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Volksinitiative «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe»

Medienmitteilung

Die Kirche legt grossen Wert auf die Familie, wie namentlich die Bischofssynode zeigt, die kürzlich in Rom stattgefunden hat. Von daher kann die Schweizer Bischofskonferenz nicht anders, als sich für die Initiative «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» zu interessieren, die am 28. Februar zur Volksabstimmung kommt. Das Ziel dieser Initiative ist in ihrem Titel ausgedrückt: nämlich dass die Tatsache, verheiratet zu sein, nicht zu zusätzlichen steuerlichen Belastungen oder zu niedrigeren AHV-Renten führt. Dieses Ziel erscheint uns ausgezeichnet.

Eine weitere Debatte ist mit diesem ersten Ziel verknüpft, nämlich die Definition der Ehe. Es handelt sich dabei um die Definition, die wir auch für unsere religiöse Ehe verwenden, die als Sakrament eine natürliche Rea-lität aufgreift: die Lebensgemeinschaft von Mann und Frau, welche die Gründung einer Familie ermöglicht. Als er die Bischofssynode am 24. Oktober 2015 mit einer Ansprache beendete, hob Papst Franziskus hervor, dass diese Versammlung dazu eingeladen habe, Ehe und Familie «als grundlegende Basis der Gesellschaft und des menschlichen Lebens zu würdigen». Wir nehmen dies gerne zum Anlass, um als eine unter allen Stimmen, die sich in unserer demokratischen Gesellschaft äussern können, den Sinn dieser besonderen Lebensgemeinschaft hervorzuheben, der wir den Namen «Ehe» geben.

+ Charles Morerod
Bischof von Lausanne, Genf und Freiburg
Präsident der Schweizer Bischofskonferenz

Durchsetzungsinitiative – unnötig, respektlos und ungerecht!

Mediencommuniqué

Die am 28. Februar 2016 zur Abstimmung kommende Initiative «Zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer» nimmt in Kauf, menschenrechtliche Prinzipien und rechtsstaatliche Verfahren zu verletzen. Sie schürt Misstrauen gegen unsere Gerichte, gegen die Politik und gegen Fremde. Die Menschenwürde gehört wesentlich zum christlichen Menschenbild. Zum Kern des christlichen Menschenbildes gehört auch, dass die Tat, nicht aber der Mensch als Person zu verurteilen ist. Die Menschenrechte gelten auch für straffällig gewordene Ausländerinnen und Ausländer. Die Kommissionen Justitia et Pax und migratio der Schweizer Bischofskonferenz lehnen die Durchsetzungsinitiative als unnötig, respektlos und ungerecht ab.

Unnötig

Die «Durchsetzungsinitiative» betreibt Etikettenschwindel. Sie gibt vor, der Ausschaffungsinitiative, über die bereits 2010 abgestimmt wurde, zu ihrer Durchsetzung zu verhelfen. In Tat und Wahrheit ist sie aber eine drastische Verschärfung. Sie verletzt völkerrechtliche Vorgaben, bewährte verfassungsrechtliche Prinzipien (Prinzip der Verhältnismässigkeit und Rechtsstaatlichkeit) und unterstellt, dass rechtskräftig verurteilte Ausländerinnen und Ausländer heute ein uneingeschränktes Aufenthaltsrecht geniessen könnten. Tatsächlich aber werden heute schon Straftäter ohne Schweizer Pass abgeschoben. Die von den Eidgenössischen Räten vorgelegte Umsetzung der Ausschaffungsinitiative wird mit der Durchsetzungsinitiative grundsätzlich in Frage gestellt, obwohl sie zu einer deutlichen Verschärfung der heutigen Praxis bei Landesverweisen und Einreisesperren führen würde. Diese Zwängerei ist unschweizerisch und unnötig.

Respektlos

Die Durchsetzungsinitiative geht weit über grundsätzliche Verfassungsfragen hinaus, sie ignoriert die bewährte Gewaltenteilung in der Schweizer Rechtsprechung, in deren Rahmen Grundsatzfragen vom Volk definiert, die weitergehende Präzisierung, Umsetzung und Anwendung aber Legislative, Exekutive und Judikative überlassen werden. Die in der Initiative geforderte Ausschaffung bei zahlreichen Delikten, und seien sie nur bagatellhaft, nimmt den Gerichten jeglichen Spielraum für eine Einzelfallprüfung. Das Aushebeln wichtiger rechtsstaatlicher Grundsätze ist unserer Demokratie unwürdig und respektlos gegenüber schweizerischen Institutionen.

Ungerecht

Bisher galt in der Rechtsprechung der Grundsatz, «Gleiches gleich und Ungleiches ungleich» zu behandeln. Damit war es möglich, im Einzelfall besonderen Umständen Rechnung zu tragen. Der in der Durchsetzungsinitiative geforderte Ausschaffungsautomatismus missachtet diesen Grundsatz und behandelt Ausländer mit einem anderen Massstab als Schweizer. In der Folge würden Väter abgeschoben werden müssen, deren Kinder und/oder deren Ehefrau in der Schweiz beheimatet sind. Secondos ohne Schweizer Pass müssten in das Herkunftsland ihrer Eltern abgeschoben werden, auch wenn ihnen Sprache und Kultur fremd sind. Das Recht auf ein Zusammenleben der Familie, wie es in Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention festgeschrieben ist, würde damit Ängsten vor straffällig gewordenen Ausländern geopfert. Dieses Vorgehen widerspricht dem Grundsatz der Gerechtigkeit. Aus christlicher Sicht sprechen die Prinzipien der Menschenwürde und der Barmherzigkeit gegen die Initiative. Es gehört zum grossartigen Erbe der jüdisch-christlichen Kultur, dass es sich gegen die offenen und subtilen Formen der Verletzung der Menschenwürde wendet. Diese Würde gilt es zu verteidigen, auch gegenüber Straftätern, weil die Barmherzigkeit Gottes auch dem Menschen begegnet, der auf Abwege geraten ist.

Die Kommissionen Justitia et Pax und migratio sprechen sich aus den genannten Gründen für ein Nein zur Durchsetzungsinitiative aus. Sie haben diese Stellungnahme im Auftrag der Schweizer Bischofskonferenz verfasst.

Freiburg i. Ü., 26. Januar 2015
Wolfgang Bürgstein, Justitia et Pax
Samuel-Martin Behloul, migratio