Päpstliche Duschen vor St. Peter

Die «Servizi» hinter den Kolonnaden und unter dem Apostolischen Palast von aussen (© Osservatore romano).

Es gehört zu den Besonderheiten von Papst Franziskus, dass er – ganz im Sinne seines Namenspatrons – ein Herz für die Ärmsten der Armen hat und ihnen hilft, wo immer er kann. So Vatikansprecher Pater Federico Lombardi SJ im Dezember 2014, als publik wurde, dass der Pontifex durch sein Almosenamt zu Weihnachten 400 Schlafsäcke an Obdachlose in Rom verteilen liess.

Und dieselben Worte Pater Lombardis gelten erst recht im Blick auf die neueste, Aufsehen erregende Initiative des Bergoglio-Papstes. Also den (natürlich kostenlosen) "Sauberkeitsservice" für die Vagabunden nahe dem Petersdom und in angrenzenden Stadtvierteln. Konkret geht es um die Einrichtung von Duschen, Toiletten, einem kleinen Coiffeursalon und die Verteilung von "Hygiene-Päckchen". All das an der Nordseite der historischen Kolonnaden, gleich hinter dem vatikanischen Postamt, in nächster Nähe zur Kirche der Schweizergarde – und direkt unter den Fenstern des Apostolischen Palastes.

Dass der im Februar anlaufende Service für die "senzatetto", die Obdachlosen, recht gut funktioniert, steht nun fest (wovon sich der Schreiber dieser Zeilen überzeugen konnte). "Tag für Tag kommen etwa 50 Obdachlose, um unsere Dienste in Anspruch zu nehmen", sagte uns Anfang März der Römer Antonio, der als Angestellter einer vom Vatikan beauftragten Reinigungsfirma hier tätig ist. "Unsere ‹Kunden› stören den üblichen enormen Menschenandrang zum Petersdom absolut nicht. Kein Schmuddelfleck und keine Polemik mehr."

Polemik? Ja, die gab es sehr wohl, als der päpstliche Almosenmeister Mons. Konrad Krajewski (bekannt als "Don Corrado") im Auftrag seines Herrn und Meisters im Januar die Installallationsarbeiten in Auftrag gab. Graue Container für die Hygiene der Clochards ausgerechnet unter den berühmten Kolonnaden? Das empörte so manchen Schöngeist in Italien.

Der Kunstkritiker Gianluca Marziani etwa schrieb im römischen "Messaggero": Mit dieser Aktion würde man Bernini, den genialen Baumeister der Kolonnaden, geradezu "beleidigen " – bald werde es so weit kommen, dass Franziskus auch noch Feldbetten für die Vagabunden unter den Kolonnaden aufstellt! Der Bergoglio-Papst, rügte Marziani, habe eben leiästhetischen Respekt". Im gleichen Sinn empörten sich etliche Italiener im Web sowie durch Anrufe bei den Radiosendern über die "Verschandelung " der Kolonnaden.

Dass der Vatikan dieses Ambiente grundsätzlich in grössten Ehren hält, zeigt der offizielle "Führer der Vatikanstadt und der Vatikanischen Museen". Denn dort liest man: Die Piazza, die Gian Lorenzo Bernini zwischen 1656 und 1666 unter Papst Alexander VII. anlegte, zeigt "in ihrer meisterlichen, bühnenhaft effektvollen Wirkung bereits die Blüte barocker Baukunst". Zwei halbkreisförmige Kolonnaden mit jeweils vier Säulenreihen (insgesamt 284 Säulen) bilden eine Elipse. "Mit dieser Platzanlage scheint Sankt Peter die Gläubigen, die sich hier versammeln, schützend an sich zu ziehen und symbolisch die ganze Menschheit zu umarmen."

Ob die Einrichtung kleiner Container eine "Entweihung" der Kolonnaden ist, sei dahingestellt. Ein stilfremdes Element sind die grauen "Plastikzellen " allemal. Doch Papst Franziskus, der schon als Erzbischof von Buenos Aires oft die Allerärmsten seiner Diözese besuchte und ihnen kleine nützliche Geschenke machte, hält diese Einwände eben für weit weniger wichtig als die Nothilfe für Obdachlose. Eine Hilfe, die genau in sein auf die Evangelien gründendes Konzept "Fürsorge für die Armen und Ausgegrenzten" passt. Und die nicht zuletzt bezweckt, den Vagabunden ein würdiges Aussehen zu verleihen.

Übrigens wurde noch eine andere Kritik an der päpstlichen Aktion laut: Der Gratis-Service unter den Kolonnaden, fürchteten manche Beobachter, würde viele Vagabunden aus anderen Stadtvierteln Roms nun zum Petersplatz locken – nicht grade positiv und würdig für diese Piazza vor der grössten Kirche der Christenheit. Doch bisher hat sich diese Befürchtung nicht bewahrheitet. Und überhaupt ist die ganze Polemik sozusagen vom Tisch.

Wie funktioniert der Hygienedienst vor dem Petersdom? Nun, es gibt ausser den neuen Toiletten drei Duschen (samt einem kleinen Wartezimmer), die ausser am Mittwoch – wegen der dann gewöhnlich stattfindenden Generalaudienz – benützt werden können. Die "Kunden" erhalten eine Art Hygiene-Päckchen: frische Unterwäsche, Handtuch, Seife, Zahnbürste, Zahnpasta, Einwegrasierer und ein Deodorant. Nützliche Dinge also, die teils von verschiedenen Firmen gestiftet, teils jedoch vom Apostolischen Almosenamt gekauft werden. Den Barbierdienst (Haar-und Bartschnitt) versehen – jeweils am Montag, wenn die "barbieri" und Friseure in Italien normalerweise geschlossen haben – Freiwillige aus dieser Branche.

Papst Franziskus lässt es nicht beim Service für Obdachlose bewenden – er will die "senzatetto" auch indirekt oder jedenfalls hie und da in die kirchliche Sendung einbeziehen. So liess er am letzten Februarsonntag nach dem Angelusgebet ausgerechnet durch Clochards Hunderte von frommen Broschüren auf dem Petersplatz verteilen. Broschüren mit dem übersetzten Titel "Bewache dein Herz" und der Mahnung: "Dein Herz soll nicht ein Platz werden, auf den alle kommen ausser der Herr!" Das Katholikenblatt "Avvenire" staunte über diese beispiellose Geste: "Auch die Obdachlosen sind Apostel der Frohen Botschaft."

 

Bernhard Müller-Hülsebusch

Bernhard Müller-Hülsebusch

Dr. Bernhard Müller-Hülsebusch, seit vielen Jahren Korrespondent von deutschen und schweizerischen Medien in Rom und Buchautor, beschäftigt sich vor allem mit Themen rund um den Vatikan