Brigitte Dengler-Spengler und das Standardwerk «Helvetia Sacra»

Brigitte Degler-Spengler ist in der Nacht vom 28. auf den 29. November 2015 im Klaraspital Basel gestorben. Sie erlag einer schweren, lange tapfer ertragenen Krankheit. Die Verstorbene war die leitende Redaktorin der monumentalen «Helvetia Sacra», dem für die institutionelle und biographisch geprägte Schweizer Kirchengeschichte massgebenden Standardwerk. Brigitte Degler-Spengler verdient es, in der «Schweizerischen Kirchenzeitung» in Erinnerung gehalten zu werden.

Jugend im kriegsgeschädigten Deutschland

Brigitte Degler-Spengler wurde am 5. April 1941 als Tochter des Flugzeugingenieurs Otto Spengler und seiner Ehefrau Paula geborene Braun geboren. Die Familie wohnte in Neustrelitz in Mecklenburg und später in Oranienburg in Brandenburg. Ihre ersten Lebensjahre waren überschattet vom Krieg mit dem Schrecken der Ostfront und intensiver werdenden Bombardierungen. Die Familie liess sich nicht unterkriegen. Sie stählte den Lebenswillen und lernte, in allen Situationen Lösungen zu suchen. 1947 siedelte die Familie nach Hauenstein in der Pfalz um, wo die Grosseltern ansässig waren. Im Vaterhaus der Mutter fanden die Spenglers für kurze Zeit ein neues Zuhause. Sie lebten dann 1949 bis 1953 in Dudweiler im Saarland und 1953 erneut in Hauen-stein. Hier führten die Eltern das gut frequentierte Speiserestaurant «Zum Löwen». Die Tochter half nun freundlich und gekonnt im väterlichen Betrieb mit. Sie blieb mit den Eltern bis zu deren Tod 1993 bzw. 2001 verbunden. Natürlich stand in diesen Jahren ab 1947 die Schule im Vordergrund. Die Verstorbene besuchte die Volksschule in Dudweiler, dann das Maréchal-Ney- Gymnasium in Saarbrücken und – nach der erneuten Umsiedlung nach Hauenstein – das neusprachliche Gymnasium der Englischen Fräulein in Landau/Pfalz. Am 2. März 1961 erfolgte die Reifeprüfung.

Studium und Berufstätigkeit in Basel

Danach studierte Brigitte Degler-Spengler an den Universitäten Freiburg i. Br., Mainz und Basel Geschichte und Germanistik. Auf Anregung und unter Leitung von Prof. Dr. Albert Bruckner, Basel, verfasste die strebsame Studentin die Dissertation «Das Klarissenkloster Gnadental in Basel 1289–1529». 1965 heiratete Brigitte Spengler Hermann Degler von Baden-Baden. Im Dezember 1967 promovierte Brigitte Degler-Spengler an der Universität Basel.

Die berufliche Tätigkeit fand Brigitte Degler- Spengler bei der «Helvetia Sacra», die ihren Sitz in Basel hatte. Dieser Arbeit blieb sie bis zum Schluss treu, was sie 1983 auch bewog, das Schweizer Bürgerrecht anzunehmen. Das von Pater Rudolf Henggeler, Benediktiner von Einsiedeln, initiierte, von Albert Bruckner gefestigte und vom Nationalfonds finanzierte Forschungsunternehmen stellt die kirchlichen Institutionen der Schweiz, Bistümer, Orden, Kongregatio-nen, Klöster, die Nuntiatur, Kommissariate u. a. m. in ihrer Geschichte dar, zusammen mit ihren Leitern und Leiterinnen, den Bischöfen, Äbten und Äbtissinnen, Prioren und Priorinnen. 1972 bis 2007 kamen in zehn Abteilungen 27 Bände heraus. Das monumentale Werk steht in den Lesesälen aller wissenschaftlichen Bibliotheken des In- und Auslandes. Brigitte Degler-Spengler trat 1974 in die Fussstapfen von Albert Bruckner und leitete die «Helvetia Sacra» während 29 Jahren bis in den Sommer 2003. Alle 27 Bände sind mit ihrer Beteiligung entstanden. Sie kannte alle Autorinnen und Autoren, sie hat alle Redaktorinnen und Redaktoren eingearbeitet und verfasste selber zahlreiche Beiträge: umfangreiche Einleitungen zu Orden, gewichtige Abhandlungen über Institutionen, Biographien von Vorstehern und Vorsteherinnen. Von ihr verfasste Rezensionen belegen die umsichtige Kenntnisnahme der laufenden Forschung. Der Redaktionsstab stellte seine Kompetenz auch in den Dienst des gleichzeitig entstehenden «Historischen Lexikons der Schweiz». Und die leitende Redaktorin war die unermüdliche und erfolgreiche Heroldin ihres Unternehmens bei Behörden und in der Öffentlichkeit. Brigitte Degler-Spengler war die Seele, die Kraft, die leitende Hand der «Helvetia Sacra». Ihr zur Seite standen das umsichtige Kuratorium, der kompetente Redaktionsstab, ein Heer von Autorinnen und Autoren und der Schwabe Verlag. Brigitte Degler-Spengler erwies sich in jeder Beziehung als umsichtige, führungsstarke, lösungsorientierte Chefin. Nach ihrer Pensionierung 2003 trat Dr. Petra Zimmer in ihre Fussstapfen und führte das Werk erfolgreich zum Abschluss.

