Der lange Weg zu mir selbst

Milo Schaer, Der lange Weg zu mir selbst, Lebenserinnerungen von Milo Schaer, Book on Demand, 2016. Ca. 34 Franken, erhältlich online oder auf Bestellung bei der Buchhandlung Strobel, Zürich.

Für Milo Schaer gilt in besonderem Mass das Wort, dass der Mensch durch andere Menschen Mensch ist. Es ist kein Zufall, dass er immer wieder auf Mitmenschen zu sprechen kommt, die für ihn von besonderer Bedeutung waren und sind. So finden wir persönliche Beschreibungen von Hans Küng, den er während des Studiums in Rom kennen gelernt hatte, oder dem späteren St. Galler Bischof Othmar Mäder, mit dem er als Vikar zusammengearbeitet hatte, oder von Kurt Helbling, dem ersten Leiter des SPI in St. Gallen. Die Beschreibungen betten sich ein in konzise, konkrete Schilderungen des katholischen Auf- und Umbruchs vor und während des Vatikanischen Konzils.

Milo Schaer ist ein spannender und glaubwürdiger Zeitzeuge grosser Bruchzonen in kirchlicher, gesellschaftlicher und politischer Hinsicht. Darüber hinaus durchlebte er auch persönliche Bruchzonen. In jedem Kapitel wird deutlich erkennbar, wie sich ihm als selbstreflektierendes Wesen aus dem bisher Gelebten Neues erschliesst. Dazu gehören, dass er als früh zum Priestertum bestimmter Bub aus «gutem» Elternhaus, als Seelsorger auf dem Land und in Schweizer Städten sozialpolitische und ökumenische Anliegen aufnimmt und umsetzt und dass er den auch schmerzhaften Weg vom weltlichen Land-und Stadtseelsorger zum Dominikanerorden zurücklegte. Dazu gehört, dass er sich in und mit dieser Kirche und dem Orden reibt und schliesslich mit fast 50 Jahren nach Lateinamerika aufbricht und dort als Hochschuldozent und Unternehmer seine Kräfte in den Dienst eines ganz anders strukturierten Landes stellt. Und dazu gehört, dass er in Kolumbien das priesterliche Amt aufgibt und ein ebenso erfüllendes wie herausforderndes neues Leben als Partner, Vater und Grossvater lebt und erlebt. Der besondere Wert dieser Autobiografie liegt darin, dass er dieses Werk mit der ihm eigenen Neugierde und Unruhe des stets Suchenden verfasst hat.

 

Roland Gröbli (Bild: zvg)

Roland Gröbli

Dr. phil. I Roland Gröbli ist Autor des Standardwerks «Die Sehnsucht nach dem Einig Wesen» (Zürich 2006), Präsident des Wissenschaftlichen Beirats für «600 Jahre Niklaus von Flüe», Vorstandsmitglied im gleichnamigen Trägerverein und Projektleiter und Co- Herausgeber der offiziellen Gedenkpublikation.