CPT-Ausbildung in Seelsorge und Pastoralpsychologie (I)

Was bringt es Seelsorgenden, wenn sie sich in CPT-Kursen weiterbilden? Was hat die Seelsorge davon? Was steckt überhaupt hinter diesem erfolgreichen Label CPT1, und was beinhaltet es? Der Beitrag will darauf Antworten aus langer Praxis geben.

CPT steht für Clinical Pastoral Training als praxisnahe und kirchliche Seelsorgeausbildung. Seit 1971/72 wird sie jährlich und ohne Unterbruch in der Schweiz angeboten. Sie ist an Männer und Frauen gerichtet, die sich im Auftrag ihrer Kirche in qualifizierter Weise mit Seelsorge befassen. Auf die Frage, was ihnen CPT-Kurse brachten, reagieren unsere Teilnehmenden in der Regel mit einem ganzen Bündel von Ergebnissen: wieder erlangte Freude am Beruf, Ermutigung zur Seelsorge, Stärkung der eigenen Persönlichkeit, Rüstzeug zur Seelsorgepraxis, oft auch Zuversicht im eigenen Glauben.

Wieder Freude am Beruf

Es stimmt nachdenklich, wie oft uns in Kursen Kolleginnen und Kollegen begegnen, denen die Freude am Beruf unmerklich abhandengekommen ist. Oft sind es jene, die mit viel Begeisterung anfingen und sich mit Engagement auf die Arbeit einliessen. Es sind Umstände der eigenen Persönlichkeit, in der Ortsgemeinde, im Team, oft auch in der Gesamtkirche. Die eigene Situation in Ruhe anschauen, mit Sorgfalt und Fairness, unter erfahrener Leitung, in einer solidarischen Kursgruppe – das tut gut und lässt wieder Zuversicht aufkommen. Vermutlich hat ohnehin jemand, der sich zu unseren Kursen anmeldet, genau damit schon den ersten, wichtigen Schritt getan. Er hat gemerkt, dass er etwas gegen das Auspowern tun muss, dass sie etwas für die Zuversicht tun kann. Gewiss nimmt das Feuer nach der intensiven Zeit eines Kurses etwas ab. Doch sind die dreizehn Kurswochen über drei oder mehr Jahre verteilt. Das trägt zur Nachhaltigkeit bei, auch im Blick auf eine neue Identifizierung als Theologin oder Theologe im kirchlichen Dienst.

Ermutigung zur Seelsorge

Die Seelsorge fristet in manchem Berufsalltag immer wieder ein eher einsames Dasein, nicht, weil man die Wichtigkeit der Seelsorge nicht erkannt hätte. Im Gegenteil. Die Seelsorge steht auf einen hohen Level, den zu erreichen man sich allerdings nicht zutraut. Auch ich dachte einmal, wenn ich dann älter (und weiser) sei, komme das mit der Seelsorge schon auch noch. Mag sein, doch bei mir und bei vielen ist es nicht so. Es braucht eine Ermutigung zur Seelsorge, eine Sendung. In unseren Kursen und anschliessend in den Supervisionen kann solche Ermutigung erfolgen. Andere mit mir und ich mit ihnen erarbeiten Schritt für Schritt eine je eigene Seelsorgekompetenz. Genau diese Schrittchen-Arbeit in einer Peergroup kann zum Segen werden. Ich glaube, pfarramtliche und seelsorgliche Arbeit, in welcher Position einer Pfarrei oder Kirchgemeinde auch immer, leidet an der Vielfältigkeit und Dichte des Programms. Gleichzeitig ist die Vielfalt etwas vom Schönen und Verlockenden kirchlicher Arbeit, in Gemeinden und im Spital. Doch kirchliche Mitarbeitende tun gut daran, sich in einem der Bereiche vermehrt weiterzubilden. Das kann im Gestalten der Gottesdienste sein oder in der Katechese, oder in der Seelsorge. Wir brauchen in der Vielfalt ein Standbein. Oder ist es das Spielbein? Die andere Arbeit kann auch guttun. Doch wird in unserem Fall die Seelsorge der Bereich, zu dem wir gezielt beauftragt, für den wir mit Absicht freigestellt werden, in dem man zu Recht auch mehr von uns erwarten kann.

