Nein zur Präimplantationsdiagnostik

Das Schweizer Volk stimmt am kommenden 5. Juni über das revidierte Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG) ab, welches das Verbot der Präimplantationsdiagnostik (PID) aufheben und die Rahmenbedingungen zu deren Einführung in der Schweiz festlegen soll.

Die Schweizer Bischofskonferenz wie auch deren Kommission für Bioethik haben sich wiederholt grundsätzlich gegen die Einführung dieser Technik in der Schweiz geäussert. Ausserdem beinhaltet die vom Parlament vorgeschlagene und vom Bundesrat gutgeheissene Änderung des FMedG mehrere ethisch gesehen sehr problematische Aspekte.

Was ist die PID?

Am Anfang steht das Leid der Paare, die wissen, dass sie schwere genetisch bedingte Krankheiten übertragen können. Die PID bezeichnet die genetische Untersuchung mehrerer durch künstliche Befruchtung (In-vitro-Fertilisation, kurz IVF) entstandener Embryonen vor der Einpflanzung in die Gebärmutter. Die PID ist eine durch bestimmte Kriterien definierte Selektionstechnik dieser Embryonen, deren Ziel es ist, sicherzustellen, dass das ungeborene Kind nicht Träger dieser Krankheiten oder prädisponiert ist, später darunter zu leiden.

Um eine PID durchzuführen, werden der Frau nach einer Hormonbehandlung mehrere Eizellen entnommen und in einem Reagenzglas mit Samenzellen des Partners zusammengeführt. Gelingt die Befruchtung und entwickeln sich die Embryonen, werden diese dann auf genetische Defekte hin untersucht. Dazu wird eine oder mehrere Zellen der Embryonen (in den meisten Fällen sind sie zum Zeitpunkt der Entnahme im 8-Zell-Stadium) abgetrennt und genetisch untersucht. Von den als für eine Schwangerschaft geeignet beurteilten Embryonen wird dann einer in den Mutterleib eingepflanzt, die anderen eingefroren. Die als ungeeignet eingestuften Embryonen werden vernichtet.

Ethische Beurteilung der PID

Die Kommission für Bioethik bekräftigt in ihrer Ende April erschienenen Stellungnahme1 nochmals ihren Standpunkt, dass die PID grundsätzlich schwerwiegende ethische Probleme mit sich bringt. Diese sind insbesondere mit den folgenden drei Tatsachen verbunden:

Erstens handelt es sich um eine Technik, bei der willentlich mehrere Embryonen hervorgebracht werden mit dem Ziel, diese dann aufgrund der Resultate der genetischen Analyse zu sortieren. Man nimmt dabei in Kauf, gewisse Embryonen auszuwählen und andere zu verwerfen. Die PID zuzulassen, bedeutet also, eine Selektion zuzulassen, bei der man sich das Recht anmasst, aufgrund des Gesundheitszustandes der Embryonen zu entscheiden, wer es verdient zu leben und wer nicht.

Zweitens ist die PID nicht eine Methode, mit der kranke Menschen geheilt, sondern Menschen im embryonalen Stadium ihrer Existenz, die Träger einer Krankheit sind, ausgesondert werden. Da der menschliche Embryo von der Zeugung an wie eine Person behandelt werden muss, stellt die PID eine schwerwiegende Verletzung der wesenseigenen Würde des Menschen dar.

Schliesslich sollte die Kryokonservierung, also das Einfrieren der ausgewählten, jedoch nicht sofort in den Mutterleib eingepflanzten Embryonen, kritisch betrachtet werden. Was bedeutet es, wenn man die Existenz eines menschlichen Wesens «anhält», um es wieder zu «aktivieren», wenn die Eltern dies wünschen? Geschwister können dann, obwohl gleichzeitig gezeugt, einige Jahre auseinander liegen. Dies veranschaulicht, wie weit man, abgesehen von den weitgehend fehlenden Studien der Langzeitauswirkungen auf die betroffenen Menschen, in das Werden des Menschen einzugreifen gedenkt. Das Einfrieren bedeutet also ein radikales Eingreifen in die Geschichte eines menschlichen Wesens und ist deshalb nicht mit der Menschenwürde vereinbar, die jedes menschliche Wesen besitzt.

Soll PID für alle Paare verfügbar werden?