Die Kirchengeschichte als Berufung

Seither arbeitete Brigitte Degler-Spengler fruchtbar weiter. Nebst der Mitarbeit an noch ausstehenden Bänden der «Helvetia Sacra», zum Beispiel zum Lazariterorden, galt ihr Interesse den Themen, die zu vertiefen ihr bis dahin die Zeit gefehlt hatte. Im Mittelpunkt standen spirituelle, monastische Fragen: die ewige Anbetung, das Verhältnis zwischen kontemplativem und aktivem Mönchtum, die katholische Reform. Davon zeugen die Publikationen über die Klausnerinnen bei St. Elisabethen in Basel (2006), die Klöster der Stadt Basel (2006), die Entstehung des Klosters Rickenbach (NW) (2008), St. Anna in Steinerberg und ihre Gründerin Vinzentia Gretener (2009), die Schwestern vom Kostbaren Blut in Seelisberg (2012), die katholische Reform in Uri (2015), letztere Arbeit als Mitautorin im Rahmen der von Hans Stadler-Planzer verfassten «Geschichte des Landes Uri».

Brigitte Degler-Spengler genoss grosses Vertrauen und stand in hohem Ansehen. Für ihre hervorragende Arbeit für die «Helvetia Sacra» und für ihre Forschungen, vor allem über das Eremitenwesen in der Schweiz und über Beginengemeinschaften, wurde sie 1996 mit dem Ehrendoktorat der Universität Freiburg i. Ue. ausgezeichnet. Und 2009 nahm die Benediktinerakademie von Bayern die um die Kenntnis der Geschichte des Benediktinerordens verdiente Historikerin in ihren Kreis auf. Wissenschaft und Fachwelt haben eine hervorragende Kraft verloren. Brigitte Degler-Spengler lebt aber in ihrem Werk weiter.

Alle, die Brigitte Degler-Spengler näher kannten, trauern auch um einen lieben, allen freundlich zugetanen Menschen. Die Verstorbene war erfüllt von Freiheitswille und unversiegbarer Lebensfreude. Sie war offen und neugierig. Ein schönes Zeugnis dafür sind die vielen Reisen, die sie unternahm. Überall sammelte sie Eindrücke, brachte Bücher, Karten, Fotos nach Hause. Feinsinnig waren die Äusserungen von Brigitte Degler-Spengler, in vollendeter Sprachkunst. Brigitte Degler-Spengler liebte das einfache Leben in Bescheidenheit. Sie war freigebig und gab nichts auf Reichtum. Klara, die Gefährtin des Poverello von Assisi, war ihre besonders verehrte Heilige. Soziale Verantwortung, fürsorgliche Treue dem Nächsten gegenüber waren weitere Eigenschaften von ihr.

Wie hätte es anders sein können, als dass ein Mensch wie Brigitte Degler-Spengler, hoch begabt, wahrhaftig, dem Guten zugetan, sich der Spannung nicht bewusst gewesen wäre zwischen der im Menschen angelegten Ebenbildlichkeit Gottes und seiner Endlichkeit? Allein das Vertrauen auf Gott, das Bauen auf seine unbegrenzte und unverdiente Barmherzigkeit vermochten diese Spannung auszuhalten. «Misericordias Domini in aeternum cantabo», sang Brigitte Degler-Spengler. Das Psalmwort steht auf Wunsch der Verstorbenen in ihrer Todesanzeige.

 

Hans Stadler-Planzer

Hans Stadler-Planzer

Dr. Hans Stadler-Planzer, freischaffender Archivar, Historiker und Publizist, ist Stiftungsrat des katholischen Hilfswerks Fastenopfer. Er war 2007–2012 Präsident des Kleinen Landeskirchenrates der römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Uri. Er erhielt Anfang 2016 vom Urner Regierungsrat und der Kunst- und Kulturstiftung Heinrich Danioth den «Goldenen Uristier 2015» als Würdigung seines historischen Gesamtwerkes.