Biblische Argumente zu Frauen in der katholischen Kirche

Bereits Papst Johannes XXIII. hat die Frauenfrage mehrmals als zentrales «Zeichen der Zeit» benannt. Leider hat sie dann das Konzil nicht mehr ausführlich behandelt. Zwar ist mit dem 2. Vaticanum einiges erreicht worden. Als Frau, die das Konzil und die kath. Kirche auch noch vor dem Konzil erlebt hat, möchte ich das betonen. Aber was die Frauen betrifft, ist es noch lange nicht genug.

In der kath. Kirche haben Frauen keinerlei Mitspracherecht in allen dogmatischen und anderen wichtigen Fragen. Sie werden zwar gelegentlich zu Beratungen hinzugezogen, aber sie haben keinerlei Rechte, an wichtigen Entscheidungen mitzuwirken. Dabei ist die Mehrheit der Mitglieder in der kath. Kirche weiblich. Stellten alle Frauen ihre offiziellen und ehrenamtlichen Dienste ein, würden alle kirchlichen Bereiche zusammenbrechen. Trotzdem wird diese Mehrheit behandelt wie eine Minderheit, oft wie eine minderbemittelte Minderheit. Die kath. Kirche ist m. W. die einzige Organisation in der westlichen Welt, in der die Mehrheit der Mitglieder von allen bedeutenden Entscheidungen ausgeschlossen ist.

Eigentlicher Grund für die Minderbewertung von Frauen ist das Problem der Macht, da Männer nicht bereit sind zu teilen. Obwohl immer wieder betont wird, alle kirchlichen Ämter seien Dienstämter – und Frauen seien besonders zum Dienen prädestiniert –, werden Frauen von allen Weihe-Ämtern allein wegen ihres Geschlechts ausgeschlossen. Dabei gilt doch nach dem Vorbild Jesu das Dienen (griech. diakonein) ohne Ausnahme für alle Christen. Da jedoch alle Entscheidungsbefugnisse an das Weiheamt geknüpft sind, steht dieses im Fokus der Diskussion.

Biblische Argumente

Immer wieder wird die Bibel herangezogen, um die Weihe von Frauen als unmöglich zu bezeichnen, so z. B. mit dem Argument, dass es nach dem Willen Jesu der Kirche nicht erlaubt sei, Frauen zu weihen. Da die Bibel der Fels ist, auf dem die Kirche steht, sind die biblischen Argumente die wichtigsten. Wie steht es mit den vorgebrachten «Belegen»?

Gottebenbildlichkeit der Frau

Auf der ersten Seite der Hebräischen Bibel steht die Aussage, dass Gott die Menschen, Mann und Frau als Bild Gottes erschaffen habe (Gen 1,27). Beide Geschlechter, Mann und Frau, bekommen dann auch den klaren Auftrag, über die Erde zu herrschen, d. h. Verantwortung zu übernehmen. Die zweite Aussage wird zumeist unter dem Begriff «Herrschaftsauftrag» verhandelt. Allein das Wort zeigt schon, dass man diesen in der Folgezeit auf den Mann eingeschränkt hat. Diese Einschränkung wurde dann auch in der Aussage über die Gottebenbildlichkeit der Frau gemacht. Die des Mannes ist nie auch nur ansatzweise in Frage gestellt worden, über die Gottebenbildlichkeit der Frau wurde jedoch seit rund zweitausend Jahren gestritten, sie wurde abgeschwächt, gemindert oder gleich ganz geleugnet.

Kein ernst zu nehmender Exeget würde heute bestreiten – wollte er sich denn nicht lächerlich machen – dass Frauen genauso gottebenbildlich geschaffen seien wie der Mann. Im Übrigen hat auch das II. Vaticanum bekräftigt, Mann und Frau seien gottebenbildlich geschaffen. Die Folgen einer falschen Interpretation des Schöpfungsberichts sind aber weder durchdacht noch beseitigt.

