Als alle Augen auf Basel gerichtet waren

Es war das längste Konzil aller Zeiten: das Konzil von Basel. Es bildete das letzte Glied einer Kette von vier Konzilien, die sich von Pisa 1409 über Konstanz, Pavia-Siena bis Basel (1431–1449) zog.

In Konstanz hatte man mit der Wahl Papst Martins V. 1417 das Grosse Schisma beendet, die erwartete Reform der Kirche an Haupt und Gliedern aber war liegen geblieben. Hier wollte man in Basel anknüpfen. Neben der Reform waren als Themen die Glaubenseinheit (mit Hussiten und Griechen) und der Friede, das Ende aller Kriege in Europa angesetzt. Nach der Eröffnung am 14. Dezember 1431 wollte der neue Papst Eugen IV. (1431–47), der in Italien blieb, das Konzil rasch auflösen. Die Versammlung aber leistete Widerstand und gewann massiv an Zulauf und Solidarität aus den europäischen Kirchen, sodass Eugen IV. sie im Dezember 1433 wieder anerkennen musste. In den Folgejahren erlebte das papstlose Konzil seine fruchtbarste Phase. Wichtige Reformdekrete wurden erlassen. Sie regelten die kanonische Wahl der Bischöfe, das regelmässige Abhalten von Partikularsynoden und damit eine Art Synodalisierung der Kirche, die Sittlichkeit des Klerus, die Milderung der Kirchenstrafen, die Papstwahl und vor allem die päpstlichen Finanzen, die drastisch beschnitten wurden. Anders als in Konstanz erhielten die tschechischen Anhänger des Jan Hus in Basel Rederecht und freies Geleit. In den Kompaktaten von Iglau/Prag 1435/36 wurde ein Modus Vivendi ausgehandelt und damit erstmals eine von der katholischen abweichende Lehre toleriert. Theologisch befand sich das Konzil in einer Zweifrontensituation zwischen hussitischer Geistkirche und päpstlichem Monarchismus.

Gleichheit und Gerechtigkeit

Die Tätigkeit des Konzils ist hervorragend in den Quellen dokumentiert. Statt in fünf Nationen wie in Konstanz waren in Basel die Beratungsgre- mien als vier Fachdeputationen organisiert (Reform, Frieden, Glauben und Allgemeines). Alle inkorporierten Konzilsväter (man hat insgesamt ca. 3500 ermittelt) wurden im Proporz von nationaler Herkunft und hierarchischem Rang nach dem Prinzip der Gleichheit verteilt. Und alle, vom Kardinal bis zum einfachen Pfarrer, hatten gleiches Stimmrecht. Das war und blieb singulär! Die Deputationen tagten in Basler Klöstern, die wöchentlichen Generalkongregationen und die feierlichen Sessionen im Münster. Organisatorisch kopierte das Konzil die bewährten Behörden der römischen Kurie, von Kanzlei und Kammer bis zu Pönitenziarie und Rotagericht. Eine zweite Kurie am Oberrhein entstand. Das Konzil mutierte zum Kirchenparlament und wurde ein Forum der europäischen Intellektuellen.

Unfehlbarkeit des Konzils

Im Mai 1437 zerbrach das Konzil. Eine – längst unzufriedene – Drittelminorität der Väter verliess Basel und wechselte die Fronten zum Papst. Sollbruchstelle war die Ortswahl des von Papst und Konzil in Konkurrenz geplanten Unionskonzils mit den Griechen. Die Basler verloren den Wettlauf. Die Griechen segelten von Konstantinopel zu Eugen IV. nach Ferrara. Dort und dann in Florenz tagte bis 1443 ein päpstliches Parallelkonzil, das im Juli 1439 in der Bulle «Laetentur coeli» die Union mit der Orthodoxie vollzog.

Die in Basel verbliebene Majorität machte Eugen IV. den Prozess und setze ihn im Juli 1439 ab. Zuvor hatte es, gestützt auf das revolutionäre Konstanzer Dekret «Haec Sancta» (1415), in den sog. «tres veritates» seine Superiorität über den Papst als Dogma verkündet. Vor Papst Pius IX. 1870 hatte also bereits ein Konzil für sich Infallibilität reklamiert. Konsequent wählte das Konzil im Konklave dann einen neuen Papst, den frommen Laienfürsten Amadeus VIII. von Savoyen, der sich Felix V. nannte. Sein feierlicher Einzug 1440 in Basel liess den Stadtraum zu einem zweiten Rom in savoyischen Farben werden. Aber das Konzil verlor rapide an politischem Rückhalt, v.a. durch die mächtigen Fürsten, die sich lieber bilateral mit Eugen IV. arrangierten. 1448 musste die Stadt Basel die Rumpfsynode ausweisen. Die letzten Väter gingen zu Felix V., der schon länger in Lausanne residierte. Hier löste sich das Konzil im Mai 1449 feierlich selbst auf und erkannte Papst Nikolaus V. (1447–55) an.

Das endlose Basler Konzil markierte in mehreren Punkten geschichtliche Extreme. Den Renaissance-Päpsten jagte es eine Art «horror concilii» ein. Er führte zur langen Verzögerung eines Konzils in der Reformation. Deren Voraussetzung, die fürstliche Kirchherrschaft, war bereits als Effekt der Konzilszeit entscheidend gestärkt worden.

Johannes Helmrath


Johannes Helmrath

Prof. Dr. Johannes Helmrath (Jg. 1953) studierte Geschichte, Philosophie und lateinische Philologie in Aachen, Toulouse, Paris, Bonn und Köln.
Er promovierte über «Das Basler Konzil 1431 bis 1449». Seit 1997 ist er Professor für mittelalterliche Geschichte an der Humboldt-Universität in Berlin und seit 2018 ebenda Gründungsdirektor des Instituts für Katholische Theologie.