Freiwillige und Zukunft der Kirche

Das Schweizerische Pastoralsoziologische Institut/SPI lud am 11./12. November die diözesanen und kantonalen Seelsorgeräte (IKO) zu ihrer 32. Tagung in die Propstei Wislikofen ein.

Das Treffen stellte sich dem Thema «Welche Rolle und Bedeutung haben die Freiwilligen für die Kirche von heute und morgen?» Ohne vermehrten Einsatz von Freiwilligen ist die Kirche kaum lebensfähig. Immer weniger Hauptamtliche stehen zur Verfügung, und die Einnahmen aus der Kirchensteuer sind am Sinken.

«Offener Himmel»

Die SPI-Mitarbeiterin Eva Baumann-Neuhaus zitierte in ihrer Begrüssung eine Fluglinie mit dem Slogan: «Wir halten den Himmel offen.» Die Mitarbeitenden in der Kirche würden durch ihr Leben und Arbeiten sichtbar machen, dass die Welt kein geschlossenes System sei. So werde sichtbar, dass die Wirklichkeit im Geheimnis gründet, «das wir Gott nennen». Baumann präzisierte, eigentlich sei es Gott selber, welcher den Himmel offenhalte. Die Kirche könne nur Zeichen sein, das auf den geöffneten Himmel verweist.

Positives sehen

Als weitere SPI-Mitarbeiterin befasste sich Maria Blittersdorf mit grundsätzlichen Fragen der Freiwilligen in der Kirche. Die kirchlichen Strukturen seien so zu gestalten, dass sie die Freiwilligen in ihrem Engagement fördern durch Ausbildung, transparente Kommunikation, Partizipation an Entscheiden und durch genügende Ressourcen. Die Referentin schlug vor, bei der Analyse der kirchlichen Situation nicht ausschliesslich das Negative anzuschauen: den Mangel an Hauptamtlichen oder die abnehmende Zahl der Gottesdienstteilnehmenden. Es gelte, die positiven Aspekte stärker zu gewichten, so die Sinnsuche vieler Menschen und die zahlreichen Freiwilligen.

Neuaufbrüche

Blittersdorf skizzierte kirchliche Neuaufbrüche in der Schweiz und nannte z. B. Nahraumgruppen in den Pastoralräumen des Bistums Basel, befasste sich länger mit dem «Projekt Neuland – Kirche der unterschiedlichen Dienste» der Diözese St. Gallen. Neu war es, von der Bewegung Fresh X zu hören, die in Betrieben kirchliche Gemeinschaften aufbaut. Solche Aufbrüche wären ohne Freiwillige nicht denkbar. Auch die Hauptamtlichen seien dabei unverzichtbar, unterstrich Blittersdorf. Sie hätten die Aufgabe, Freiwillige zu ermächtigen und zu ermutigen, sie «auf Augenhöhe» zu begleiten. Die Seelsorgenden hätten Schritte zu wagen «vom Betreuen zum Fördern». Entscheidend seien Vertrauen, Anerkennung und Wertschätzung. «Sind die Hauptamtlichen bereit, etwas aufzugeben und andern zu überlassen?»

Woran arbeiten die Räte?

Die Informationen über die Aktivitäten der Räte wurden bisher druch Statements der Delegierten vorgetragen. Heute sammelt das SPI die schriftlichen Berichte und fasst sie nach Stichworten zusammen. Diese hiessen in Wislikofen: Standortbestimmung / Kirchenentwicklung und miteinander Kirche sein: Laien-Apostolat, Visionen und pastorale Konzepte / Spiritualität: Glaube, Gemeinschaft und Rituale / Kommunikation / Diakonie.

Flüchtlinge – Palliative Care

Es überraschte nicht, dass neben «Ehe und Partnerschaft» vielerorts die Flüchtlingshilfe im Vordergrund stand. Mehrere Räte beteiligten sich an Tagungen zum Thema oder sprachen sich mit Verantwortlichen der Regierung und mit involvierten Hilfswerken ab. Der Zürcher Seelsorgerat initiierte ein Gespräch zwischen dem Generalvikar, dem Synodalrat und dem Regierungsrat zur Frage, wie sich die Kirche am sinnvollsten engagieren kann. Zudem wandte er sich in Aufrufen an die Pfarreien und die Behörden. Ausführlich informiert wurde über das Projekt des Seelsorgerates von Basel-Stadt zur angepassten Form der Palliative Care und der Schaffung von Ausbildungsmöglichkeiten für die Palliativ-Seelsorge. Dabei geht es um «Lebensberatung mit Kompetenzen in christlicher und konfessioneller Seelsorge, organisatorische, rechtliche und finanzielle Fragen für Betroffene, Angehörige und Engagierte».

Die Räte abschaffen?

Der Delegierte von Basel-Stadt verriet, dass es während Jahren Bestrebungen gab, den Rat abzuschaffen. Für den Weiterbestand wurde argumentiert, dass das Zweite Vatikanische Konzil solche Gremien dringend gefordert habe. Zudem sei der Rat vom damaligen Bischof Kurt Koch ins Leben gerufen worden. Auch der Delegierte des Bündner Rates berichtete über eine Existenzkrise. Man habe «sich nutzlos, einsam und unverstanden gefühlt». Die Antwort kam in Form des Schreibens «Evangelii Gaudium» von Papst Franziskus. So sehe der Rat nun seine Arbeit «unter den Aspekten der neuen Evangelisierung für die Weitergaben des Glaubens». Die Kirche in der Schweiz wäre um einiges weniger lebendig, wenn es die Seelsorgeräte nicht gäbe. Meistens wird ihre Arbeit auch von «oben» geschätzt.

 

Walter Ludin

Walter Ludin

Br. Walter Ludin ist Kapuziner und schreibt als Journalist BR für verschiedene Medien. Er lebt im Kloster Wesemlin in Luzern.