Ein Papstschreiben in der Welt und für die Welt

Weltentrückt – dieser Vorwurf kann der vor einer Woche erschienenen Öko-Enzyklika nicht gemacht werden. Das Schreiben von Franziskus, dessen Anfangsworte erstmals nicht in Latein, sondern, gestützt auf ein Gebet des Heiligen aus Assisi, "Laudato Si’", italienisch daherkommen, verdeutlicht, dass der christliche Glaube und die damit verbundene Weltverantwortung konkrete Folgen haben müssen, das Schreiben ist damit im besten Sinne "geerdet", konkret, auf ebenso konkrete Antworten ausgerichtet. Franziskus verdeutlicht mit seinem zweiten grossen Schreiben als Alleinautor, dass der christliche Glaube keine Freizeit- oder Kulturbeschäftigung ist oder der Ästhetik dienen soll, sondern auch mehr Mass und Verzicht erforderlich macht, gerade bei uns im hochindustrialisierten Westen, der auf Kosten vieler armer und ausgebeuteter Länder lebt. Besonders uns Schweizerinnen und Schweizern kann die Enzyklika "schmerzliche" Anstösse geben, sind wir doch u. a. die Europameister im Verbrauch fossiler Energie.

Die Öko-Enzyklika ist nicht, wie etwa in der Zeitung "Avvenire" der italienischen Bischofskonferenz eingeschätzt, ein prophetisches Wort des Papstes, denn es geht um die Gegenwart, um unumstösslich Tatsachen, sondern, wie dort zu Recht festgestellt wird, eine "Magna Carta" für die bedrohte Schöpfung und Umwelt, welche ein Beitrag für den Schutz des menschlichen Lebens sein will.

Gleich wie Johannes XXIII. mit seiner Friedensenzyklika "Pacem in terris" 1963 die ganze Weltgemeinschaft angesprochen hat, richtet auch Franziskus seine Öko-Enzyklika an alle Menschen guten Willens – im Bewusstsein, dass die darin aufgeworfenen Fragen und Probleme die ganze Menschheit betreffen und ökologische Probleme heute immer auch unerwünschte und gefährliche soziale Folgen für grosse Teile der Menschheit haben (vgl. hinten "kath.ch 7 Tage").

Es melden sich nun auch Kreise, die sich normalerweise durch ein päpstliches Schreiben nicht angesprochen fühlen, aber auch wichtige Anstösse geben können, so etwa der prominente Gründer der "Slowfood"-Bewegung und Vorkämpfer der Biodiversität, Carlo Petrini. Greenpeace Schweiz schrieb anlässlich der Veröffentlichung des Papstschreibens begeistert auf Facebook: "Habemus Papam Climaticum! Papst Franziskus hat heute seine lang erwartete Enzyklika zum Schutz der Umwelt veröffentlicht. Darin findet das Oberhaupt der katholischen Kirche klare Worte: Die bisherigen Massnahmen von Industrie und Politik reichen nicht aus, um Millionen von Menschen vor den Folgen des Klimawandels zu bewahren. Papst Franziskus fordert laut und deutlich, ohne weiteren Aufschub mit dem Ausstieg aus klimazerstörenden fossilen Energien zu beginnen (…): höhere Klimaziele, ja!" – Franziskus gibt also den Anstoss zu einem neuen Dialog, auch zu neuen Allianzen. Das Anliegen der Enzyklika - sie wird Mitte August in der SKZ ausführlicher vorgestellt - sei jedenfalls auch uns ins Herz geschrieben. 

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Urban Fink-Wagner

Urban Fink-Wagner

Der Historiker und promovierte Theologe Urban Fink-Wagner, 2004 bis 2016 Redaktionsleiter der SKZ, ist Geschäftsführer der Inländischen Mission.