Katechese im Kulturwandel

Für Eva Ebel ist das «Leitbild Katechese im Kulturwandel» Anstoss zu Professionalisierung und ökumenischer Zusammenarbeit. Ziel ihrer reformierten Lektüre sei keineswegs, der katholischen oder reformierten Seite ein «besser» oder «schlechter» zu attestieren. Es gehe darum, sich in ökumenischer Verbundenheit anregen zu lassen und das Eigene kritisch zu hinterfragen.

Aus reformierter Sicht ist es schon bemerkenswert, dass ein gemeinsames Leitbild für die deutschsprachigen Bistümer der Schweiz überhaupt existiert. Auf Ebene des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK) ist es kaum denkbar, dass Leitlinien für die katechetische Arbeit erstellt, in einem synodalen Prozess diskutiert, vom Präsidium des SEK beschlossen und von allen Fachstellen der reformierten Kirchen in ihrer Arbeit berücksichtigt würden. Der lange Weg, an dessen Ende das Leitbild steht, dokumentiert eine beneidenswerte Wertschätzung der Katechese auf Ebene der Kirchenleitung und der Gemeinde.

Kulturwandel als Herausforderung

Das Leitbild lamentiert nicht über «nur noch» oder «nicht mehr». Es will Mut machen, die Herausforderungen des gesellschaftlichen und kirchlichen Wandels anzunehmen und katechetische Angebote für verschiedenste Menschen und unterschiedlichste Bedürfnisse zu konzipieren.

Niederschwellige Angebote für alle

Angesichts des Schwindens religiöser «Standardbiografien» fordert das Leitbild nachdrücklich zur Erwachsenenkatechese auf. Die Mahnung, bestehende Formate durch niederschwellige Angebote für Erwachsene zu ergänzen, gilt ebenso der traditionell anspruchsvoll angelegten reformierten Bildungsarbeit.

Katechese als Angebot

Reformierte Konzepte wie das Zürcher «Religionspädagogische Gesamtkonzept» vollziehen nicht nur sprachlich eine Gratwanderung, wenn sie verbindliche und freiwillige «Angebote» auf dem Weg zur Konfirmation beschreiben1 und für fehlende Lektionen Kompensationsmöglichkeiten skizzieren2. Da kommt es einer Entlastung gleich, dass im Leitbild nie von Pflicht, sondern ausschliesslich von Angeboten die Rede ist – vielleicht auch ein «Kulturwandel», und zwar der kirchlichen Kultur. Im besten Fall überzeugt ein katechetisches Angebot durch Qualität und nicht durch Zwang.

In den meisten reformierten Kirchen erteilen noch immer selbstverständlich Pfarrpersonen mindestens den Konfirmandenunterricht. Die Ausbildung reformierter Katechetinnen und Katecheten reicht kaum an das Niveau heran, das am Luzerner RPI geboten und gefordert wird. Es bürgt hoffentlich für Qualität, dass es im katholischen Kontext ein anerkannter Beruf ist, als katechetische Fachperson in einer Kirchgemeinde tätig zu sein.

Auf katholischer Seite fehlen Schweizer Lehrmittel für den kirchlichen Unterricht, auf reformierter Seite liegen zahlreiche Materialien vor. Ist im katholischen Kontext das Vertrauen in die Lehrpersonen so gross, dass es unnötig scheint, ihnen Lehrmittel an die Hand zu geben? Was bedeutet es dann aber, dass umfangreiche Lehrmittel für den reformierten Unterricht existieren? Ein Effekt dieser Konstellation ist eine spezielle Ökumene: Reformierte Lehrmittel erfreuen sich im katholischen Unterricht grosser Beliebtheit.

Einsatz für schulischen RU

Seit der Erarbeitung des Leitbildes haben sich rund um den Lehrplan 21 die Rahmenbedingungen für den schulischen RU weiter verändert. Leitsatz 8 zum Unterricht in der Schule bedarf deshalb der Ergänzung: Wo es hinter die «Zweigleisigkeit»3 des RU kein Zurück mehr gibt, sind die katholische wie die reformierte Kirche gefordert, sich für einen guten bekenntnisfreien RU in der Schule einzusetzen.

Ökumene in der Katechese

Laut Leitsatz 5 ist Katechese ökumenisch angelegt. Die Aufteilung zwischen bekenntnisfreiem Unterricht in der Schule und dem konfessionellen in der Kirchgemeinde birgt jedoch die Gefahr, dass letzterer sich auf die eigene Konfession beschränkt und die ökumenische Verbundenheit verloren geht. Damit Ökumene in der Katechese mehr ist als ein Wechsel zwischen katholischer und reformierter Lehrperson, muss sie in der Aus- und Weiterbildung sorgfältig reflektiert und erprobt werden. Somit fordert das Leitbild letztlich dazu auf, eine christliche Fachhochschule mit dem Studiengang Ökumenische Religionspädagogik zu gründen.

Fazit

Mit «Katechese im Kulturwandel» liegt für die Deutschschweizer Bistümer ein ermutigendes und weltoffenes Dokument vor. Wünschenswert wäre, dass es auf reformierter Seite neben bis ins Detail durchdachten Konzepten und Reglementen sowie umfangreichen Lehrmitteln auch einen von Kirchenleitungen, Fachstellen und Synoden abgestützten Konsens über katechetisches Handeln gäbe.

 

1 Kirchenrat der Evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich (Hg.): «aufwachsen – aufbrechen» Religionspädagogisches Gesamtkonzept, Zürich 22010.

2 Evangelisch-reformierte Landeskirche des Kantons Zürich (Hg.): Handhabung der Verbindlichkeit im rpg, Zürich 2006.

3 Zu diesem Begriff vgl. Monika Jakobs: Ist Zweigleisigfahren der Dritte Weg? Aktuelle Entwicklungen des schulischen Religionsunterrichts in der Schweiz, in: Theo-Web 6 (2007) 123–133.

Eva Ebel

Prof. Dr. Eva Ebel ist seit 2007 Dozentin für ethische und religiöse Grundfragen und für Didaktik des Faches «Religion und Kultur» am Institut Unterstrass an der PHZH.