Der Schabbat - ein Segen

Schabbat

Der Schabbat ist Segen für die Menschen und die Welt. Als siebter Tag der Schöpfung erlaubt er innezuhalten, sich Gott und den Menschen zuzuwenden und im wöchentlich wiederkehrenden Feiertag einen Segen für Natur und Gesellschaft zu erkennen. Segenssprüche rhythmisieren diesen Tag. Damit steht Immaterielles über der materiellen Ausgestaltung und ist wichtiger als soziale und kulturelle Unterschiede. Gaby Knoch-Mund blickt aus jüdischer Perspektive auf die gesellschaftliche Kohärenz und spirituelle Dimension des Schabbat.1

Wie das jüdische Neujahrsfest Rosch Haschana gleichzeitig Vollendung der Welt und Neubeginn symbolisiert, so stellt der Schabbat als siebter Tag der Woche den Abschluss des Schöpfungsprozesses dar. Der Schabbat beginnt am Vorabend mit der Dämmerung und endet am Samstag, sobald drei Sterne am Himmel zu sehen sind. Segenssprüche über das Licht der Kerzen am Anfang und Ende rahmen den Tag ein, der erste in der Regel durch die Frau, die zweiten durch ein männliches Mitglied des Haushalts gesprochen. Nach dem Freitagabendgottesdienst segnen Eltern ihre Kinder; sie werden eingebunden in die Familie, während durch das Segnen deutlich wird, dass nicht alles in menschlicher Hand liegt.

Sozialpolitische Bedeutung

Zahlreiche Vorschriften scheinen das Leben am Schabbat einzuengen, doch es geht darum, das Ruhegebot umzusetzen und zwischen Alltag und Feiertag zu unterscheiden; vergleichbar erfolgt der Wechsel zwischen Nutzung und Ruhe in der Landwirtschaft mit dem Schmitta-Jahr und nach dem siebenmal siebenjährigen Zyklus im Schnat Jowel, das die Befreiung von Sklaverei und Lösung von Pfändern regelt und damit schon früh sozialpolitische Relevanz hatte. Diese Mizwot (Gebote) werden je nach religiöser Ausrichtung und Observanz strenger oder weniger streng eingehalten und umfassen am Schabbat 39 Gruppen von Arbeiten, die zum Bau des Stiftszelts notwendig waren und unter dem Begriff Mukzeh zusammengefasst sind. Es geht darum, nichts zu zerstören und nichts neu zu schaffen, darum, sich nicht ausserhalb eines bestimmten, mit einem Eruw bezeichneten Bezirks zu bewegen, nicht zu arbeiten, nichts grundsätzlich zu verändern. Erklärt werden sie im Mischna- Traktat Schabbat und im Traktat Eruw, der Zaun. Der Schabbat bezeichnet den Abschluss der Schöpfung nach Gen 2,1–3 und wird in den zehn Geboten in Ex 20,8–11 als zentrales Gebot institutionalisiert. Der Text aus Genesis wird jeden Freitagabend während des Abendgebets und beim häuslichen Kiddusch (Heiligung), den Segenssprüchen über Wein und Brot, vor der Mahlzeit gesprochen. Die Aufforderung, des Schabbats zu gedenken und den Tag zu heiligen, leitet den zentralen Abschnitt des Kiddusch am Samstagmittag ein. In den zehn Geboten heisst es, dass der Schabbat einzig mit Bezug auf Gott denkbar ist. Er gilt nicht nur für den Vermögenden oder den Hausherrn, sondern auch für den Sohn, die Tochter, die Lohnempfänger, das Vieh und auch für den Fremden, den Nichtjuden. Es ist Schabbat für jegliche Kreatur, da auch Gott nach der Schöpfung an diesem Tag ruhte. Der soziale Auftrag von Schabbat ist folglich gewichtiger als der ökologische. Den Fremden, der sich in der Stadt oder im selben Haus aufhält, gleich wie die Familienangehörigen zu behandeln, bedeutet viel.

Sorgsamer Umgang mit der Welt

Die Schöpfung ist dem Menschen anvertraut zur Pflege und Nutzung. Der Schabbat setzt den Aspekt der Fürsorge als vorausschauendes Handeln fort, indem Nahrung (Manna) für den Feiertag gesammelt werden soll (Ex 16,5; 22–23), während an Wochentagen nur der tägliche Bedarf zu decken ist. Schabbat- und Kaschrutvorschriften (Speisegebote) grenzen ein. In ihrer Differenzierung bedeuten sie nicht Verzicht, sondern eröffnen Genuss und neue Freiheiten. Ruhe heisst nicht Entsagung, sondern ist ein spiritueller Weg zur Einheit mit sich, der Schöpfung und für einen sorgsameren Umgang mit der Welt, was Mystiker und andere jüdische Gelehrte seit dem Mittelalter im Prinzip des Tikkun Olam ausgedrückt haben.

