgenommen und verehrt, des äusseren wie des inneren Friedens. Und ergänzend zur Friedenskapelle hat Walter Rinnerthaler 2003 in Maria Alm weitere Orte des Innehaltens realisiert. Neben der Pfarr- und Wallfahrtskirche Maria Alm und der Friedenskapelle wurde ein Labyrinth, inspiriert von der Kathedrale San Vitale in Ravenna, und ein interreligiöser Raum der Stille geschaffen.

Weitere Besuche von Bruder-Klaus-Pfarreien führten mich unter anderem in die damalige DDR (1987) oder nach Korea (1990). Nicht überall wissen die Menschen, welche heute in diesen Pfarreien leben, wer dieser Niklaus von Flüe ist. Neue Impulse sind darum sinnvoll und willkommen. Es ist zu hoffen, dass das Gedenkjahr beiträgt, alte Kontakte wieder herzustellen und zu pflegen. Denn: «Bruder Klaus ist viel zu gross, um nur Obwaldner zu sein. Er ist zu gross sogar für einen Eidgenossen. Er gehört der ganzen Welt.»

 

1 Der Beitrag von Walter Signer ist eben erschienen in: Roland Gröbli, Heidi Kronenberg, Markus Ries, Thomas Wallimann-Sasaki (Hg), Mystiker, Mittler, Mensch, TVZ-Verlag, Gemeinsames Vorwort von Gottfried Wilhelm Locher und Bischof Charles Morerod, Zürich 2016, 152–155.

Walter Signer (Bild bruderklaus.com)

Walter Signer

Walter Signer (1946) ist in Teufen (Appenzell Ausserrhoden) aufgewachsen. Theologiestudium in Münster und Jerusalem. 1978 Priesterweihe in St. Gallen. Vikar in Rapperswil. 1981 bis 1986 erstmals in Sachseln. Präses der KAB Schweiz. 1994 bis 2011 Pfarrer in Zürich Altstetten. Bis Herbst 2016 wirkte er als Bruder-Klausen-Kaplan.