Conditor alme siderum, Qui condolens interitu Vergente mundi vespere, Cuius forti potentiae Te Sancte, fide quaesumus, Laus, honor, virtus, gloria |
Gott, heilger Schöpfer aller Stern, Denn es ging dir zu Herzen sehr, Da sich die Welt zum Abend wandt’, Gezeigt hat er sein’ gross’ Gewalt, Wir bitten dich, o heil’ger Christ, Lob, Preis sei, Vater, deiner Kraft |
Im Hymnus das Lob Gottes singen
Seit den frühen Anfängen der Kirche haben Christinnen und Christen ihren Glauben an den Gott, der sich den Menschen in der Geschichte heilvoll zugewandt hat und dies auch im Heute je neu tut, lobsingend kundgetan. Schon im Neuen Testament finden sich viele Zeugnisse solcher Loblieder, so in den Cantica des Lukasevangeliums, in den himmlischen Liedern der Apokalypse oder in der Briefliteratur (vgl. z. B. den Philipperhymnus). «Hymnen sind Gotteslob mit einem Liede» definierte Augustinus. «Wenn es nämlich ein Hymnus sein soll, muss er folgende drei Elemente enthalten: Lob, Gott und Lied» (Ennarationes in Psalmos 72,1 [PL 36, Sp. 914]).
Den ergiebigsten Nährboden für die Entwicklung von Hymnen stellt das Tagzeitengebet dar. In der lateinischen Liturgie findet sich vor allem ein Typ von Hymnen, der in der Urform auf Ambrosius zurückgeht, der für die Mailänder Kirche auf eine Praxis der syrischen Kirche zurückgriff. Dort sang man liedähnliche, volkstümliche Hymnen, die in gleich gebaute und auf die gleiche Melodie gesungene Strophen gegliedert waren. Ambrosius ist der grosse Hymnendichter der Alten Kirche, der in Abgrenzung zu den Arianern jedem Hymnus einen trinitarischen Lobpreis anfügte.
Die Regel des hl. Benedikt sieht für jede Hore einen «Ambrosianus» vor, während in der römischen Liturgie bis ins 12. Jahrhundert Hymnen in den Horen nicht selbstverständlich waren. Erst im Zuge der Liturgie-reform nach dem Trienter Konzil fanden überall Hymnen Eingang in das Breviarium Romanum. Im heutigen Stundenbuch erklingt zu Beginn jeder Tagzeit ein Hymnus als Einstimmung in die Tageszeit oder in den besonderen Gehalt des Tages resp. der Kirchenjahreszeit.
Ein Hymnus zur Vesper des Advents
«Gott, heilger Schöpfer aller Stern» (KG 309) gehört in der Adventszeit in vielen Gemeinden zum festen Bestand ihres Liedrepertoires. Der Text geht auf den von einem unbekannten Autor verfassten Hymnus «Conditor alme siderum» aus dem 8./9. Jahrhundert zurück, der von Thomas Müntzer, einem Reformator und Revolutionär aus der Zeit der Bauernkriege, 1523 in die deutsche Sprache übertragen wurde. «Conditor alme siderum» findet sich schon seit der ersten Jahrtausendwende in verschiedenen Stundenbüchern des Mittelalters. Das nachtridentinische Breviarium Romanum nimmt ihn als Vesperhymnus in der Adventszeit auf. Das heutige deutschsprachige Stundenbuch setzt diese Tradition fort und ordnet «Conditor alme siderum» in der Übertragung von Thomas Müntzer in die Vesper in den Tagen des Advents bis zum 16. Dezember ein.
«Erleucht uns»
Der Blick des Beters und der Beterin wird zu Beginn des Hymnus auf das Licht der Sterne gerichtet, das zur Zeit des Vesper schon in seiner ganzen Pracht zu sehen ist. Darin wird er und sie auf Gott, den Schöpfer, verwiesen. Dieser Schöpfer wird als der heilige erkannt, was im Wortfeld des lateinischen «alme» so viel meint wie der nährende, der wohltätige, der Segenspendende. Doch dieses Licht leuchtet noch anders als physisch, denn es ist das «aeterna lux credentium», das Licht, das Glauben weckt und am Leben erhält. Dieses «aeterna lux» ist Christus selbst, der Erlöser des Alls.
Liessen die ersten Worte des Hymnus einen Lobpreis auf Gott Vater erwarten, so ist es doch Christus, der hier im Mittelpunkt steht. Zu ihm wenden sich die Betenden: «Erhöre das dringliche Flehen» heisst es im lateinischen Text.
«es ging dir zu Herzen sehr»
Die zweite Strophe besingt den Schöpfer, der mit den Menschen leidet. Ihm «geht es zu Herzen» – wie Thomas Müntzer übersetzt –, dass die irdische Zeit des Menschen eine Zeit auf den Tod hin ist. Er sinnt deshalb auf Rettung, denn das Unheil ist eine Krankheit zum Tod, die in der Schuld der Menschheit gründet und von Gott geheilt werden muss.
«die Welt zum Abend wandt»
Wie der Beter und die Beterin sich am Abend des Tages befindet, so ist auch diese Welt an ihren Abend gekommen und kann nur geheilt werden durch einen Neuanfang, durch eine neue Geburt. Davon erzählen die Bilder des Hymnus. In der todesnahen Abendstunde der Welt geht es um einen neuen Morgen, an dem die Geschichte der Welt noch einmal beginnen kann. So wie jedes Kind, das geboren wird, einen Neuanfang der Welt darstellt, so trifft dies insbesondere auf die Geburt des «aeterna lux» zu, des Kindes, das als neue Sonne von einer Jungfrau geboren wird.
Die Geburt des ewigen Lichtes ist das Heilmittel für die schuldig gewordene Menschheit – so verkündet der Hymnus. Sie entreisst die Welt der Tod bringenden Krankheit, weil der Schöpfer der Sterne mit diesem Kind neu anfängt.
«sich beugen müssen»
Ob dieser Geburt, die für die Welt ihre Neuschöpfung bedeutet, stimmt das ganze All, das schon in der ersten Strophe besungen wurde, in den Lobpreis Gottes ein. Alles im Himmel und auf Erden beugt die Knie, verneigt sich und huldigt diesem Kind. Hier zitiert der Adventshymnus den Philipperhymnus, der die Menschwerdung Gottes als Erniedrigung bis zum Kreuz besingt, das zur Erhöhung des erniedrigten Menschen als den Messias führt.
«Wir bitten dich»
Der eindringliche Bittruf vom Beginn des Hymnus wird noch einmal aufgegriffen, denn die Gläubigen huldigen nicht nur dem Messias, sondern sie treten vor ihn hin als den künftigen Retter am Ende der Zeiten. Denn die Zeit bis zur Parusie wird als ein Raum der Gefährdung wahrgenommen, in der nur der Blick auf Christus Rettung bringen kann.
«Lob, Preis»
Aber die Sorge hat nicht das letzte Wort. Aus dem Vertrauen, dass Gott das Heil aller will, stimmt der Beter und die Beterin ein in den Lobpreis des ganzen Alls.