Bibliodrama als Seelsorge

Obwohl das Buch aus der Bibliodrama- Arbeit und für sie entstanden ist, ist das hier vorgestellte ein Praxisbuch für die Seelsorge.1 Die Reflexion konkreter seelsorgerlicher Interventionen und Begleitungen zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch, das weit über die Bibliodrama-Szene hinaus von Interesse ist, auch weit über die aktuelle Berufsgruppe der Seelsorgenden.

Im besonderen Praxisteil des Buches finden sich denn auch bibliodramatische Kleinformen für den Einsatz in Gruppen quer durch die verschiedenen kirchlichen Praxisfelder von Kirchenpflege, Pfarreirat, Liturgiegruppen, Elternabenden und weiteren.

«Bibliodrama als Seelsorge» bietet wichtige Impulse, um Seelsorge so gestalten zu können, wie sie heutigen Menschen entspricht: «auf Augenhöhe, in gegenseitiger Abhängigkeit» entsprechend der seelsorgerlichen Grundhaltung mit ihrem Leitsatz: «Ausserhalb von Beziehung kein Heil».

Praxisbuch für Bibliodrama

In das Buch eingeflossen ist die Erfahrung von 35 Jahren Bibliodrama-Spielen des Autors und der beiden Autorinnen. 14 Spielerfahrungen mit biblischen Texten werden ausführlich vorgestellt und reflektiert. Manchmal handelt es sich um die verdichtete Reflexion mehrerer Spiele. Dazu kommt der kursorische Durchgang durch Erfahrungen mit den Lesungstexten in der Osternacht nach der Leseordnung der Römisch-Katholischen Kirche.

Zu mehr als 25 Bibeltexten sind die Raumaufteilungen grafisch übersichtlich gestaltet abgedruckt, als Anregung zur kreativen Weiterverwendung. Im Klappentext des vorderen Einbands sind die einzelnen Schritte eines Bibliodramas nach der Wislikofer Schule abgedruckt. Mit dem Buch in der Hand lässt sich spielen und leiten.

Umgang mit dunklen Gottesbildern

Das Buch wagt sich an Bibeltexte, an Gottesbilder und an Erfahrungen, die kirchlich und gesellschaftlich eher verdrängt und in den Hintergrund geschoben werden: Gewalt, Schuld, Gericht. Der Preis für die Verdrängung ist die Halbierung der Wirklichkeit. Dagegen setzt «Bibliodrama als Seelsorge» den mutigen Zugang zum Gericht als Heilserfahrung, zu Schuld und Sünde, die nur verwandelt werden können, wenn sie auf den Tisch kommen, zu Gewalt als Teil unserer Wirklichkeit und als Ausdruck der Leidenschaft Gottes für Gerechtigkeit.

Wer Theologie treibt und dabei in der einen Hand die Bibel und in der anderen die Tageszeitung oder das Smartphone hält, kommt an der Wirklichkeit nicht vorbei – oder eben nur um den Preis ihrer Verzerrung und der Unglaubwürdigkeit. Beides zu verhindern, ist Anspruch zeitgemässer Seelsorge.

Für die Entwicklung eines erwachsenen Glaubens

Immer wieder wird in «Bibliodrama als Seelsorge» von Menschen und ihren Glaubenserfahrungen erzählt. Sehr berührende und ehrliche Erfahrungen, in denen die Bibelgeschichte und die Lebensgeschichte durchlässig füreinander werden. Es ist das Ringen um den ganz persönlichen Weg zu einem erwachsenen Glauben zu spüren, der sich nicht mit Formeln abspeisen lässt und sich ebenso den eigenen Umwegen, Irrwegen und den Gefühlen stellt, die ein solches Ringen auslöst. Zu einem geringeren Preis ist authentische Entwicklung nicht zu haben.

Bei aller Wertschätzung bleibt eines kritisch anzumerken: Das Buch ist ein Werk zweier Autorinnen und eines Autors. In den einzelnen Kapiteln spricht aber immer wieder ein «Ich» von eigenen Erfahrungen. Dass dieses «Ich» nicht genau zugeordnet wird, sorgt zwischendurch für einige Irritation. Wer wie der Rezensent und viele andere mit Nico Derksen, Claudia Mennen und Sabine Tscherner gut bekannt ist, hört jeweils die eine oder den anderen sprechen.

Ich achte das Bedürfnis, ein gemeinsames Buch zu schreiben, aber die Irritation, die sich beim Lesen ergibt, soll doch angezeigt werden.

 

1 Nicolaas Derksen, Claudia Mennen, Sabine Tscherner, Bibliodrama als Seelsorge. Im Spiel mit dunklen Gottesbildern. Ein Praxisbuch, Schwabenverlag Ostfildern 2016, 192 Seiten, ISBN 978- 3-7966-1695-2.

Peter Zürn

Peter Zürn

Peter Zürn ist Präsident des Vereins Bibliodrama und Seelsorge.