Der neue Papst – (zu) schnell in den Büchern

Cover (Bild: weltbild.ch)

Nach der am 13. März 2013 unerwartet schnell erfolgten Wahl von Jorge Mario Bergoglio zum Papst erschienen in kurzer Folge bereits mehrere Bücher über den Papst «vom Ende der Welt» – in einer Geschwindigkeit, die der Qualität sicher nicht immer förderlich war.

Andreas Englisch – Provokativ

Andreas Englisch veröffentlichte sein Buch «Franziskus. Zeichen der Hoffnung. Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes» (C. Bertelsmann Verlag, München 2013, 288 S.) sehr schnell, und es kommt, packend geschrieben, reisserisch daher, mit nicht wenigen (Flüchtigkeits-)Fehlern und zugespitzten Hypothesen, die in ihrer Schärfe wohl in den wenigsten Fällen zutreffen dürften. Andreas Englisch schildert den Verlauf der Papstwahl, als ob er selber dabei gewesen wäre: Auch wenn über kurz oder lang auch vieles über das Konklave des Jahres 2013 herauskommen wird, wie das trotz Geheimhaltungspflicht der Kardinäle trotz der angedrohten Strafe der Exkommunikation bisher noch nach jeder Papstwahl der Fall war, klingen die Schilderungen von Englisch manchmal doch etwas gar abenteuerlich.

Interessant sind die einleitenden Bemerkungen von Englisch über Jorge Mario Bergoglio, der in der römischen Kurie unbeliebt gewesen sein soll. Monsignore Ettore Ballestrero, bis Anfang 2013 Untersekretär der zweiten Sektion des vatikanischen Staatssekretariates, habe als verlängerter Arm von Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone verlauten lassen, dass für Bergoglio noch vor Sommer 2013 als Erzbischof von Buenos Aires Schluss sei (Jorge Mario Bergoglio wurde am 17. Dezember 2011 75-jährig und erreichte damit das für Bischöfe übliche Rücktrittsalter). Als Grund gibt Andreas Englisch den Kampf Bergoglios für die Armen an, der offenbar in Rom nicht überall auf Begeisterung stiess, dann auch, wie Bergoglio über das Verhalten von Kurienkardinälen und -bischöfen dachte. Sollten diese provokativen Aussagen von Andreas Englisch auf reellen Tat-sachen beruhen, dann haben einige innerhalb oder ausserhalb der römischen Kurie – der genannte Ettore Balestrero, der zwischenzeitlich sehr jung Nuntius geworden ist, wirkt nun als päpstlicher Diplomat in Kolumbien –, nach der Wahl von Papst Franziskus nicht mehr gut geschlafen!

Heiko Haupt – weit ruhiger und sachlicher

Ein zweites Buch, ebenfalls sehr schnell geschrieben, kommt doch etwas nüchterner daher: «Heiko Haupt, mit Linda Bunckenburg und Thorsten Wiese: Franziskus. Der Papst der Armen» (riva Verlag, München 2013, 175 S.). Der nicht als «vaticanista» tätige Heiko Haupt schrieb die vorliegende Biografie in 14 Tagen, wobei er viele Quellen im Internet benutzte und sich offensichtlich dank der Hilfe der zwei Mitautoren auch auf in Spanisch geschriebene argentinische Quellen abstützen konnte. Das Resultat kann sich sehen lassen: Das Buch gibt gute Einblicke in das Leben des neuen Papstes und bietet Hintergrundinformationen, welche das Herkunftsland und die italienischstämmige Familie des Papstes ausleuchten. Haupt beschreibt unaufgeregt die Vorwürfe, die Franziskus aus seiner Zeit als Jesuitenprovinzial in Argentinien begleiten, wo Bergoglio eine zugrosse Nähe zu den Generälen der argentinischen Militärdiktatur der Jahre 1976– 1983 vorgeworfen wird. Haupt lässt beide Seiten zu Wort kommen, diejenigen, die Bergoglio Verfehlungen vorhalten, aber auch die zahlreicheren anderen, die Bergoglios Vorgehen verteidigen. Eine Bewertung der Fakten ist aus europäischer Sicht nicht einfach, und wir dürfen uns nicht aus den Plüschsesseln Europas heraus, wo wir glücklicherweise nicht in der bedrängenden Situation sind, unter der Knute eines Unrechtsregimes Verantwortung für andere tragen zu müssen, als Richter aufspielen.

