Trotz unerfüllten Wünschen erfüllt leben!

Hildegard Aepli: Single – und wie?! Erfülltes Leben mit unerfüllten Wünschen. (Echter Verlag) Würzburg 2012, 80 S.

Kein Zweifel, die Single-Lebensform hat in der Gegenwart an Bedeutung und Häufigkeit zugenommen. In Grossstädten gibt es über fünfzig Prozent Single-Haushalte. In Pfarreien haben Priester nur noch etwa zu einem Drittel eine Haushälterin. Bekannt sind die Erfahrungen als Single: Abends nach Hause kommen, ohne erwartet, anerkannt und wertgeschätzt zu werden; Schwierigkeiten, den Sonntagnachmittag und die Ferien sinnvoll zu organisieren; allein zu essen, krank zu sein, allein zu beten usw. Hat der Jahwist da nicht die Erfahrung schon vor bald dreitausend Jahren auf den Punkt gebracht, als er feststellte: «Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt» (Gen 2,18)? – Und die Frage drängt sich auf: Heisst «Single-Sein» auch beziehungslos leben? In ihrem neuen Bändchen der «Ignatianischen Impulse» schreibt Hildegard Aepli gegen solche und ähnliche Äusserungen an. Die geistliche Begleiterin und Mitarbeiterin im Pastoralamt des Bistums St. Gallen – auch als Jerusalempilgerin bekannt – ist davon überzeugt, dass die Single- Lebensform Menschen nicht unbedingt frustrieren muss, sondern dass sie trotz unerfüllter Wünsche ein durchaus erfülltes, zufriedenes Leben ermöglichen kann. Dieses Leben eröffnet andere Freiheiten und Möglichkeiten. Voraussetzung ist allerdings, dass Singles ihr Leben geistlich füllen, aktiv kulturell gestalten und Einsamkeit als Chance wahrnehmen. «Es ist eine grosse Herausforderung, die Freizeit, die Ferien und Festtage so zu gestalten, dass Rückzug und Gemeinschaft sich ergänzen und tragen» (S. 15). Eminente Stichworte der Autorin sind: Entwicklung und Wachstum.

– Das originelle und tiefschürfende Büchlein gliedert sich in sechs Teile, die alle von existenziellen Impulsübungen, literarischen Texten und ignatianischen Gedanken angereichert sind:

a) Beschreibung der Single-Lebensform «zwischen Stuhl und Bank», gemeint ist ein Provisorium – sozusagen zwischen zwei Beziehungen, auf der Suche nach einem neuen Partner/einer neuen Partnerin oder nicht mehr auf der Suche!

b) Die Vision einer neuen Lebensform, gemeint ist die Möglichkeit, «dass mein Leben seine Entfaltung nicht durch Partnerschaft und eigene Familie finden könnte» ( S. 21), sondern als bejahtes Allein-Stehen und gleichzeitig in neu erlebter Beziehung zu Gott gelingt. Hier sind aufschlussreiche Überlegungen zum «Umgang mit Leiblichkeit und Sexualität» (23) zu lesen, nämlich «das Eingeständnis, sich als bedürftiger Mensch wahrzunehmen, als Mensch mit Wünschen, als Wesen mit ungestillten Bedürfnissen, mit unerfüllter Sehnsucht» (23). Fruchtbarkeit der Allein-Stehenden wird sozial neu definiert, statt auf Biologie reduziert. Sie kann auch als geistliches Leben mit Exerzitien gestaltet und durch Gespräche der seelsorglichen Begleitung erlebt werden.

c) Das dritte Kapitel wirft einen Blick auf das Modell Jesu und dessen Umgang mit Menschen: «Sein ganzes Leben, seine ganze Hingabe wird nur aus seiner Gottbezogenheit verstehbar» (31). Anhand biblischer Texte wird Jesus als Deutehorizont aufgewiesen – lebendig und kraftvoll!

d) Kapitel vier thematisiert das Single-Dasein als geistlichen Weg, erfüllt von sinnmachenden Beziehungen zu sich selbst, zu den Mitmenschen und zu Gott. Das Bittere der Einsamkeit kann sich wandeln in schöpferisches zufriedenes Dasein, vielleicht auch in Solidarität mit anderen Personen, die aus welchen Gründen auch immer allein sind. Wenn alle Sicherheiten preisgegeben werden, kann eine neue, andere Gewissheit gefunden werden.

Die beiden letzten Abschnitte e) und f) des wertvollen Büchleins fokussieren das Interesse nochmals auf biblische Aussagen zum Thema und stellen eine Reihe von Fragen zur persönlichen Auseinandersetzung mit dem Thema. Im Anhang finden sich Gebetsimpulse und Hinweise für Leibübungen und zum «Gebet der liebenden Aufmerksamkeit». Das lebensbezogene, realistische Werkbuch mit vielen innovativen Gedanken verdient Beachtung!

 

Stephan Leimgruber

Stephan Leimgruber

Dr. Stephan Leimgruber ist seit Februar 2014 Spiritual am Seminar St. Beat in Luzern und zuständig für die Theologinnen und Theologen in der Berufseinführung. Bis zu seiner Tätigkeit in Luzern war er Professor für Religionspädagogik an der Theologischen Fakultät in München.