«Der Kunst ausgesetzt» – Kirchenmusikkongress

Sie haben nicht das Recht, uns ungeschützt der Kunst auszusetzen!» Dies sagte eine entrüstete Hörerin vor 18 Jahren anlässlich des 4. Kirchenmusikkongresses in Bern – nach einem Orgekonzert mit damaliger zeitgenössischer Musik. Für nicht wenige würde wohl heute gelten: «Sie haben nicht das Recht, mich ungeschützt der Kirchenmusik auszusetzen!» Die Kirchen und die Kirchenmusik sind in gewisser Weise verzagt und orientierungslos.

Heute ist für beides viel mehr Vermittlungsarbeit nötig, auch eine Positionierung, wie weit man sich öffnen will, aber auch, wie weit man Traditionen bewahren will. Wie weit sollen Kirchen die aktuelle religiöse Nachfrage nach «Wohlfühl-Spiritualität» befriedigen? Wie weit soll Kirchen(-musik) widerständig sein, Stachel in unserer wohlstandsverwöhnten Gesellschaft, die Probleme gerne wegschiebt oder gar nicht wahrhaben will? Solche Fragen stellen sich auch für die Kirchenmusik, die nicht für sich alleine steht und stehen will, sondern im Raum der Kirche eine Vermittlungsfunktion hat und Brücken bilden kann.

Breite ökumenische Trägerschaft

Höchst aktuelle Fragen in dieser Richtung werden am 5. Internationalen Kongress für Kirchenmusik gestellt, der vom 21. bis zum 25. Oktober 2015 in Bern stattfindet – 1952 von der reformierten Kirche gegründet, 1962 bereits ökumenisch durchgeführt –, und Antworten hält das reichhaltige Programm einige bereit! An fünf Tagen finden 12 Konzerte statt, 16 Gottesdienste, acht Referate und ebenso viele Uraufführungen, 23 Workshops, und dies alles an insgesamt 16 Standorten, darunter in 11 Kirchen und in einer Synagoge; daran beteiligt sind neben dem Projektteam 50 Komponisten und ungefähr 600 Personen, sei dies musizierend oder singend. Das Patronatskomitee ist u. a. mit Bundesrat Alain Berset, den Bischöfen Markus Büchel und Harald Rain sowie SEK-Präsident Gottfried Locher hochkarätig zusammengesetzt, das Programm, das den Schwerpunkt auf neue Musik setzt und so zur Innovation ermuntern will, ist breit, will aufrütteln, beglücken, Gemeinschaft über Konfessionen und Religionen hinaus schaffen, einladen, sich durch die Musik auf der Suche nach Gott zu machen.

Trouvaillen

Das reiche, oftmals liturgisch eingebettete Programm – siehe dazu unter www.kirchenmusikkongress.ch – verspricht dabei auch etliche Trouvaillen. Genannt sei hier die vom Münsterorganisten Daniel Glaus entwickelte winddynamische Orgel, die nach dem Vorbild einer Metzler-Orgel in Biel nun auch im Berner Münster flexible Winde und damit fliessende Klänge ermöglicht, die – auch zusammen mit dem gesprochenen Wort – neue liturgische Wege eröffnen.

 

Urban Fink-Wagner

Urban Fink-Wagner

Der Historiker und promovierte Theologe Urban Fink-Wagner, 2004 bis 2016 Redaktionsleiter der SKZ, ist Geschäftsführer der Inländischen Mission.