Vor fünf Jahren gab sich die katholische Kirche der Schweiz in Zusammenarbeit mit der Dienststelle «migratio» das Arbeitsinstrument zur Ausrichtung ihrer Seelsorge für Migrant/innen mit obenstehendem Titel an die Hand. Dieser verdeutlicht seine doppelte Ausrichtung: zum einen «Auf dem Weg zu» und zum anderen «einer interkulturellen Pastoral».
Die Formulierung «Auf dem Weg» enthält mehrere Bedeutungen. Über Migrant/innen zu sprechen bedeutet, sich wirklich auf den Weg zu machen. Es bedeutet, bewusst das Schicksal derer zu teilen, die ihr Land verlassen müssen, wie einst Abraham, und die auf dem Weg in eine bessere Heimat sind (Hebr 11–12). Heute verlassen viele Menschen ihr Land aufgrund wirtschaftlicher Not, politischer Instabilität, sozialer oder klimatischer Gefahren usw. Mit diesen Menschen «auf dem Weg» zu sein, sollte uns dazu bringen, ihre Hoffnungen und Freuden, ihre Traurigkeit und Ängste zu teilen. Der Titel unterstreicht den Willen, sich den Migrant/innen anzunähern, sie mit ihren Erwartungen, Fragen und Hoffnungen zu verstehen.
Und dann steht das «Auf dem Weg» im Zusammenhang mit der Intuition des synodalen Vorgehens. Denn eine Synode zu halten bedeutet wörtlich, denselben Weg zu gehen. Seit fünf Jahren wird sich die Kirche wieder bewusst, wie wichtig es ist, gemeinsam voranzuschreiten, ohne dass jemand am Wegesrand zurückbleibt, und sich gegenseitig mit den Charismen zu bereichern, die jede und jeder zum Wohl des gesamten Leibes einbringen kann.
Eine interkulturelle Pastoral möchte den Reichtum der Kulturen berücksichtigen, indem sie das Zusammenleben über sprachliche und kulturelle Grenzen hinweg fördert. Dieser Ansatz setzt eine Begegnung auf Augenhöhe voraus. Es ist Aufgabe der Kirche, in ihrer besonderen Mission die unterschiedlichsten Menschen auf der Suche nach einer spirituellen Heimat zu begleiten. Die Diakonie mit ihren vielfältigen Diensten an den Armen, die Verkündigung des Evangeliums ohne Proselytismus, das Gemeinschaftsleben oder die Liturgie als Ausdruck des Glaubens sind typische Orte, die uns die Möglichkeit geben, die Kirche als Gemeinschaft in Vielfalt zu leben. Die Schweiz hat eine lange Tradition der Multikulturalität.
Sie ist der Ort, an dem germanische und lateinische Kulturen aufeinandertreffen, die sich in vier Landessprachen und einer politischen Erfahrung des Föderalismus ausdrücken; all dies lässt vermuten, dass es möglich ist, eine Kirche in der Schweiz ins Auge zu fassen, die in der Lage ist, vielfältige Unterschiede zu integrieren. Danke an die Migrationsgemeinden, die uns, die wir seit jeher Schweizer/innen sind, immer wieder dazu bringen, unser Verständnis von Kirche und unser Verhältnis zu ihrem göttlichen Geheimnis zu hinterfragen.
Die Vielfalt, die die Migration in die Schweizer Kirche bringt, ist nicht nur eine Bereicherung, sondern ein wesentlicher Bestandteil ihrer Identität. Was wäre unsere Kirche ohne die vielfältigen sozialen, menschlichen, kulturellen und religiösen Beiträge der Migrant/innen? Die Herausforderung besteht darin, «auf dem Weg» zu bleiben und in Vielfalt Gemeinschaft zu leben.
+ Jean-Marie Lovey, Bischof von Sitten* (Übersetzung: SKZ)
