500 Jahre Täuferbewegung in der Schweiz

Am 29. Mai begrüsste die Mennonite World Conference (MWC) 3000 Gäste aus der ganzen Welt in Zürich. Im Bild v. l.: Kardinal Kurt Koch, Hanns Lessing (World Communion of Reformed Churches), John D. Roth (MWC), J. Nelson Kraybill (Präsident MWC 2015–2022) und Anne Burghardt (Lutheran World Federation; Bild: MWC).

 

Unter dem Motto «Mut zur Liebe» konnte die Täuferbewegung an Christi Himmelfahrt ihr 500-jähriges Bestehen an ihrem Geburtsort in Zürich feiern. Lange Zeit wäre eine solche Feier unmöglich gewesen, weil die täuferische Interpretation der christlichen Botschaft sowohl von reformierter wie auch von katholischer Seite als häretisch und gefährlich betrachtet wurde und die Täufer deshalb massiv verfolgt wurden.

Auch heute noch fordern die Positionen der Täufer heraus, sei es ihre Friedenstheologie, ihre Ansichten zur Taufe oder zu Kirche und Staat. Aber anders als in der Vergangenheit werden heute täuferische Ansichten vermehrt als Bereicherung statt als Bedrohung wahrgenommen. So debattierte in Zürich Mon. Juan Usma-Gómez vom Dikasterium zur Förderung der Einheit der Christen mit Vertretern der Mennoniten und Lutheraner. 

Die Schweiz hat eine lange Geschichte mit den Täufern: Der rätoromanische Priester Georg Cajacob war der erste Täufer. Der aus Lachen stammende Eberli Bolt wurde als erster Täufer am 29. Mai 1525 in Schwyz auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Rund 100 Jahre später, im Juli 1626, fand eine unbekannte Frau auf einer Rheininsel in der Nähe von Rheinfelden im Bistum Basel als letzte täuferische Märtyrerin im frühneuzeitlichen Europa den Tod. Volle Religionsfreiheit in der Schweiz erhielt die Täuferbewegung erst mit der revidierten Bundesverfassung von 1874.

Der Fürstbischof von Basel war wichtig für das Überleben der Täufer in der Schweiz. Seine Diözese reichte damals bis nach Colmar im Elsass. Sein Fürstbistum umfasste den heutigen Kanton Jura, den Berner Jura und Teile des Baselbiets. Zahlreiche Berner und Zürcher Täufer flohen in den Jura und ins Elsass, weil sie in ihrer Heimat verfolgt wurden. Der Fürstbischof von Basel begrüsste es, dass die tüchtigen Bauern aus dem Emmental die Jurahöhen ganzjährig bewohnten und bewirtschafteten. Er liess sie deshalb gewähren. Die strengeren Täufer aus dem Berner Oberland wanderten vor allem ins Elsass aus und übernahmen in den durch den Dreissigjährigen Krieg entvölkerten Berggebieten der Vogesen zahlreiche verwaiste Bauernhöfe. Unter Jakob Ammann bildete sich im nördlichsten Zipfel des damaligen Bistums Basel die täuferische Gruppe der Amischen.

Seit 1998 sind der Vatikan und die Mennoniten (Täufer) im theologischen Gespräch. 2003 konnte der Bericht «Gemeinsam berufen, Friedensstifter zu sein» verabschiedet werden. Seit 2012 wird über das Thema Taufe diskutiert – zusammen mit den Lutheranern. 2020 folgte der Bericht «Die Taufe und die Eingliederung in den Leib Christi, die Kirche». Papst Leo XIV. wünschte sich in seiner Grussbotschaft zur 500-Jahr-Feier in Zürich, dass die geschwisterlichen Beziehungen vertieft werden sollen. Es sei dazu eine «Reinigung der Erinnerungen und ein gemeinsames Neu-Lesen der Geschichte» notwendig. Die täuferischen Kirchen sind sehr international aufgestellt. Wie neu auch in der katholischen Kirche spielen die Amerikaner seit Langem eine wichtige Rolle.

Markus Jost*

 

* Markus Jost hat Theologie und Informationswissenschaften studiert und beschäftigt sich schon lange mit der Geschichte der Täufer. Er ist wissenschaftlicher Bibliothekar an der Universität Freiburg i. Ü. und Autor. Zuletzt von ihm erschienen: «Unpassend – Die Anfänge der Täuferbewegung» (2024).

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Editorial

Unterwegs sein

Für den im 4. Jahrhundert lebenden Kirchenvater Johannes Chrysostomos sind Christinnen und Christen Wandernde und Reisende. Das passt ausgezeichnet zur Ferienzeit. Unterwegssein ist für Chrysostomos jedoch nicht eine bevorzugte Daseinsweise für Ferienzeiten, sondern für immer. «Weisst du nicht, dass das Leben hier eine Reise ist? Denn bist du etwa Bürger? Du bist Wanderer! Hast du verstanden, was ich sagte? Du bist kein Bürger, sondern Wanderer bist du und Reisender! [...] Gegenwart ist Weg.» Gegenwart ist Weg – sosehr ich gerne wandere und beschwingt und frei auf wunderschönen Wegen unser Land erkunde, sosehr wird diese Daseinsweise im Alltag auch streng. Täglich physisch in Bewegung zu sein, das geht noch – sofern das Wetter nicht zu grausig ist – und freut die Gesundheitsvorsorge. Geistig-geistlich Wanderer zu sein, finde ich anspruchsvoll. Das bedeutet, dass ich nicht sesshaft werde in meinen Gedanken und Überzeugungen, sondern offen bin für die Führung Gottes. Was will Er mich lehren? Wohin will Er mich führen? Das Ziel ist bekannt: bei Ihm zu sein. Dahin unterwegs gibt es so manche Weggabelungen. Und manchmal wäre ich froh, hätte ich so eine genaue Wanderkarte wie jene der Landestopografie, um zu wissen, welchen Weg ich zu nehmen habe. Hilfreich ist mir das ignatianische «Mehr»: Was lässt meine Liebe zu Gott, zum Nächsten und zu mir in die Tiefe, Höhe und Weite wachsen?

Maria Hässig