Der Katechismus der Neuapostolischen Kirche im Gespräch

Im letzten Januar hat die Neuapostolische Kirche (NAK) in Zürich ihren Katechismus vorgestellt, den ersten in ihrer 150-jährigen Geschichte. Dabei haben Vertreter der NAK ausdrücklich ihre Gesprächsbereitschaft bekundet und zum Dialog eingeladen. Das Institut für Ökumenische Studien der Universität Freiburg hat diese Einladung aufgegriffen und eine Tagung durchgeführt, die theologische Debatte war und zugleich Begegnung wurde, wie es Institutsdirektor und Universitätsrektor Guido Vergauwen in der Begrüssung auch gewünscht hatte. Einführend präsentierte Bischof Paul Imhof einen kurzen Überblick über Lehre und Leben der NAK, die sich als Nachfolgerin der im 19. Jahrhundert in England entstandenen katholisch-apostolischen Gemeinden versteht.

Apostolizität versus Apostelamt

Für die Tagung wurden zwei Themen gewählt, die für die NAK zentral und «für die anderen christlichen Kirchen ein Zeugnis sind, Teile ihres Bekenntnisses wie auch der glaubenden Gebetspraxis – die aber auch der klärenden Auslegung bedürfen», wie Guido Vergauwen erläuterte.

Entstanden sind die katholisch-apostolischen Gemeinden, nachdem der Gedanke entwickelt wurde, die Kirche durch eine Erneuerung als Kirche der Endzeit zur apostolischen Ordnung zurückzuführen, und nachdem in diesem Zusammenhang aufgrund von Eingebungen in den Jahren 1832 bis 1835 zwölf Apostel berufen wurden. Als die ersten Apostel wider Erwarten starben, sahen sich die hinterbliebenen Apostel nicht ermächtigt, die verstorbenen Apostel zu ersetzen. Heinrich Geyer, Prophet der katholischapostolischen Gemeinden in Deutschland, berief trotzdem neue Apostel, trennte sich damit 1863 von der Herkunftskirche und begründete damit eine weitere apostolische Linie. In dieser Linie sehen sich die Apostel der heutigen NAK.

Mit dem historischen, mit dem Tod des letzten Apostels nicht mehr besetzten Apostelamtes weiss sich das im 19. Jahrhundert wieder besetzte endzeitliche Apostelamt durch eine geistliche Sukzession verbunden. Das Besondere dabei ist seine eschatologische Ausrichtung, die Apostel Heinz Lang in seiner Präsentation auch unterstrich: Das neuzeitliche Apostelamt «ist gegeben, um die Gemeinde dem wiederkommenden Herrn entgegenzuführen. Insofern ist es immer auch Apostelamt der Endzeit und findet seine geschichtliche Verwirklichung angesichts der nahen, ja, unmittelbar bevorstehenden Wiederkunft Christi».

In seiner Antwort auf diese Darlegung ging Prof. Urs von Arx als Sprecher des Ökumenischen Instituts vom nizäno-konstantinopolitanischen Glaubenssymbol aus, dessen Aussagen die NAK den gebührenden Platz einräume. Dass die Apostolizität der Kirche in der Doppelgestalt von Lehre und Amt zur Geltung kommen muss, trifft im heutigen ökumenischen Diskurs der Mainstream-Kirchen auf weitgehende Zustimmung. Strittig ist nur die Frage hinsichtlich der Kontinuität der Kirche in der apostolischen Lehre und im apostolischen Amt. Hinsichtlich der Kontinuität im apostolischen Amt stellt die Position der NAK eine herausfordernde Frage an das Selbstverständnis der Mainstream-Kirchen. Anderseits muss sich auch die NAK hinsichtlich ihrer Lehre Fragen stellen lassen. Wenn es zwischen dem urchristlichen und dem endzeitlichen Apostelamt «eine Unterbrechung» gab und es nur in der apostolischen Bewegung zu einer Wiederbesetzung kam, ist die Kontinuität der anderen Kirchen im apostolischen Amt in Frage gestellt. Die Rückfrage lautet: Geht den so genannten Mainstream-Kirchen diese Kontinuität insgesamt ab? Wenn die Kirche Christi in der NAK am deutlichsten zutage tritt, lautet die Rückfrage: Was bedeutet das für das Kirche-Sein der anderen?

Das «Entschlafenenwesen»

Jeden Sonn- und Feiertag spenden der Stammapostel, die Bezirksapostel oder von ihnen beauftragte Apostel zwei Amtsträgern stellvertretend für Verstorbene das Heilige Abendmahl. Zudem empfangen in drei über das Jahr verteilten Gottesdiensten für Entschlafene zwei Amtsträger stellvertretend für Verstorbene die heilige Wassertaufe, die heilige Versiegelung und das heilige Abendmahl. Diese sakramentale Fürbitte in der Form eines stellvertretenden Sakramentenempfangs ist das Entschlafenenwesen im Verständnis der NAK. In seiner Darstellung dieser Besonderheit nannte Apostel Volker Kühne einen konkreten Fall als Ausgangspunkt dieser Praxis. Apostel Friedrich Wilhelm Schwarz wurde mit der Sorge der Eltern eines totgeborenen und damit ungetauften Kindes konfrontiert. So legte er 1 Kor 15,29 als Begründung für die Spendung von Taufe und Versiegelung an Verstorbene aus, was er ab 1872 dann auch zu tun pflegte; bald schon kam auch die Spendung des Heiligen Abendmahls an Verstorbene hinzu.

Darauf antwortete Prof. Barbara Hallensleben als Sprecherin des Instituts für Ökumenische Studien «aus der grossen, gemeinsamen Tradition der Christenheit». Sie erinnerte, dass die kirchliche Tradition Argumentationsformen für den Fall entwickelt hat, dass die Offenheit für das Heil und die Unzugänglichkeit zu den Mitteln des Heils miteinander einhergehen. Dem «Entschlafenenwesen» hielt sie entgegen, dass die ungetauften Verstorbenen nicht des Sakramentes, sondern der Gnade des Sakramentes bedürfen: Verstorbene «brauchen» wie Lebende die Kirche in ihrem sakramentalen Selbstvollzug. Die NAK will in die ökumenische Bewegung eintreten und erwartet deshalb auch, dass sie nicht abgewiesen wird. Die Freiburger Tagung hat zumindest gezeigt, dass «ein fruchtbarer Dialog mit anderen Christen» (Katechismus der NAK) möglich ist.

 

Rolf Weibel

Rolf Weibel

Dr. Rolf Weibel war bis April 2004 Redaktionsleiter der «Schweizerischen Kirchenzeitung» und arbeitet als Fachjournalist nachberuflich weiter