Der Zustand der Kirche

Einen anderen Ansatz als Haupt verfolgt Simon Biallowons mit «Franziskus. Der neue Papst» (Kösel-Verlag, München 2013, 159 S.). Dieser Autor geht nur in einem einzigen Kapitel auf insgesamt 20 Seiten auf die Biografie des neuen Papstes ein. Er benennt die Vorwürfe das Verhalten Bergoglios in der Militärdiktatur betreffend und führt renommierte Entlastungszeugen an, stellt aber auch fest, dass mit diesen Jahren ein Schatten auf der Vergangenheit des argentinischen Jesuiten liegt. Der Autor thematisiert die Herausforderungen, die an den neuen Papst gestellt sind, die in dessen unmittelbaren Umfeld beginnen («Er [= Papst Franziskus] muss die Getreuen Benedikts XVI., (…), allen voran seinen Privatsekretär Georg Gänswein als Präfekt des Päpstlichen Hauses, bei Laune halten und zugleich eine eigene Basis an Gefolgsleuten aufbauen, ohne die ein Papst nicht wirken kann» [S. 109]), aber auch viel Grundsätzliches beinhalten (Neuevangelisierung, Haltung des Papstes zu den katholischen Reizthemen usw.). Biallowons hält am Schluss der Aufzählung nüchtern fest: «Die Atmosphäre in der Kurie, in der Kirche allgemein muss befreiter sein», und betont, dass der neue Papst bei der Kurien- und Kirchenreform vor einer Herkulesaufgabe steht, deren Scheitern für die Kirche ungeahnte Folgen haben könnte (S. 145 f.).

Wenige Worte und viele schöne Bilder

Noch mal einen andern Ansatz verfolgt der Radio-Vatikan-Redakteur Stefan von Kempis mit «Papst Franziskus. Wer er ist, wie er denkt, was ihn erwartet » (Herder Verlag/Verlagsgruppe Weltbild, Freiburg-Basel-Wien 2013, 156 S.): Er bringt viele Bilder und weit weniger Worte als die bereits genannten Autoren. Das ist durchaus erfreulich, weil viele Worte leicht ein Zuviel sein können. Und die Worte, die Stefan von Kempis wählt, sind überlegt und in ihrer Nüchternheit wohltuend. Jedenfalls gilt, was den neuen Papst betrifft, zweifellos das, was schon im Vorwort dieses mit ausgezeichneten Fotos ausgestatteten Buches zu lesen ist: «Uns stehen spannende Zeiten ins Haus. Dieser neue Pontifex wird uns mal verzauben (...), mal verärgern mit unvermeidlich unpopulären Entscheidungen. Aber sicher ist: Er wird uns immer überraschen» (S. 7). Von Kempis geht ruhig und überlegt auch auf die Jahre Bergoglios während der argentinischen Militärdiktatur ein, auch auf den beständigen Einsatz des argentinischen Jesuiten zugunsten der Armen, der den Mut hat, das neoliberale Wirtschaftsmodell anzuprangern und auf Ungerechtigkeiten in Wirtschaft und Gesellschaft hinzuweisen.

Jorge Mario Bergoglio im Original

Am Schluss dieser kleinen Buchübersicht sei auf die wichtigste Publikation hingewiesen, da uns der Mann «vom anderen Ende der Welt» in diesem Interviewband aus dem Jahre 2010 mit eigenen Worten begegnet: «Papst Franziskus. Mein Leben, mein Weg. El Jesuita. Die Gespräche mit Jorge Mario Bergoglio von Sergio Rubin und Francesca Ambrogetti. Vorwort von Rabbi Abraham Skorka» (Herder Verlag, Freiburg-Basel- Wien 2013, 223 S.). Damit kann der persönliche, kirchliche und gesellschaftliche Hintergrund von Papst Franziskus besser ausgeleuchtet werden. Noch als Kardinal spricht dieser über die Wichtigkeit des Gebets, aber auch über die richtige Parteinahme, die sich auf die Zehn Gebote und das Evangelium abstützen muss, dann auch über die richtige Prioritätensetzung, die nicht eine Sieger- Ethik und auch nicht ein Sich-lieber-Raushalten sein darf.

 

Urban Fink-Wagner

Urban Fink-Wagner

Der Historiker und promovierte Theologe Urban Fink-Wagner, 2004 bis 2016 Redaktionsleiter der SKZ, ist Geschäftsführer der Inländischen Mission.