Thomas von Aquin, der einflussreichste Theologe des Mittelalters, hat aus der minderen Gottebenbildlichkeit der Frau auch ihre Amtsunfähigkeit abgeleitet. Ein Wesen, das aufgrund der Schöpfungsordnung zur Unterordnung bestimmt und nicht in vollem Sinne gottebenbildlich wie der Mann sei, könne nicht zu einem Amt zugelassen werden, das von seinem Wesen her zu Führung und Leitung befähigen soll. Dass Thomas von einem philosophischen, aristotelischen Menschenbild ausging, welches biologisch seit Jahrhunderten überholt ist, ist heute weiten Kreisen bekannt. Die theologischen Folgerungen, die daraus abgeleitet wurden, sind jedoch bis heute nicht berichtigt

Maria von Magdala

Wenn die Rede von den Jüngern Jesu ist, sehe ich eine Schar Männer vor mir, die Jesus zuhören. Dass Jesus aber nicht nur männliche Jünger hatte, sondern auch zahlreiche Jüngerinnen, ist heute unbestritten. Das Wirken von Frauen in neutestamentlicher Zeit wie auch in der Frühen Kirche ist inzwischen wissenschaftlich gut erforscht.

Wichtigste Jüngerin Jesu war Maria von Magdala, Apostolin und erste Verkünderin der Auferstehung Jesu. Ihre Rolle, die in allen vier Evangelien bezeugt ist, und deren Folgerungen, sind theologisch immer noch nicht genügend reflektiert, obwohl seit über zwei Jahrzehnten eine Fülle von wissenschaftlichen Publikationen über sie erschienen sind.

Nicht nur die drei Synoptiker (Mk, Lk und Mt) bezeugen, dass am Ostermorgen Frauen zum Grabe gegangen sind, das Grab leer gefunden und dann die Botschaft: «Er ist auferweckt worden!» erhalten haben sowie einen Auftrag, dies den anderen Jüngern und Jüngerinnen zu verkünden. Anführerin und Erstgenannte bei den Frauen ist regelmässig Maria von Magdala. Ihr wird auch die erste Erscheinung des Auferstandenen zuteil. Da die drei älteren Evangelien berichtet hatten, dass alle männlichen Jünger nach der Verhaftung Jesu geflohen und wieder nach Galiläa zurückgekehrt seien, ist die Bemerkung bei Mk 15,47 so wichtig, Maria von Magdala (v. M.) und eine andere Frau hätten «von ferne» der Kreuzigung zugesehen und aufgepasst, wo der Leichnam Jesu begraben wurde.

Johannes, der vermutlich die älteren Überlieferungen gekannt hat, betont Maria v. M. sogar noch mehr als die Synoptiker. Bei ihm kommt Maria v. M. auch allein zum Grabe, ohne andere Frauen. Dafür sind für ihn aber Petrus und der sog. Lieblingsjünger, die einen Wettlauf zum Grab machen, erwähnt. Maria ist also nicht nur die Erstzeugin und die erste Verkünderin der Osterbotschaft, sondern sie wird hier noch eigens hervorgehoben. Die Erzählung von Joh 20 hat darum ein besonderes Gewicht, weil hier, zu Beginn des 2. Jh., bereits die Tätigkeit von Frauen eingeschränkt wird, Tod und Auferstehung Jesu liegen rund 70 Jahre zurück. Johannes geht es nicht so sehr um historische Erinnerung, sondern für ihn ist Maria v. M. eine symbolische Figur, sozusagen eine Scharniergestalt zwischen dem irdischen und dem auferstandenen Jesus, das Verbindungsglied zwischen Vergangenheit und Zukunft. Deshalb wendet sie sich auch zweimal um, sozusagen in die Vergangenheit und dann wieder in die Zukunft, damit ist die Identität des irdischen Jesus mit dem auferstandenen Kyrios gewährleistet. Die anschauliche Geschichte von Joh 20 mit dem «noli me tangere»-Motiv (rühr mich nicht an) ist bei Künstlern sehr beliebt gewesen, ebenso das Motiv des auferstandenen Jesus mit einer Schaufel, weil Maria v. M. ihn zuerst mit einem Gärtner verwechselt. Die Struktur der Erzählung von Joh 20 ist auch noch – bis in terminologische Finessen – der Berufungserzählung der männlichen Jünger in Joh 1,35–51 nachgebildet.1 Während es bei den Synoptikern keine Liste der «Zwölf» gibt, die in allen Namen übereinstimmen, gibt es bei Maria v. M. nicht nur eine Übereinstimmung in den älteren drei Evangelien, sondern auch bei Johannes, sie ist in allen Auferstehungsgeschichten die menschliche Hauptperson.