Stärkung der eigenen Persönlichkeit

Ein CPT-Kurs dient der Stärkung der eigenen Persönlichkeit. Wer sich auf diesen Weiterbildungsweg einlässt, lässt sich immer auch auf sich selber ein, auf die Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit, mit dem eigenen Geworden Sein. Ich bin davon überzeugt und verlange es auch, dass alle Berufsleute, die mit Menschen auf eine persönliche Art zu tun haben, an ihrer eigenen Persönlichkeit gearbeitet haben und immer wieder arbeiten. Wie soll ich jemanden in einem Abschied begleiten, wenn ich mich nicht mit eigenen Abschieden befasst habe! Glaubensnöte, Beziehungsängste, erfahrene Entwertungen und Verletzungen. Ganz können wir das alles bei uns selber nie bearbeitet und befriedet haben, aber ausreichend genug. Nicht, weil Männer, Frauen, Paare, Jugendliche, Familien, denen wir in der Seelsorge begegnen, ihre Fragen gleich wie wir beantworten müssten. Das käme kaum gut heraus. Aber wir begleiten Menschen anders, wenn wir das eigene Leben mit seinen Wechselfällen gut genug kennen. Vor allem vermischen wir damit nicht deren Situationen mit unseren eigenen. Dabei ist ein CPT-Kurs keine Therapie und auch kein Therapie-Ersatz.2 Gleichwohl ist eine unserer Säulen die Auseinandersetzung mit uns selber, etwa in Biografie-Arbeiten, im Bibliodrama, in Einzelsupervision, Feedbacks, täglichen Gruppengesprächen. Insofern weisen CPT-Kurse therapeutische Elemente auf.

Rüstzeug zur Seelsorgepraxis

Von den theologischen Fakultäten erwarten die Kirchen zu Recht, dass sie Männer und Frauen gut in der Theorie ausbilden, auch in Seelsorgetheorien. Da kommt auch Visionäres, Queres hinzu. Auch was im Trend liegt, wie gegenwärtig die sog. "Spiritual Care". Als Mensch der Kirche erwarte ich von den Fakultäten eine solide und geprüfte theoretische Grundlage. Darauf aufbauend ist CPT eine praxisbezogene Aus- und vor allem Weiterbildung. Auf den Geschmack der Praxis bringt es bereits das Studium, die eigentliche praktische Formation aber gehört in den Berufseinstieg und in die berufsbegleitende Weiterbildung. Darum braucht es für die CPT-Weiterbildung ein gewisses Mass an Praxiserfahrungen, auch an leidvollen. Gibt es für Seelsorge ein Rüstzeug? Gewiss vermitteln wir in unseren Kursen Rüstzeug, allerdings halten wir mit Tipps und Tricks bewusst lange zurück. Das wesentliche Instrument ist der Seelsorger, die Seelsorgerin selber. Wenn eine Methode nicht durch einen "hindurchgegangen" ist, wirkt sie als Technik, ist leblos, erfolglos. Unter Beachtung dieses Hintergrunds vermitteln wir keine Tricks, aber Methoden und Rüstzeug, dies dann auch gerne, hoffentlich nicht ohne den Heiligen Geist!

Ein Zusammenspiel von Methoden

CPT ist kein eigenes Verfahren wie etwa die Systemische Seelsorge. Wir beziehen unsere Methoden aus diversen Verfahren, ganz nach 1. Thess. 5,21: "Prüft alles und das Gute behaltet". Seelsorge ist ein Beziehungsgeschehen und somit oft ein Gespräch. Deshalb braucht es Kompetenz in Gesprächsführung. Dazu ein Wissen über Phänomene wie Übertragung und Gegenübertragung, Abwehr und Widerstand. Es braucht die Fähigkeit zur Empathie und dabei auch das Wissen, was Empathie nicht ist. Mit anderen Worten, wir beziehen für die seelsorgerliche Praxis Hilfreiches aus verschiedenen Verfahren. Uns auf die Schule von Carl Rogers zu reduzieren, ist ein Unsinn von Neidern. Doch die Ansätze von Rogers und anderen aus den Humanwissenschaften trugen viel zur Entfaltung der Seelsorgebewegung bei. Psychoanalyse, Gestalttherapie, Psychodrama, Systemische Therapie, lösungsorientierte Therapie – je nach Vor- und Weiterbildung der Kursleitenden kommt es zu entsprechenden Prägungen im Kurs. Wir glauben daran, dass gerade das Zusammenspiel von verschiedenen Theorieansätzen und Fähigkeiten hilfreich und sinnvoll in den beruflichen Alltag der Seelsorgenden umsetzbar ist. Vermutlich haben fähige Personen in der Seelsorge mit der Zeit eine Art Container mit Interventionsmöglichkeiten in sich, ihre eigene Schatzkiste an Rüstzeug, wie erfahrene Therapeuten auch.