Judentum ist Erinnerungsgemeinschaft. Der Bezug zur Natur und zum Land Israel mag dann an Feiertagen im Vordergrund stehen. Zentraler sind Begriffe von Bund, Bundesschluss (Brit) sowie die Anknüpfung an die Traditionskette von Stammvätern und Stammmüttern bis zur Volkwerdung beim Auszug aus Ägypten. Es geht um Auserwählung und den Auftrag, die Gebote einzuhalten, den Schabbat als Beginn aller Feiertage zu heiligen, in Erinnerung an den Auszug aus Ägypten.

Im Kiddusch verbindet sich der Genuss von Wein und des darauffolgenden festlichen Essens mit einer spirituellen Dimension: jemandem, Gott, zu danken für das, was da ist. Diesen Dank und Segen gilt es wie im Gottesdienst, für den es ein Minjan (10 Männer) braucht, nicht nur in stiller Reflexion auszusprechen, sondern in Verbindung zur Tischrunde in Familie und sozialem Kontext. In Parascha Ekew (Dtn 8,12–11,25) ist die Landverheissung eines Lands, in dem Milch und Honig fliessen, die Utopie des Landes, an soziale Verantwortung geknüpft. Im Buch Ruth wird gefordert, das Feld nicht vollständig abzuernten, nicht nachzulesen und einen Rest für die Armen stehen zu lassen, Regelungen einer vormodernen Sozialordnung. So ermöglicht der Schabbat weniger der Natur als den Menschen und den Arbeitstieren Ruhe. Er ist eine wichtige Errungenschaft, die nicht durch Ubiquität von Konsum und Elektronik gefährdet werden soll, und ist zur Erholung, für die Familie, für Besuche bei Freunden und Kranken, für Gottesdienste, zum Lernen, zur spirituellen Erfahrung da. Es ist nicht selbstverständlich, sich den Schabbat frei zu halten. Wer nicht orthodox lebt, macht öfter Kompromisse, verliert Zeit an den Alltag. Schabbat hingegen ist ein offener Raum, geschenkte Zeit für sich selbst, für andere Menschen, vielleicht auch für Gott.

Das Licht des Schabbat

Der Feiertag endet mit der Hawdalah-Zeremonie und Segensprüchen über Wein; das Licht des Schabbat, in mindestens zweifach geflochtener Kerze symbolisiert, wird ausgelöscht. Wohlriechende Gewürze erlauben, den Duft des Feiertags in die Woche mitzunehmen. Vor dem Segen wird Gott um seine Hilfe angerufen. Der Rückbezug auf die Schöpfung erfolgt im letzten Abschnitt, dem Unterscheidungssegen, und in den häuslichen Gesängen, die dem Propheten Elia gewidmet sind, dem Vorläufer des Messias. Damit erhält das Ende des Schabbat eine heilsgeschichtliche Dimension: Gelobt seist Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der unterscheidet zwischen Heiligem und Nichtheiligem, zwischen Licht und Finsternis, zwischen Jisrael und den Völkern, zwischen dem siebten Tag und den sechs Tagen der Arbeit. Gelobt seist Du, Ewiger, der unterscheidet zwischen Heiligem und Nichtheiligem.2

Die materielle Kultur des Judentums kennt zahlreiche Elemente und Objekte, die der Verschönerung des Schabbat im Privathaushalt dienen: prunkvolle und schlichte Kerzenleuchter, Becher und Kelche für den Kiddusch, Platten, Messer und Decken für die Schabbatbrote, spezielles Geschirr, Besamimbüchsen und Hawdalah-Kerzenhalter. Alle diese Objekte heben die Schabbatfreude, gestaltet in Anlehnung an die Umgebungskultur, weiterentwickelt im zeitgenössischen Kunsthandwerk. Die Schönheit dieser Objekte überwiegt aber nicht das unersetzlich Immaterielle des Schabbat: die Manifestation eines Unterschieds zwischen Alltag und Feiertag, den Segen für Natur und Menschheit, den Tag, der Räume und Zeiten bildet, den Schöpfer zu ehren.

 

1 Im Rahmen des Religionsforums der Universität Freiburg vom 5. November 2016 (vgl. SKZ 5/2017) präsentierte Gaby Knoch-Mund ökologische und kulturelle Aspekte des siebten Schöpfungstags.

2 Siddur Schema Kolenu, 3. Aufl. Basel 2000, S. 553.

Gaby Knoch-Mund

Dr. Gaby Knoch-Mund ist stellvertretende Direktorin der Burgerbibliothek Bern und unterrichtet an der Universität Bern. Von 2010 bis 2015 leitete sie das Jüdische Museum der Schweiz.