«Apostola apostolorum»

Trotz ihrer Rolle als erste Apostolin wird immer noch von den «Zwölf Aposteln» geredet, obwohl dies eine Vereinfachung ist. Die Gruppe der «Zwölf» nach dem Muster der 12 Stämme Israels ist von der Gruppe der Apostel zu unterscheiden. Die «Zwölf» waren deswegen rein männlich, aber zu den Aposteln gehörte unbestritten auch Paulus, wie er in jedem seiner Briefe betont.

Neben Maria v. M. gab es noch andere Frauen im NT, die diesen Titel trugen, so Junia in Röm 16, deren Name erst im späten Mittelalter in einen Männernamen umgewandelt wurde. Maria von M. hat in der Folgezeit – auch von grossen Kirchenlehrern – über ein Jahrtausend den Titel «apostola apostolorum» getragen, dies noch in dem bekannten mittelalterlichen Werk der «legenda aurea». In den frühchristlichen Ortskirchen waren Frauen massgeblich in Verkündigung, Gemeindeleitung und Liturgie tätig. Das öffentliche Wirken von Frauen wurde aber bereits im 2. Jh. zurückgedrängt, vor allem aus Rücksicht auf das militärisch straff androzentrisch ausgerichtete Römerreich. Aus Opportunismus wurden die Frauen wieder «ins Haus» zurückgewiesen. Über Maria v. M. haben sich römische Autoren lustig gemacht, weil doch die Christen keine besseren Zeugen vorzubringen hätten als «ein Weib, das dies gesehen haben soll». Gemeint ist die Auferstehung Jesu (zitiert bei Origenes).

Frühe Kirche bis Mittelalter

Wichtiger als die Frage nach der Weihe war in den ersten Jahrhunderten das Problem, ob Frauen in der Öffentlichkeit lehren dürften. Für Paulus war dies noch selbstverständlich, nicht aber im männlich dominierten Römerreich. Christliche Frauen redeten dort öffentlich, sie lehrten, und damit erregten sie noch mehr Anstoss, als Christen es sowieso schon taten (Zeit der Christenverfolgung). So wurde dann im 3./4. Jh. Frauen das Lehren explizit verboten mit der Formulierung: Non decet neque necessarium est, ut mulieres doceant! (Es ziemt sich nicht, und es ist auch nicht nötig, dass Frauen lehren). Das Ansehen des Wortes Gottes stehe auf dem Spiel, wenn Frauen es verkündeten. Grosse Theologen wie Origenes (nach 200) meinten, es sei für Männer beleidigend, sich von einer Frau belehren zu lassen. Auch Johannes Chrysostomus, der die in Röm 16 bezeichnete Junia für eine Apostolin hielt, bleibt in der Frage der Lehre von Frauen ambivalent. Ambrosius von Mailand war der Meinung, die Verkündigung der Maria v. M. sei nur für die Jünger bestimmt gewesen, nicht aber für die Öffentlichkeit. Sogar Hieronymus, Übersetzer der Vulgata (lat. Bibelübersetzung), der eine ausgezeichnete Schülerin namens Marcella hatte, die er magistra nannte, meinte, dem männlichen Geschlecht würde Unrecht zugefügt, weil es gegen natürliches und positives Recht gehe, wenn Frauen in conventu virorum (der Versammlung von Männern) das Wort ergriffen.

