Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Kirche und Theologie

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Die Corona-Pandemie hat die Welt verändert. Was eben noch selbstverständlich erschien, wurde mit den ungewohnten Bedingungen einer Pandemie konfrontiert und musste sich neu bewähren. Stärken und Schwächen auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens traten dabei unverhofft ins Blickfeld. Dies gilt nicht nur für die Praxis der Kirche, sondern ebenso für die Theologie. Viele Fragen stellen sich, viele Versuche und Initiativen müssen jetzt reflektiert und auf ihre Nachhaltigkeit hin befragt werden.

Besonders brisant erscheint die Debatte um die Frage nach der Möglichkeit von sakramentalen Vollzügen in digitalen Formaten. Noch im Jahr 2002 hatte der Päpstliche Rat für die sozialen Kommunikationsmittel in seinem Schreiben «Ethik im Internet» Sakramente im Internet kategorisch ausgeschlossen, da die religiöse Erfahrung via Internet aufgrund der fehlenden Beziehung zu anderen Menschen in der wirklichen Welt defizitär sei. Diese Begründung ist aufgrund der Erfahrungen der letzten 18 Monate fragwürdig geworden. Lässt sich tatsächlich die Annahme aufrechterhalten, dass digital vermittelten Wirklichkeiten weniger Dignität zukommt als leibkörperlichen Realitäten? In digitalen Gottesdienstformaten ergibt sich ein breites Spektrum an Kommunikationsoptionen, die im Grunde alle die Körperlichkeit der Mitfeiernden am Tablet, Natel oder Bildschirm voraussetzen. In einem Zoom-Gottesdienst kann man nur dann dazu auffordern, eine Kerze zu entzünden oder ein Lied mitzusingen, wenn Menschen mit Leib und Seele dabei sind. Bei einem Whatsapp-Gottesdienst müssen die Tasten von realen Usern bedient werden. Selbst Emojis müssen per Maus oder Fingerdruck abgeschickt werden. Auch digitale Gottesdienste setzen voraus, dass sich echte Menschen einloggen oder zuschalten, echte Menschen mit ihrem Glauben, ihren Fragen, Sehnsüchten und Hoffnungen. Auch wenn zurzeit kein katholischer Theologe, keine katholische Theologin eine digitale Transsubstantiation, keine online basierte Taufe oder Krankensalbung wirklich in Betracht zieht, so ist doch unverkennbar, dass die neu entdeckten digitalen Formate einen Paradigmenwechsel eingeläutet haben, der Leiblichkeit und Digitalität neu denken lässt. Körperlichkeit offline und Körperlichkeit online sind klar unterscheidbar und müssen auch unterschieden werden, doch zeigen die Erfahrungen von Gottesdienst in Zeiten von Corona, dass digitale Kommunikation keine körperlose Kommunikation ist. Die Debatte um diese Fragekomplexe ist eröffnet. Sie sollte nicht zu schnell ad acta gelegt werden. Falsch wäre es, die faktisch bestehenden Transformationen aus Sorge um die etablierten theologischen Konzepte zu übersehen.

Birigit Jeggle-Merz*

 

 

* Prof. Dr. theol. Birgit Jeggle-Merz (Jg. 1960) ist Professorin für Liturgiewissenschaft an der Theologischen Hochschule Chur sowie an der Universität Luzern und stellvertretende Leiterin des Pastoralinstituts an der Theologischen Hochschule Chur.