Bezüglich der Änderung des FMedG müssen zudem auch folgende problematische Aspekte hervorgehoben werden:

Das revidierte Gesetz sieht eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der PID vor. Die PID soll demnach nicht nur Paaren zur Verfügung stehen, die Träger einer schweren vererbbaren Krankheit sind, sondern für alle Paare verfügbar sein, welche eine künstliche Befruchtung (IVF) vornehmen. Dies würde zu einem generellen Screening aller Embryonen führen, welche sich ausserhalb des Mutterleibes befinden. Die Konsequenzen wären gravierend: Einerseits käme es dadurch zu einer enormen Erhöhung der Anzahl der sogenannten «überzähligen Embryonen». Andererseits würde dadurch festgelegt, dass eine genetische Krankheit, wie die Trisomie 21, eine Selektion rechtfertigt. Dies würde jene Personen stigmatisieren, die mit dieser Behinderung leben. Das FMedG sieht schliesslich vor, dass pro Behandlungszyklus zwölf statt bisher drei Embryonen entwickelt werden dürfen. Diese Zahl ist willkürlich.

Öffnet für weitere Anwendungen Tür und Tor

Die Entwicklung des Gesetzesvorschlags bestätigt das Argument der schiefen Ebene. Im Gegensatz zum Vorschlag des Bundesrates vom Jahr 2013 sieht das revidierte Gesetz nun eine deutlich erweiterte Einführung der PID vor. Angesichts dieser Entwicklung und mit Blick auf die Entwicklung der Gesetzgebung in anderen Ländern ist es illusorisch, anzunehmen, dass man an diesem Punkt einen Schlussstrich ziehen und in einigen Jahren nicht auch weitere Anwendungen der PID (wie das sogenannte Retterbaby) zulassen wird.

Es geht um die Würde des Menschen

Aus all diesen Gründen ist die Kommission für Bioethik der Ansicht, dass dieser Gesetzesvorschlag die unveränderliche Würde des Menschen nicht respektiert. Eine Gesellschaft ist dann wirklich menschlich, wenn sie sich, immer im Kampf gegen das Leid und die Krankheit, fähig zeigt, jeden Menschen in seiner Würde anzunehmen und den Kleinsten und Verletzlichsten einen Platz einzuräumen. In diesem Sinne ist es auch wünschenswert, dass die Medizin in diesem Bereich Fortschritte macht und den Menschen respektierende Methoden entwickelt, um für das Problem der Krankheiten und der Unfruchtbarkeit (wie zum Beispiel die NaPro-Technology dies erfolgsversprechend versucht) wirklich tragfähige Lösungen bereitzustellen.

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NEIN sagen auch 19 sozial engagierte Organisationen

Das revidierte Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG) regelt, in welchem Rahmen genetische Untersuchungen an Embryonen im Reagenzglas erfolgen dürfen. Es lässt eine fast schranken-lose Anwendung der Präimplantationsdiagnostik (PID) zu. Neu dürften alle Paare, die sich für eine künstliche Befruchtung entscheiden, im Reagenzglas gezeugte Embryonen genetisch untersuchen lassen, also nicht nur jene Paare mit einer schweren erblichen Vorbelastung. 19 sozial engagierte Organisationen lehnen das schrankenlose Aussortieren von Embryonen ab. Sie fordern eine klare Beschränkung und sagen deshalb am 5. Juni NEIN zu diesem revidierten Gesetz.

Besser unterstützen statt verhindern

Die 19 sozial engagierten Organisationen streben eine Gesellschaft ohne Normierungszwänge an. Sie engagieren sich für eine solidarische Gesellschaft, die Menschen mit speziellen Bedürfnissen annimmt und unterstützt. Dazu gehört eine fortschrittliche Medizin, die sich darauf konzentriert, Menschen zu helfen, und nicht darauf, sie zu verhindern oder zu verändern. Deshalb sagen die 19 Organisationen am 5. Juni NEIN!

Weitere Argumente finden sich online auf www.vielfalt-statt-selektion.ch und sind in Papierform auch in grösseren Mengen bei erhältlich.

1 Cf. www.kommission-bioethik.bischoefe.ch

Doris Rey-Meier | © www.bischoefe.ch

Doris Rey-Meier

Doris Rey-Meier ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Kommission für Bioethik der Schweizer Bischofskonferenz.
Nach ihrem Masterstudium in Theologie und Philosophie absolviert sie momentan ihr Zusatzstudium in Theologie zur Erlangung des kanonischen Lizenziats an der Universität Freiburg i. Ue.