Trotz dieser Jahrhunderte langen Tradition ist es also gelungen, eine deutliche Wendung zu vollziehen. Heute lehren allein im deutschsprachigen Raum Dutzende Theologinnen als Professorinnen an Universitäten und bilden somit auch männliche Theologen und Priester aus. Man hat also Abschied genommen von zeitgebundenen Verboten, die man aus Opportunismus meinte aufstellen zu müssen. Heute ist es selbstverständlich, dass Frauen öffentlich wirken und lehren.

Wie es zum strikten Verbot einer Weihe von Frauen kam

Erst im späten Mittelalter – zu Beginn der frühen Neuzeit – wurden die Vorschriften über das Weiheamt verschärft und zementiert. Auch die Festschreibung des Zölibats für Kleriker fällt in diese Zeit. In diesen Jahrhunderten vor der Reformation gab es zahlreiche Fehlentwicklungen die Frauen betreffend: Der Name und die grosse Verehrung von Maria Magdalena wurden stark beschnitten, zahlreiche Kirchen der Maria v. M. wurden umgewidmet in Kirchen von Maria, der Himmelskönigin. Der Titel apostola apostolorum für Maria M. verschwindet. Die Apostolin Junia verändert in dieser Zeit ihr Geschlecht und wird zu einem Mann: Junias. Und dies trotz einer über 1200 Jahre dauernden Tradition, in der sie unbestritten als Frau betrachtet wurde. Die meisten Bibel-übersetzungen haben dies inzwischen berichtigt. In dieser schwierigen Epoche, in der alles nach Reform schrie, folgte – anstatt einer gründlichen Besinnung auf die Quellen und die Ursprünge – die grosse Kirchenspaltung.

Weihe von Diakoninnen ist keine Lösung

In der Frage nach dem Amt von Frauen ist meiner Meinung nach die Weihe von Diakoninnen keine Lösung. Vielmehr ist eine gründliche, radikale Revision des mittelalterlichen Amtsverständnisses einschliesslich der historisch unhaltbaren Lehre von der ununterbrochenen Sukzession erforderlich. Die Mischung von Männlichkeitswahn und magischen Elementen der Weihe ist auf dem Hintergrund der biblischen und einer über tausendjährigen kirchlichen Tradition zu entschlacken. Davon profitierten Männer und Frauen, zugleich käme es auch der Ökumene mit den Kirchen der Reformation zugute. Sollten aber mittelalterliche Machtstrukturen und Mythen wichtiger bleiben als die Anliegen der Bibel und der heutigen Menschen, dann wird diese Kirche nicht mehr glaubwürdig sein.

 

1 Vgl. u. a. Susanne Ruschmann, Maria von Magdala im Johannesevangelium. Jüngerin – Zeugin – Lebensbotin, Aschaffenburg 2002.

Helen Schüngel-Straumann

Prof. Dr. Helen Schüngel-Straumann (* 5. Mai 1940) ist Bibelwissenschaftlerin. Promovierte 1969 nach Aufhebung der «Weiheklausel» als erste «Laie» in katholischer Theologie (Altes Testament). 1987 auf den Lehrstuhl für Biblische Theologie in Kassel berufen. Gründerin und Präsidentin der Helen Straumann-Stiftung für Feministische Theologie zur Zugänglichmachung umfangreicher Literaturbestände im Bereich der Feministischen Theologie. Seit 2001 Zusammenarbeit mit dem Zentrum Gender Studies der Universität Basel für den Aufbau der «öffentlichen Bibliothek für Gender Studies». Inzwischen sind über fünftausend Bücher aufgestellt und verfügbar, ebenso mehr als ein Dutzend Zeitschriften.