Zuversicht im Glauben

Noch ein Wort zu diesem Gewinn aus den Kursen. Das ist nicht beabsichtigt und war in den Anfängen auch kein eigenständiges Thema. Doch es fällt auf, wie immer wieder Kursteilnehmende zu mehr Atem in ihrer Spiritualität kommen. Da ist einmal die tägliche kurze Besinnung in der Frühe, gestaltet durch die Teilnehmenden. Sie wird in der Regel anschliessend nicht diskutiert, sondern schlicht als Tagesbeginn mitgenommen. Besprochen werden allerdings Predigten und Gottesdienstteile aller Teilnehmenden, z. B. ab Tonband oder direkt. Es geht dabei nicht um Beurteilungen der Exegesen, sondern um die Analyse der Wirkung. Dem, was wirkte oder eben nicht wirkte, liegen oft eigene Fragen des Predigers, der Predigerin zu Grunde: Zweifel, auch eigener Unglaube. Eine weitere Form des "Glaubensgesprächs" ist das heute etablierte Bibliodrama. Alle Formen zusammen wirkt im Kursganzen mit. Wenn einmal der Druck, unerschütterlich und zweifelsfrei glauben zu müssen, weggefallen ist, erfahren Kursteilnehmende so etwas wie Evangelium, Gnade. Da malte jemand sein Glaubensfeld mit lauter Osterglocken und blieb in der Gruppe ungehört. Erst als er mit zunehmender Vertrautheit zu seinen Karfreitagen fand und zu den Tränen, zum Schmerz darüber, begannen seine Osterglocken im Kursraum zu leuchten und fanden Beachtung. Da ereignet sich Kirche.

Gemeinde- oder Spezialseelsorge

CPT ist eine bewährte und allgemein anerkannte Ausbildung für die Gemeindeseelsorge. In der Pfarrei- bzw. Kirchgemeindearbeit Beschäftigte gewinnen Kompetenz für alle ihre Tätigkeiten. Man spürt es ihnen an, und die Kursverantwortlichen hoffen, dass danach jemand entschieden und freudig der eigentlichen Seelsorge nachgeht bzw. Menschen, die dies wünschen – sei es bei Besuchen zu Hause, im Spital, in der Klinik, im Alters- und Pflegeheim. Ebenso braucht es die seelsorgerliche Haltung im Gottesdienst oder im Religionsunterricht. Daneben dient die CPT-Ausbildung seit jeher auch für die Spezialseelsorge. Ist jemand im Kurs dabei, der eine Stelle im Spital oder einer Klinik anzielt, werden das System Spital, Klinik ebenso fokussiert wie der Umgang bei bestimmten Krankheiten, darunter Tumorerkrankungen, Demenz, Herz- und Kreislauferkrankungen und psychische Erkrankungen. Das ist für alle sinnvoll, die in der Gemeinde oder in einem Spezialamt derart Erkrankten begegnen.

Freiwillig statt verordnet

Leider lassen sich einzelne Personen vom CPT abbringen in der Meinung, dies sei nur etwas für Klinik-Seelsorgende. Damit lassen sie sich etwas für den alltäglichen Umgang als Theologe und Theologin entgehen. Verständlich ist diese Meinung zwar wegen des Ausdrucks "Clinical" im Kürzel CPT, doch ebenso verständlich, weil in Stellenausschreibungen bei Spitalseelsorge-Stellen üblicherweise bei den Anforderungen der Zusatz "CPT oder etwas Ähnliches" steht. Das ist angebracht, kann jedoch den Lernprozess behindern, wenn jemand aufgrund der Stellenerfordernisse eher unfreiwillig in den Kurs kommt. Die besten Lerneffekte erzielt, wer freiwillig teilnimmt oder sich mit der Zeit jenseits von Anstellungserwartungen auf den Lernprozess einlässt.

