30 besondere Jahre Kirchengeschichte

Yvonne Steiner ist Herausgeberin des Buchs «Kirche im Wandel der Zeit – Konzil, Synode 72 und die Zusammenarbeit der Bischöfe Europas». Die SKZ hat sie zum Interview getroffen.

SKZ: Wie kam es zu diesem Buch, das ja auch vom Bistum St. Gallen und vom Katholischen Konfessionsteil mitgetragen wird?
Yvonne Steiner: Am Anfang stand die Idee von Bischof Ivo Fürer und Margreth Küng, seiner langjährigen Sekretärin und späteren Kanzlerin, die vielen Unterlagen aus ihrer Zeit beim Rat der Bischöfe Europas zu veröffentlichen. Diese Sachpublikation sollte mit persönlichen Erinnerungen ergänzt werden. Aus diesem Grund hat der Journalist Thomas Binotto mit den beiden im Frühling 2017 sieben Interviews geführt. Ich habe aufgrund dieser Interviewtexte und Ivo Fürers Notizen den Text des vorliegenden Buchs verfasst. Sein Autor ist Ivo Fürer. Meine Funktion ist die der Redaktorin.

Bischof Ivo ist ein bestens vernetzter Diplomat und Kirchenjurist. Welche neuen Erkenntnisse über ihn gewinnen wir bei der Lektüre seiner Erinnerungen?
Das Buch blickt auf 30 Jahre von Ivo Fürers Leben zurück, deren Schwerpunkt in der Schweiz seine Tätigkeit für die Synode 72 und international für den Rat der Bischöfe Europas war. Es zeigt einen Kirchenmann, dem es um die Menschen geht, um ihre Gottesbeziehungen in einer radikal veränderten Welt und nicht um den «Kirchenapparat». Er hat immer versucht, Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen, um Erfahrungen auszutauschen, Fragen zu stellen und Lösungen für aktuelle Probleme zu entwickeln.

Was lernen wir aus den Berichten von Bischof Ivo über sein jahrzehntelanges Engagement für die europäischen Bischofskonferenzen? Gibt es ein Europa, gibt es einen europäischen Katholizismus?
In der katholischen Kirche gibt es widerstreitende Kräfte. «Rom» geht es darum, seine Defini- tionsmacht zu behaupten. Eigenständige Bewegungen sind dem Kirchenapparat verdächtig, und er versucht beharrlich, Einfluss zu nehmen, sei es in Europa oder in Afrika, wie es Bischof Ivo schildert. In den Auseinandersetzungen von Papst Franziskus mit dem Kirchenapparat sieht Ivo Fürer Bemühungen, im Sinn des Konzils auf eine kollegiale und synodale Kirche zuzugehen.

Mit Blick auf seine Berichte: Wie ist es zu erklären, dass es nach dem Aufbruch von Konzil und Synode auch in der Schweizer Kirche zu einer Gegenbewegung und damit zum Ruf nach neuer Abschottung gekommen ist?
Zum Aufleben eines Konservatismus in der katholischen Kirche gibt Ivo Fürer eine kurze Erklärung. Das Verschwinden des katholischen Mi- lieus, auf das das Zweite Vatikanische Konzil und in seiner Folge die Synode 72 bedeutenden Einfluss hatten, führte zu einer Verunsicherung der Katholiken. Der Konservatismus scheint der Versuch zu sein, wieder die gewohnte Ordnung herzustellen. Ivo Fürer ist sich der Komplexität der Fragen, die sich den Menschen nicht nur in Glaubens- und Kirchenangelegenheiten stellen, bewusst und erliegt nicht der Versuchung, Ratschläge zu geben. Wichtig ist ihm, dass die Kirche einen Weg geht, in dessen Zentrum der christliche Glaube steht.

Interview: Heinz Angehrn

 

Buch: «Kirche im Wandel der Zeit – Konzil, Synode 72 und die Zusammenarbeit der Bischöfe Europas». Von Yvo Fürer, hg. von Yvonne Steiner. Mit Interviews und Gesprächen, Glossar zu wichtigen Begriffen und Personen. Edition NZN bei TVZ, 2018. ISBN 978-3-290-20168-5, CHF 20.–, www.tvz-verlag.ch.


Interview-Partnerin Yvonne Steiner

Lic. theol. Yvonne Steiner (Jg. 1955) ist Publizistin und Lektorin.