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Grenzschutz braucht Flüchtlingsschutz

Für die schweizerische Nationalkommission Justitia et Pax ist es dringend geboten, die Aufgaben der Grenzschutzagentur Frontex mit klar bestimmten Aufgaben zum Flüchtlingsschutz zu erweitern. Menschenrechte und das Recht auf Asyl sind unerlässliche Elemente eines humanitär legitimen Schutzes von Grenzen. Dafür muss Frontex einer stärkeren demokratischen Kontrolle unterzogen und ihre konkrete Arbeit strengen Regeln unterstellt werden. Die Erhöhung des Schweizer Beitrags an die Arbeit von Frontex muss an diese Bedingungen geknüpft sein.

Am 15. Mai stimmt die Schweizer Stimmbevölkerung darüber ab, ob der Schweizer Beitrag an die europäische Grenzschutzagentur Frontex von 14 auf jährlich 61 Millionen erhöht werden soll. Gleichzeitig soll die Anzahl Schweizer Grenzschutzmitarbeitende im Dienst von Frontex erhöht werden.

Die Schweizerische Nationalkommission Justitia et Pax hat sich mit dieser Vorlage befasst, sie sieht unterschiedliche Aspekte, die aus ethischer Sicht von besonderem Interesse sind:

  • Grenzschutz muss immer auch Flüchtlingsschutz sein. Dazu verpflichten die Menschenrechte und insbesondere auch das christliche Solidaritätsverständnis.
  • Der Kern des internationalen Flüchtlingsschutzes besagt, dass jeder Mensch das Recht hat, einen Staat um Asyl zu bitten und nicht in ein Land abgeschoben werden darf, in dem sein Leben und seine Freiheit gefährdet werden.1 Die Genfer Flüchtlingskonvention GFK hat insbesondere das völkergewohnheitsrechtliche «non-refoulement» Gebot verankert, wonach Personen nicht in einen Staat zurückgewiesen werden dürfen, in dem ihnen Verfolgung droht.
  • Der Schutz der Grenzen ist eine legitime und notwendige Aufgabe des Staates. Dafür braucht es Ressourcen und eine möglichst grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Ein wirksamer Schutz der Grenzen darf aber niemals auf Kosten der Menschenrechte und insbesondere auf Kosten des Rechts auf Asyl gehen.
  • Recherchen und Dokumentationen konnten belegen, dass das Recht auf Asyl und eine menschenwürdige Behandlung von Flüchtlingen und Asylsuchenden an den europäischen Aussengrenzen nicht gewährleistet sind. Frontex ist mitverantwortlich für unterlassene Hilfeleistung, sog. «Push-backs» und die Verweigerung des Rechts auf Asyl. Unzählige Flüchtlinge haben deshalb ihr Leben an den europäischen Aussengrenzen verloren.

 

Fribourg, 27.04.2022

Wolfgang Bürgstein
Generalsekretär J+P

 

1 Vgl. Genfer Flüchtlingskonvention GFK (1951): Sie legt fest, wer ein Flüchtling ist und welche Rechte und Pflichten er gegenüber dem Aufnahmeland hat. Ein Kernprinzip der Konvention ist das Verbot, einen Flüchtling in ein Land zurückzuweisen, in dem sie oder er Verfolgung fürchten muss. Bestimmte Gruppen – zum Beispiel Kriegsverbrecher – sind vom Flüchtlingsstatus ausgeschlossen.
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte AEMR, Art. 14 AEMR: Menschenrecht auf Asyl, allerdings nicht einklagbar, weil die AEMR keinen völkerrechtlich bindenden Status hat.
Europäische Menschenrechtskonvention EMRK (1950/1953): Die EMRK hat unter den internationalen Menschenrechtsabkommen eine Ausnahmestellung, weil alle in ihr garantierten Rechte von jeder Person, die sich in einem Beitrittsstaat (also auch CH, seit 1974) befindet, unmittelbar vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (einem internationalen Gerichtshof) einklagbar sind.