Zielgruppen

Wir bilden Menschen weiter, die als Seelsorgende in der Praxis der Kirche stehen und verwenden den Ausdruck Seelsorge, weil wir bewusst eine kirchliche Ausbildung für Männer und Frauen anbieten, die im Auftrag ihrer Kirche stehen. Auf katholischer Seite sind es Pfarrer, Diakone, Pastoralassistenten, Laientheologen, Laientheologinnen sowie andere Seelsorgebeauftragte mit einem theologischen Hochschulabschluss oder einer äquivalenten Vorbildung. Auf reformierter Seite sprechen wir Pfarrerinnen und Pfarrer nach dem Hochschulabschluss sowie diakonische Mitarbeitende nach einem vergleichbaren Abschluss an. Je nach Nachfrage bieten die Kursleitenden Ausbildung für Freiwillige an, wozu es keinen Hochschulabschluss braucht. Mit Interesse beobachten wir Fragen zur Ausbildung in Seelsorge für Beauftragte der jüdischen oder der muslimischen Gemeinden. Hier scheint die Zukunft noch offen. Der Bezug zur kirchlichen Tradition und damit zum Evangelium bleibt grundlegend, und die Frage stellt sich, wie wir diesen Bezug leben und gleichzeitig Seelsorgende anderer Religionen mitausbilden können? Die Frage bleibt vorläufig ungeklärt.

CPT ökumenisch

Von allem Anfang an wurde CPT ökumenisch angeboten. Wie in anderen Fällen hat eine Kirche damit begonnen und die andere sich mit der Zeit daran beteiligt. In der deutschsprachigen und der romanischen Schweiz haben die reformierten Kantonalkirchen die CPT-Kurse aufgegleist. In Freiburg i. Br. war es ein katholisches Institut, in Stuttgart ein evangelisches. Offen waren unsere Kurse immer schon für alle Theologen und Theologinnen, die Weiterbildung suchten. Neben dem reformierten Pionier von CPT in der Schweiz, Hans van der Geest in Zürich, gab es früh schon einen katholischen Priester als Kursleiter, Ruedi Albisser in Luzern. In der sog. CPT-Kommission – heute AWS "Aus- und Weiterbildung in Seelsorge" – sitzt seit langem ein Mitglied der katholischen Weiterbildung. Ein Drittel der Kursleitenden ist katholisch, zwei Drittel sind reformiert. Immer mehr katholische Personen nehmen an den Kursen teil. Seit 1999 steuern die katholische wie die reformierte Kirche der Schweiz etwa gleich viel finanzielle Mittel bei. Zudem wird heute der Weg mit einem Bologna-Abschluss von der Theologischen Fakultät in Bern und von der Theologischen Hochschule in Chur gleichwertig getragen.

CPT international

CPT ist ein internationales Angebot, in den Ländervereinen voneinander unabhängig, doch untereinander vernetzt, vor allem was die Standards und die Kurssettings betrifft. In Deutschland ist es die KSA, "Kirchliche Seelsorge-Ausbildung", in Amerika die CPE, "Clinical Pastoral Education". Es gibt die CPT-Weiterbildung in Holland, Ungarn, Frankreich und anderen Ländern. Über zwei Schweizer Kursleiter sogar im Kongo.

1 Das Kürzel CPT ist die Abkürzung für Clinical Pastoral Training (Klinische Seelsorgeausbildung). Dabei meint "klinisch" keineswegs, dass alle Absolventen als Seelsorgende in einer Klinik arbeiten. Es meint die praktische und praxisnahe Ausbildung, vergleichbar mit den klinischen Semestern der Mediziner im Spital. Mehr unter: www.cpt-seelsorge.ch

2 Im CPT verbinden wir die Praxis so nahe wie möglich mit der Besprechung der Praxiserfahrungen. So liegt es bei den sog. Blockkursen nahe, die Ausbildung auch an einem Spital anzubieten. Das kann auch anderswo geschehen, bei den sog. fraktionierten Kursen, etwa im eigenen Praxisfeld.

Christoph Weber

Christoph Weber

Christoph Weber ist reformierter Pfarrer, Supervisor und Kursleiter CPT. Er lebt als Pensionierter in Sissach.